Drei alte Männer drängten sich vor und wollten uns die Hand schütteln. Es war kein Zweifel, daß sie es waren, die die Erinnerung an Tiki bei der Bevölkerung am Leben hielten, und der Häuptling erzählte auch, daß der eine Alte eine Unzahl von Überlieferungen und historischen Liedern aus der Zeit der Vorväter kannte. Ich fragte den Alten, ob nicht ein Hinweis in den Überlieferungen war, aus welcher Richtung Tiki gekommen sei. Nein, daran konnte sich keiner von ihnen erinnern. Aber nachdem sie sich wohl und lange bedacht hatten, sagte der älteste von den dreien, daß Tiki einen nahen Verwandten mit sich hatte, namens Maui, und in dem Lied von Maui hieß es, daß er hierher auf die Insel von Pura kam, und Pura, das war dort, wo die Sonne aufging. War also Maui von Pura gekommen, so war wohl Tiki aus derselben Richtung, und wir sechs auf dem Pae-pae, wir waren auch von Pura gekommen, das stand fest.
Ich erzählte den Braunen, daß auf einer einsamen Insel näher bei der Osterinsel, die Mangareva heißt, die Bevölkerung niemals den Bau von Kanus erlernt hatte. Hier hatten sie nie aufgehört, große Pae-paes auf See zu gebrauchen bis in unsere Zeit. Davon wußte der Alte nichts. Aber er wußte, daß ihre eigenen Vorväter auch große Pae-paes verwendet hatten, aber das war im Laufe der Zeit völlig außer Gebrauch gekommen, und jetzt war nur mehr der Name und die Überlieferung übrig. In alten Tagen wurden die Pae-paes als Rongo-rongo bezeichnet, sagte der Älteste, aber das sein ein Wort, das jetzt nicht mehr im Sprachschatz vorkomme. Aber Rongo-rongos werden in den ältesten Sagen erwähnt.
Dieser Name war interessant, denn Rongo, das auf einzelnen Inseln Lono ausgesprochen wird, war der Name eines der bekanntesten sagenumsponnenen Ahnen der Polynesier. Er wurde ausdrücklich als weiß und hellhaarig geschildert. Als Kapitän Cook das erstemal auf Hawaii kam, wurde er mit offenen Armen von den Insulanern empfangen. Sie glaubten, er sei ihr weißer Verwandter Rongo, der nach generationenlanger Abwesenheit auf seinem großen segelführenden Fahrzeug von der Heimat seiner Väter zurückkehrte. Und auf der Osterinsel war Rongo-rongo die Bezeichnung für die mystischen Hieroglyphen, deren Geheimnis mit den letzten schriftkundigen »Langohren« verlorenging.
Während die Alten über Tiki und Rongo-rongo sprechen wollten, wünschten die Jungen vom Walhai und von unserer Fahrt über das Meer zu hören. Aber das Essen wartete, und Teka war es müde, Dolmetsch zu spielen. Jetzt durfte das ganze Dorf herantreten, um jedem einzelnen von uns die Hand zu schütteln. Die Männer murmelten »Ja-ora-na« und rissen uns fast die Hand ab, die jungen Mädchen tänzelten heran und grüßten schelmisch und geniert, und die alten Hexen schwatzten und knixten und zeigten auf unseren Bart und unsere Hautfarbe. Es leuchtete Freundschaft aus jedem einzelnen Gesicht. So konnte es gar nicht ausbleiben, daß eine babylonische Sprachverwirrung entstand. Sagten sie etwas Unverständliches zu uns auf polynesisch, so antworteten wir mit derselben Münze auf norwegisch. So hatten wir alle miteinander einen Riesenspaß.
Das erste Wort, das alle lernten, war »mögen«, und wenn einer mit diesem Wort auf das zeigen konnte, was er mochte, und damit rechnen konnte, es sofort zu bekommen, so war die ganze Schwierigkeit gelöst. Rümpfte einer die Nase, wenn er »mögen« sagte, so bedeutete das »nicht mögen«. So konnte man sich ganz gut verständigen.
Sobald wir mit den hundertsiebenundzwanzig Einwohnern des Dorfes bekannt waren, wurde ein langer Tisch für die zwei Häuptlinge und uns sechs gedeckt, und die jungen Mädchen des Dorfes kamen und brachten die leckersten Gerichte. Während die einen den Tisch deckten, kamen die anderen und flochten Blumenkränze um unseren Hals, und kleinere Kränze wurden uns auf die Stirn gedrückt. Sie sandten ein schmachtendes Aroma aus und waren kühl und erfrischend in der Hitze. Dann begann ein Willkommensfest, das erst schloß, als wir von der Insel abreisten. Wir bekamen Stielaugen, das Wasser lief uns im Mund zusammen, uns, die wir vom Floß kamen, denn der Tisch bog sich vor gebratenen Spanferkeln, Hühnern, Entenbraten, frischem Hummer, polynesischen Fischgerichten, Brotfrucht, Papaya und Kokosmilch. Und während wir uns über die Gerichte stürzten, sang man Hula - Lieder zu unserer Unterhaltung, indes junge Mädchen den Tisch umtanzten.
Die Jungens machten es sich so bequem wie möglich und zerflossen förmlich vor Wohlbehagen, der eine sah so lächerlich aus wie der andere. Ausgehungert saßen wir da und schwelgten in den Gerichten mit brausendem Bart und einem Blumenkranz im Haar. Die zwei Häuptlinge genossen das Dasein genauso offenkundig wie wir.
Nach dem Essen gab es Hula-Tanz im großen Stil. Das Dorf wollte uns die lokalen Volkstänze zeigen. Während wir sechs mit Teka und Tupuhoe jeder seinen Ehrenstuhl im Orchester bekamen, traten zwei Gitarrespieler vor, ließen sich nieder und klimperten los, echte Südseemelodien. In einem großen Kreis hockten um uns die anderen Zuschauer, die kräftig singend einfielen. Da glitten zwei Reihen tanzender Männer und Frauen mit raschelnden Palmenblattfransen sich drehend und schwingend durch diesen Ring. Sie hatten einen munteren und feurigen Vorsänger in Gestalt eines überquellend fetten Kerls, der einen Arm durch einen Hai verloren hatte. Zu Beginn wirkten die Tänze ein wenig theatralisch und nervös, aber als sie sahen, daß die Weißen vom Pae-pae nicht über die Volkstänze ihrer Vorfahren die Nase rümpften, kam mehr Leben in sie. Ein Teil der älteren sprang mit hinein, sie hatten den besten Rhythmus und kannten diese Tänze am besten, die sicher nicht mehr im allgemeinen Gebrauch standen. Und als die Sonne in den Stillen Ozean tauchte, wurde es unter den Palmen lebhafter und lebhafter, und der Jubel der Zuschauer wurde mehr und mehr spontan. Sie hatten vergessen, daß es sechs Fremde gab, die zusahen. Jetzt waren wir sechs der Ihren und freuten uns mit ihnen. Das Repertoire hatte kein Ende. Eine fesselnde Vorführung löste die andere ab. Zum Schluß setzte sich eine Anzahl junger Männer in die Hocke in einem dichten Ring vor unseren Beinen, und auf ein Zeichen Tupuhoes begannen sie gleichmäßig den Boden mit den Handflächen zu schlagen. Erst langsam, dann schneller, der Rhythmus wurde besser und besser, als plötzlich ein Trommelschläger einfiel und sie begleitete, indem er mit zwei Stöcken auf einen knochentrockenen, ausgehöhlten Holzblock schlug. Das gab einen scharfen, durchdringenden Klang. Als der Rhythmus die gewünschte Feurigkeit hatte, begann der Gesang. Plötzlich sprang ein Hula-Mädchen, einen Blumenkranz um den Hals und Blumen hinter dem Ohr, in den Ring. Es trat den Takt mit bloßen Füßen und krummen Knien, während es sich rhythmisch in den Hüften wiegte, die Arme über den Kopf, in echtem Südseestil. Es tanzte glänzend, und bald schlug die ganze Versammlung den Takt mit den Fäusten. Noch ein Mädchen sprang in den Ring und noch eines. Sie bewegten sich mit unglaublicher Geschmeidigkeit und in vollendetem Rhythmus und umkreisten sich wie graziöse Schatten im Tanz. Die dumpfen Schläge gegen den Boden, der Gesang, die helle Holztrommel beschleunigten ihr Tempo, der Takt wurde rascher und rascher, der Tanz wilder und wilder, während die Zuschauer in sorgfältigem Rhythmus klatschten und heulten. Das war die Südsee, so wie sie die Vorzeit kannte. Die Sterne blinkten, und die Palmen wiegten sich, die Nacht war mild und lang, erfüllt von Blumenduft und Zikadengesang. Tupuhoe strahlte wie die Sonne und schlug mir auf die Schulter.
»Maitai?« fragte er.