Auf ausgeglühten Korallenblöcken lagen Spulen und Radioteile zum Trocknen in der Tropensonne, Torstein und Knut koppelten und schraubten. Der Tag verging, und die Stimmung wurde immer aufgeregter. Wir gaben jede andere Beschäftigung auf und versammelten uns um die Radioleute in der Hoffnung, helfen zu können. Vor zehn Uhr abends mußten wir im Äther sein. Da waren nämlich die sechsunddreißig Stunden um, und der Amateur auf Rarotonga würde um Hilfe rufen nach Flugzeugen und Rettungsexpeditionen.
Es wurde Mittag und Nachmittag, und die Sonne sank. Wenn es jetzt nur gelingen würde, Rarotonga zurückzuhalten. Es wurde sieben und acht und neun. Die Spannung war zum Zerreißen. Kein Lebenszeichen im Sender, aber der Empfänger, ein NC-173, begann aufzuleben, und auf einer Stelle ganz unten auf der Skala hörten wir schwache Musik. Aber nicht da, wo wir unsere Amateurfrequenz hatten. Aber es zog sich empor, vielleicht war es eine nasse Spule, die langsam von dem einen Ende her trocken wurde. Der Sender war weiterhin stocktot, überall gab es Kurzschlüsse und Funken.
Es blieb uns keine volle Stunde mehr. Es ging nicht. Der Sender wurde aufgegeben, und ein kleiner Saboteursender aus dem Kriege wurde aufs neue versucht. Wir hatten ihn mehrere Male im Laufe des Tages ausprobiert, aber ohne Resultat. Vielleicht war er jetzt ein wenig trockener geworden. Alle Batterien waren vollständig ruiniert, den Strom bekamen wir durch das Drehen eines winzigen Handgenerators. Er ging schwer, und wir vier rundherum schufteten den lieben langen Tag. Geduldig saßen wir an dem Scheusal und drehten.
Die sechsunddreißig Stunden waren bald vorbei. Ich erinnere mich, daß einer flüsterte, noch sieben Minuten, noch fünf Minuten und - dann war keiner mehr, der noch auf die Uhr sehen wollte. Der Sender war noch ebenso stumm, aber es zischte im Empfänger empor bis zur richtigen Frequenz. Plötzlich ging es auf der Frequenz des Rarotongamannes los und wir begriffen so viel, daß er bereits in vollem Kontakt mit der Telegraphenstation auf Tahiti war. Kurz darauf schnappten wir folgendes Bruchstück einer Meldung auf, die von Rarotonga ausging:
». . . kein Flugzeug auf dieser Seite von Samoa. Ich bin ganz sicher . .
.«
Und dann starb es wieder weg. Die Spannung war nicht mehr auszuhalten. Was ging da draußen vor sich? Hatten sie bereits begonnen, Flieger und Rettungsexpeditionen auszusenden? Jetzt gingen wohl die Meldungen kreuz und quer durch den Äther.
Die zwei Funker arbeiteten fieberhaft. Der Schweiß tropfte ihnen vom Gesicht genauso wie uns, die wir saßen und drehten. Es begann langsam Kraft in die Senderantenne zu kommen, und Torstein zeigte ergriffen auf einen Pfeil, der sich langsam über eine Skala hinaufbewegte, wenn er die Morsetaste niederdrückte. Jetzt kam es!
Wir drehten wie die Verrückten, während Torstein Rarotonga rief. Keiner hörte uns. Noch einmal. Jetzt war der Empfänger wieder zum Leben erwacht, aber Rarotonga hörte uns nicht. Wir riefen Hai und Frank in Los Angeles und die Seekriegsschule in Lima, aber keiner hörte uns.
Das setzte Torstein eine CQ-Meldung ab, das heißt, er rief an alle Stationen in der Welt, die uns hören konnten, auf unserer besonderen Amateurfrequenz.
Das half. Jetzt begann eine schwache Stimme draußen im Äther langsam nach uns zu rufen. Wir riefen wieder und sagten, daß wir sie hörten. Da sagte die langsame Stimme da draußen im Äther:
»Mein Name ist Paul. Ich wohne in Colorado, wie heißt du, wo wohnst du?«
Es war ein Radioamateur. Torstein warf sich über die Taste, während wir drehten, und antwortete:
»Hier Kon-Tiki. Wir sind auf einer öden Insel im Stillen Ozean gestrandet. «
An diese Aufklärung glaubte Paul nicht im mindesten. Er meinte, es sei ein Radioamateur eine Straße weiter, der bloß seinen Spaß mit ihm trieb, und kam nicht einmal im Äther wieder. Wir rauften uns verzweifelt den Bart. Hier saßen wir unter den Palmenkronen in der Sternennacht auf einer öden Insel, und es fand sich keiner, der uns geglaubt hätte.
Torstein ergab sich nicht. Er war wieder über seiner Taste und sendete: »Alles in Ordnung, alles in Ordnung« ins Unendliche. Wir mußten, zum Teufel, die ganze Rettungsmaschinerie aufhalten, bevor sie über den Stillen Ozean dahergerollt kam.
Da hörten wir ganz schwach im Empfänger:
»Sicher ist alles in Ordnung, aber warum schlägst du da solchen Krach?«
Dann war es wieder still im Äther. Das war alles.
Wir wären am liebsten in die Luft gegangen und hätten alle Kokosnüsse aus Wut heruntergeschüttelt, und der Himmel mag wissen, was wir getan hätten, wenn nicht sowohl Rarotonga wie der gute alte Hai uns plötzlich gehört hätten. Hai weinte, sagte er, so froh war er, LI2B wieder zu hören. Alle weiteren Bemühungen wurden augenblicklich eingestellt. Wir waren wieder allein und ungestört auf unserer Südseeinsel und eilten ermattet in die Koje aufs Palmenlager.
Am nächsten Tag nahmen wir es mit der Ruhe und genossen das Leben in vollen Zügen. Die einen badeten, die anderen fischten und waren auf Entdeckungsreisen auf dem Riff nach wunderlichen Tieren, während die ganz Energischen im Lager aufräumten und es rund um uns schön machten. Draußen auf der Landzunge, die auf das Wrack zulief, gruben wir eine Grube am Saum des Waldes und legten sie mit Blättern aus, bevor wir eine sprossende Kokosnuß aus Peru einpflanzten. Ein Mal aus Korallen wurde an ihrer Seite errichtet in gerader Linie zur Landungsstelle der »Kon-Tiki«.
Die »Kon-Tiki« war im Laufe der Nacht noch weiter hereingeschwemmt worden und lag fast trocken in einigen Wasserpfützen, festgeklemmt zwischen einer Reihe von großen Korallenblöcken, weit drinnen am Riff.
Nachdem sie sich gründlich im warmen Sand hatten durchbraten lassen, waren Erich und Hermann wieder in guter Form und bekamen Lust, nach Süden das Riff entlangzuziehen, in der Hoffnung, zu der großen Insel da unten hinüberzukommen. Ich warnte sie mehr vor dem Aal als vor dem Hai, und jeder steckte sein langes Machetenmesser in den Gürtel. Im Korallenriff hält sich nämlich ein fürchterlicher Aal mit langen giftigen Zähnen auf, der leicht einem Menschen das Bein abreißen kann. Er wendet sich blitzschnell zum Angriff und ist der Schrecken der Eingeborenen, selbst solcher, die es wagen, um einen Hai herumzuschwimmen.
Die zwei waren imstande, weite Strecken das Riff hinunterzuwaten, aber es waren einzelne tiefere Rinnen kreuz und quer, wo sie schwimmen mußten. Sie erreichten glücklich die große Insel und wateten an Land. Lang und schmal und bedeckt von Palmenwald, zog sie sich zwischen sonnenhellen Strandplätzen im Schütze des Riffs nach Süden. Die zwei schritten die ganze Insel ab, bis sie an die Südspitze kamen. Hier zog das Riff sich weißschäumend weiter gegen Süden, anderen fernen Inseln zu. Sie entdeckten das Wrack eines gewaltigen Schiffes. Es hatte vier Masten und lag, in zwei Teile zerrissen, am Strand. Es war ein alter, spanischer Segler, der mit Eisenbahnschienen beladen gewesen war, und rostige Schienen lagen draußen längs des ganzen Riffs verstreut. Sie folgen der anderen Seite der Insel wieder zurück, aber fanden nicht einmal die Spur eines Menschen im Sand.