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»Eh, maitai«, antwortete ich.

»Maitai?« fragte er alle anderen.

»Maitai!« antworteten sie laut und deutlich aus innerster Überzeugung, keiner von ihnen hätte die Nase gerümpft.

»Maitai«, nickte Tupuhoe und zeigte auf sich selbst. Auch er war zufrieden.

Selbst Teka fand, daß es ein schönes Fest war. Es war das erstemal, daß Weiße den Tänzen hier auf Raroia beiwohnten, erzählte er. Rascher und rascher gingen die Trommelwirbel, das Klatschen, der Gesang und der Tanz. Nun hörte die eine der Tänzerinnen auf, sich rund im Kreise zu bewegen, sie stand jetzt auf einem Fleck und tanzte in wirbelndem Tempo. Immer wieder streckten sich ihre Arme Hermann verlockend entgegen. Hermann grinste verschämt in seinen Bart, er wußte nicht recht, was er tun sollte.

»Es ist jedenfalls eine gesunde Bewegung!« zischelte ich, »und du bist ja ein guter Tänzer!«

Und zum unbegrenzten Jubel der Menge sprang Hermann hinein in den Ring, und halb in der Hocke stürzte er sich in all die verlangenden Windungen des Hula-Tanzes. Der Jubel war grenzenlos, bald schwangen sich auch Bengt und Torstein im Tanz und schlängelten sich, daß der Schweiß nur so troff, um dem Takt zu folgen, der sich zu einer wahnwitzigen Jagd beschleunigte, bis dieTrommel allein in einen einzigen Wirbel überging und die drei wirklichen Hula-Tänzerinnen wie Espenlaub im Takt bebten, bis sie im Finale zusammensanken und die Trommelwirbel jäh abrissen.

Nun war der Abend unser. Die Stimmung war auf dem Höhepunkt.

Der nächste Punkt im Programm war der Vogeltanz, eine der ältesten Zeremonien auf Raroia. Männer und Frauen in zwei Reihen tanzten gegeneinander in einer rhythmischen Bewegung, indem sie Schwärme von Vögeln kopierten, die von einem Vortänzer dahingeführt wurden. Der Vortänzer hatte den Titel eines Vogelhäuptlings und hatte wunderliche Manöver zu vollführen, ohne mit in den Tanz zu folgen. Als er vorüber war, erklärte Tupuhoe, das sei jetzt dem Floß zu Ehren gewesen. Jetzt sollte wiederholt werden aber ich sollte den Vortänzer ablösen. Ich hatte den Eindruck, die Hauptaufgabe des Vortänzers sei es, ein wildes Gebrüll auszustoßen und in der Hocke herumzuhüpfen, dabei mit dem Hinterteil zu wedeln und womöglich noch die Hände über dem Kopf zu schwingen. So zog ich den Blumenkranz gut über den Schädel herunter und marschierte in die Arena. Während ich mich im Tanz wand, sah ich auf einmal, wie der alte Tupuhoe lachte, daß er ständig in Gefahr war, vom Stuhl zu kugeln. Die Musik wurde immer dürftiger, da Gesangschor und Musikanten dem unwiderstehlichen Beispiel Tupuhoes folgten.

Jetzt wollten alle beim Tanz dabei sein, Alte und und Junge. Sofort waren der Trommelschläger und die Bodenklatscher wieder da und leiteten über zu einem mitreißenden Hula-hula-Tanz. Wieder sprangen die Hula-Mädchen in den Ring und begannen den Auftakt in wildem und wilderem Tempo, und dann wurden wir nacheinander aufgefordert. Immer mehr Männer und Frauen folgten nach und stampften und bogen sich, rascher und rascher.

Aber Erich war heute nicht in Bewegung zu bekommen. Zug und Feuchtigkeit auf dem Floß hatten seinen längst erstorbenen Hexenschuß zu neuem Leben erweckt. So saß er wie ein alter, eisgrauer Seebär steif und bärtig und dampfte aus einer kurzen Pfeife. Er ließ sich nicht von den Hula-Mädchen verführen, die umsonst versuchten, ihn in die Arena zu locken. Er hatte seine dicke Schafspelzhose an, die er des Nachts in den kältesten Gefilden des Humboldtstroms getragen hatte, und mit Vollbart, bloßem Oberkörper und Schafspelzhose war er eine getreue Ausgabe von Robinson Crusoe, wie er da unter den Palmen saß. Ein hübsches Mädchen nach dem anderen versuchte sich einzuschmeicheln, aber vergebens. Er saß nur ernsthaft da, dampfte aus seiner Pfeife, einen Blumenkranz im Haar.

Da trat eine wohlgewachsene Matrone mit schwellenden Muskeln vor in den Ring, machte einige mehr oder minder wohlgeglückte HulaSchritte und marschierte resolut auf Erich los. Er sah schreckgeschlagen drein, aber die Amazone lächelte einschmeichelnd wie eine Butterkugel, ergriff ihn resolut beim Arm und schleppte ihn vom Stuhl weg. Erichs vernügliche Hose hatte die Schafwolle drinnen und das Leder draußen, und im Achtersteven war sie geplatzt, so daß ein weißer Wollflaum hervorstand wie die Blume eines Häsleins. Erich folgte höchst widerstrebend, die eine Faust um die Pfeife geschlossen, die andere gegen den Sitz seines Hexenschusses gepreßt. Als er sich anschickte, umherzuhüpfen, mußte er die Hose auslassen, um den Blumenkranz zu bergen, der in Gefahr war, herunterzufallen, und den Blumenkranz auf einem Ohr, mußte er wieder im letzten Augenblick die Hose erwischen, die durch ihr eigenes Gewicht auf dem Wege nach abwärts war. Die Dicke, die ihm in Hula-Schritten voranhopste, war selbst ebenso nett anzusehen, und die Tränen liefen uns die Bartbüschel hinab. Bald hörten alle anderen im Ring auf, und Lachsalven dröhnten durch den Palmenhain, während der Hula-Erich und die Schwergewichtlerin in graziösen Schwüngen herumhopsten. Schließlich mußten sie selbst aufhören, weil Sänger und Musikanten mehr als genug zu tun hatten, sich den Bauch vor Lachen zu halten.

Das Fest setzte sich bis in den hellen Morgen fort, dann bekamen wir die Erlaubnis, eine kleine Pause einzuschalten, nachdem wir von neuem jede einzelne der 127 Hände geschüttelt hatten. (Wir schüttelten jedem einzelnen die Hand, jeden Morgen und jeden Abend, solange wir auf der Insel wohnten!)

Sechs Betten waren von sämtlichen Hütten im Dorf zusammengekratzt und Seite an Seite an der Wand im Versammlungshaus aufgestellt worden. Hier schliefen wir, ausgerichtet wie die sieben Zwerge im Märchen, duftende Blumenkränze über dem Kopfkissen.

Am nächsten Tag wurden wir zu dem sechsjährigen Buben gerufen, der eine Eiterbeule am Kopf hatte. Es sah schlimm aus. Der Bub hatte fast 42 Grad Fieber, und die Beule am Scheitel war so groß wie eine Mannsfaust und breitete sich mehr und mehr aus. Er hatte andere kleine Beulen auf den Zehen.

Teka erklärte, sie hätten schon viele Kinder auf diese Art verloren. Falls nicht einer von uns doktern konnte, hatte der Bub nicht mehr lange zu leben. Wir hatten Flaschen mit Penicillin in der neuen Tablettenform. Wir hatten aber keine Ahnung, welche Dosis ein kleines Kind vertragen kann. Starb uns der Bub unter unserer Behandlung, konnte es ernste Folgen haben.

Knut und Torstein zogen wieder das Radio hervor und spannten eine Antenne zwischen den höchsten Kokospalmen. Als der Abend kam, bekamen sie von neuem Kontakt mit unseren nie gesehenen Freunden Hai und Frank, die in ihrer Wohnung zu Hause in Los Angeles saßen. Frank bekam einen Arzt ans Telefon, und mit der Morsetaste berichteten wir alle Krankheitssymptome des Buben und den Inhalt unserer Medizinbüchse. Frank vermittelte die Antwort des Arztes, und in der gleichen Nacht zogen wir in die Hütte, wo der kleine Haumata sich im Fieber herumwarf, das halbe Dorf weinend und lärmend um uns.

Hermann und Knut sollten kurieren, während die anderen genug damit zu tun hatten, die Ortsbevölkerung draußen zu halten. Die Mutter wurde hysterisch, als wir mit einem Messer daherkamen und um kochendes Wasser baten. Alles Haar wurde vom Kopf des Knaben rasiert, und die Beule wurde aufgeschnitten. Der Eiter spritzte in einem Strahl fast bis ans Dach, und mehrere Eingeborene drängten sich erregt herein, so daß wir sie aus der Tür jagen mußten. Vergnügen war das keins. Die Beule war geleert und desinfiziert, dann wurde der ganze Kopf eingebunden, und wir begannen die Penicillinkur. Zwei Tage lang wurde der Knabe jede vierte Stunde behandelt. Das Fieber hatte seinen Höhepunkt erreicht. Die Beule wurde offengehalten, und jeden Abend wurde der Doktor in Los Angeles konsultiert. Dann fiel plötzlich die Temperatur, der Eiter wurde durch frisches Gewebe ersetzt, das den Hohlraum ausfüllte, und der Knabe strahlte wie eine Sonne und wollte Bilder aus der wunderlichen Welt der weißen Männer sehen, wo es Autos, Kühe und Häuser mit mehreren Stockwerken gab.

Eine Woche später spielte Haumata mit den anderen Jungen am Strand, den Kopf mit einem großen Verband umwickelt, den er bald abnehmen durfte.