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Rechtsum! Linksum! Ganze Abteilung kehrt! Militärisches Treppenwaschen, Stiefelputzen, Funkerschule und Fallschirmausbildung -das Ganze endete mit dem Murmansk-Konvoi nach Finnmarken. Dort hauste der Kriegsgott der Technik, während sich der Sonnengott für einen langen Winter empfahl.

Dann kam der Friede.

Eines Tages war die Theorie fertig. Ich wollte nach Amerika und sie vorlegen.

2. Eine Expedition kommt zustande

Bei den Spezialisten. Der springende Punkt. Im norwegischen Seemannsheim. Letzter Ausweg. Der »»Explorers Club«. Die neue Ausrüstung. Der erste Gefolgsmann. Ein Triumvirat. Ein Maler und zwei Kriegskameraden. Nach Washington. Konferenz im Kriegsdepartment.    Mit der Wunschliste beim Generalquartiermeister. Schwierige Finanzprobleme. Bei den Diplomaten der UN. Flug nach Ecuador.

So hatte es also angefangen, am Strande einer Südseeinsel, wo uns ein alter Eingeborener die Sagen und Erzählungen seines Geschlechts berichtete. Viele Jahre später saß ich mit einem anderen Alten beisammen, diesmal aber in dem finsteren Büro in den oberen Stockwerken eines großen New Yorker Museums.

Rund um uns herum lagen in wohlgeordneten Glasschränken die toten Hüllen einer vergangenen Wirklichkeit, die in die graue Vorzeit zurückwiesen. Im übrigen waren die Wände mit Büchern bedeckt. Manche davon hatte ein Mensch geschrieben, und kaum zehn andere auf der Welt hatten sie gelesen. Der alte Mann, der alle diese Bücher gelesen und eine ganze Reihe davon auch selbst geschrieben hatte, saß, weißhaarig und gütig, hinter seinem Schreibtisch. Aber ich mußte ihm doch zu nahe getreten sein, denn unwillig umklammerte er die Armlehne seines Stuhls. Er sah gerade so aus, als hätte ich ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.

»Nein«, sagte er, »niemals!«

Im „Explorers Club" in New York wird der Reiseplan vor dem Start besprochen. Von rechts nach links: Der Grönlandfahrer Peter Freuchen, der Verfasser, Hermann Watzinger und der „Häuptling vom Clannfhearghius".

Genauso hätte wohl der Weihnachtsmann dreingeschaut, wenn jemand ihm hätte beweisen wollen, daß nächstes Jahr Heiligabend auf den Johannistag fallen würde.

»Sie haben unrecht, vollkommen unrecht«, fing er wieder an und schüttelte indigniert den Kopf, wie um einen unangenehmen Gedanken loszuwerden.

»Aber Sie haben ja meine Argumente noch gar nicht gelesen!« unternahm ich noch einen schwachen Versuch und deutete hoffnungsvoll auf das Manuskript, das auf dem Tisch lag.

»Argumente!« sagte er unwillig. »Sie dürfen ethnographische Probleme nicht wie ein Detektiv angehen!«

»Warum nicht?« entgegnete ich. »Ich habe alle Schlußfolgerungen aus eigenen Beobachtungen und aus den Tatsachen gezogen, die mir die Wissenschaft auf den Tisch gelegt hat.«

»Die Aufgabe der Wissenschaft ist reine Forschung und nicht, etwas Vorgefaßtes zu beweisen«, lächelte er. Vorsichtig legte er das ungeöffnete Manuskript zur Seite und beugte sich über den Tisch vor:

»Es ist zwar völlig richtig, daß in Südamerika eine der merkwürdigsten Kulturen der Weltgeschichte zu Hause war und daß wir weder wissen, wer ihre Träger waren, noch wo sie geblieben sind, als die Inkas an die Macht kamen Aber eines wissen wir jedenfalls mit Sicherheit: daß nämlich keines von den Völkern Südamerikas zu den Inseln im Stillen Ozean übergesiedelt ist.«

Er sah mich forschend an und fuhr fort:

»Wissen Sie auch warum? Die Antwort ist einfach genug - sie konnten diese Inseln niemals erreichen. Sie hatten keine Schiffe!«

»Sie kannten Flöße«, versuchte ich zögernd einzuwenden, »sie kannten Flöße aus Balsaholz.«

Der Alte lächelte wiederum:

»Ja. Sie können ja einmal versuchen, mit einem Balsafloß von Peru nach den Südseeinseln zu reisen.«

Ich blieb die Antwort schuldig. Es war spät geworden. Wir erhoben uns. Der alte Gelehrte schlug mir wohlwollend auf die Schulter, als er mich zur Tür begleitete, und versicherte mir, wenn ich Hilfe brauchte, sollte ich nur zu ihm kommen. Er gäbe mir aber den guten Rat, mich entweder auf Polynesien oder auf Südamerika zu spezialisieren und nicht zwei verschiedene Erdteile durcheinanderzubringen. Er wandte sich zum Tisch zurück.

»Sie haben das bestimmt vergessen«, sagte er und gab mir das Manuskript zurück. Ich sah auf den Titeclass="underline" »Polynesien und Amerika. Das Problem ihrer Kulturverwandtschaft.« Ich klemmte also mein Manuskript unter den Arm und rauschte die Treppen hinunter, hinaus in den Trubel der Straßen.

An diesem Abend ging ich aus und klopfte an die Tür einer alten Behausung in einem versteckten Winkel von Greenwich Village. Hier suchte ich immer Zuflucht mit den kleinen Problemen meiner Existenz.

Ein schmächtiges Männchen mit langer Nase musterte mich vorsichtig, bevor es mir mit breitem Lächeln die Tür öffnete und mich einließ Er zog mich hinein bis in die kleine Küche, wo er mich Teller und Gabeln aufdecken ließ, wahrend er selbst die Dose mit den unbestimmbaren, aber wohlriechenden eingemachten Früchten öffnete, die er über dem Gas gewärmt hatte.

»Nett, daß du gekommen bist«, sagte er, »wie geht's?«

»Schlecht«, erwiderte ich, »kein Mensch ist auf mein Manuskript neugierig «

Er füllte die Teller, und wir beschäftigten uns mit ihrem Inhalt

»Die Sache ist die«, sagte er, »daß alle, die du aufgesucht hast, nur glauben, du hattest eine beiläufige Idee. Du weißt, wieviel Leute mit merkwürdigen Ideen hier in Amerika auftauchen «.

»Und noch etwas!« sagte ich.

»Ja«, sprach er weiter, »die Beweisführung. Sie alle sind Spezialisten und glauben deshalb nicht an eine solche Arbeitsmethode, die in alle Fachgebiete - von der Botanik bis zur Archäologie - hineingreift. Sie begrenzen sich selbst im Umfang ihrer Forschungstätigkeit, um desto konzentrierter in der Tiefe schürfen zu können, um Details zu finden. Die Wissenschaft der Gegenwart fordert, daß jedes Fachgebiet seinen eigenen Boden umgräbt. Man ist es gar nicht mehr gewohnt, daß einer die vielen Teilergebnisse durchsieht, die aus den verschiedenen Gebieten erwachsen, um sie zu einem großen Bild zusammenzusetzen.«

Er griff nach einem umfangreichen Manuskript.

»Schau her«, sagte er, »mein letztes Werk über das Vogelmuster in der chinesischen Bauernstickerei. Es hat mich geschlagene sieben Jahre gekostet, aber jetzt wurde es sofort zum Druck angenommen. Die Zeit fordert Detailstudien.«

Karl hatte recht. Aber Probleme des Stillen Ozeans zu lösen, ohne sie von allen möglichen Seiten zu beleuchten, bedeutet meiner Meinung nach dasselbe, wie ein Puzzlespiel nur mit Hilfe der Teile, die die gleiche Farbe haben, zusammensetzen zu wollen.

Wir hoben die Tafel auf, und ich half ihm beim Abwaschen.

»Was Neues von der Universität in Chicago?«

»Nein.«

»Na, und was sagte heute dein alter Freund vom Museum?«

Darauf ging ich ein:

»Er war überhaupt nicht interessiert. Er sagte, solange die Indianer nur offene Flöße hatten, könnte man unmöglich damit rechnen, daß sie die Inseln des Stillen Ozeans je erreicht hätten.«

Der kleine Mann begann plötzlich aufgeregt an seinem Teller zu reiben.» Ja«, sagte er, »also das war der springende Punkt! Tatsächlich, das ist auch für mich das Hindernis, an die Haltbarkeit deiner Theorie zu glauben.«

Ich blickte finster auf den kleinen Ethnologen, den ich bisher für einen verschworenen Bundesgenossen gehalten hatte.

»Aber mißverstehe mich nicht«, beeilte er sich hinzuzusetzten, »einerseits glaube ich, daß du recht hast, aber andererseits leuchtet es so wenig ein. Meine Vogelarbeit stützt ja deine Theorie.«

»Karl«, sagte ich, »ich bin so sicher, daß die Indianer den Stillen Ozean auf ihren Flößen überquert haben, daß ich bereit bin, ein solches Floß selbst zu bauen und über den Ozean zu fahren, nur um die Möglichkeit zu beweisen.«