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Zedd stemmte die Hände in die Hüften. »Aber es ist nach der Macht der Ordnung geschaffen worden.«

»Das war ein Täuschungsmanöver.«

»Ein Täuschungsmanöver!«

»Wie ließe sich etwas so ungeheuer Mächtiges besser beschützen, als durch eine List, statt mithilfe eines komplizierten, übertriebenen magischen Konstrukts, für das alle Das Buch der gezählten Schatten hielten?

Schließlich hat ein Täuschungsmanöver, richtig ausgeführt, auch etwas von Magie, wie du mir selbst beigebracht hast, schon vergessen?«

Richard grinste. »Genau das haben die Zauberer damals getan. Das Buch der gezählten Schatten war nur ein Ablenkungsmanöver, der eigentliche Schlüssel war das Schwert der Wahrheit, das man mit der Magie zum Offnen der Kästchen versehen hatte. Das Buch diente lediglich dazu, alle in die Irre zu führen.

Das Schwert mag erst im Nachhinein erschaffen worden sein, aber immerhin geht die darin enthaltene Magie auf dieselben Zauberer zurück, die auch die Macht der Ordnung schufen. Es befand sich die ganze Zeit vor aller Augen.

Und deshalb oblag es auch stets der Verantwortung des Obersten Zauberers, denn es war unschätzbar, ja unvorstellbar wertvoll. Du, Zedd, warst der geeignete Verwalter für das Schwert, denn du hast genau den Richtigen gefunden, der die Rolle des Suchers der Wahrheit übernehmen konnte.

Und das war deswegen so ungeheuer wichtig, weil nur eine bestimmte Art von Mensch, jemand, der das Leben liebte und über genügend Einfühlungsvermögen verfügte, in der Lage sein würde, die Klinge weiß zu verfärben. Nur diese Person würde die Klinge, in dem Moment, da sie das Kästchen berührt, weiß verfärben.

Nur der Sucher der Wahrheit vermag das Schwert der Wahrheit zu benutzen, und somit die Macht der Ordnung.

So steht es schon in der Warnung zu Beginn des Buchs des Lebens, wo es heißt: ›Wer voller Hass gekommen ist, sollte nun gehen, denn in seinem Hass verrät er nur sich selbst.‹ Für den Gebrauch des Schwertes der Wahrheit ist Mitgefühl erforderlich, denn Hass würde die Klinge nicht weiß verfärben. Das ist die entscheidende Sicherung für die Macht der Ordnung. Und gleichzeitig wird das Schwert dadurch zum Schlüssel für die Kästchen.

Mit Hass lässt sich die Macht der Ordnung nicht anwenden, denn er ist nicht Teil der Lösung. Im Buch des Lebens wird genau davor gewarnt. Hat man die Idee erst einmal verstanden, ist es eigentlich ganz einfach.«

»Ja, das sehe ich jetzt auch«, murmelte Zedd bei sich, während er mit einem Finger in seinem widerspenstigen weißen Haarschopf herumstocherte, um sich zu kratzen.

Mit einem Fingerschnippen wandte sich Nathan herum zu Zedd. »Jetzt begreife ich auch, was es mit dieser anderen Prophezeiung auf sich hatte.«

Zedd blickte auf. »Mit welcher?«

Nathan beugte sich zu ihm. »Ihr erinnert Euch: ›Eines Tages wird jemand, der nicht von dieser Welt ist, diese retten müssen‹. Jetzt ergibt es viel mehr Sinn.«

Zedd runzelte die Stirn. »Nicht für mich.«

Nathan machte eine abfällige Handbewegung. »Na ja, die Einzelheiten werde ich später noch ausarbeiten müssen.«

Zedd bedachte Richard mit einem durchdringenden Blick. »Eine Menge Fragen ist noch offen, vieles ist noch unklar. Als Oberster Zauberer muss ich vollständig im Bilde sein, um entscheiden zu können, ob du dich in allen Einzelheiten korrekt verhalten hast. Was, wenn dir irgendwo eine Fehlberechnung unterlaufen wäre. Wir müssen wissen, ob ...«

»Die Zeit war viel zu knapp«, fiel Richard ihm ins Wort. »Manchmal muss man sich im Moment entscheiden, und unter solchen Umständen lassen sich unmöglich alle Möglichkeiten in Betracht ziehen oder gar berücksichtigen. In solch entscheidenden Momenten geht es nicht anders.

Manchmal ist es besser, einfach nach bestem Vermögen zu handeln, auch wenn man genau weiß, dass man wahrscheinlich nicht jedes Detail berücksichtigt hat.

Für diese Diskussion über das ›was wäre, wenn‹ und ›hätte ich doch‹ ist später noch Zeit.

Ich musste einfach handeln und es nach besten Kräften versuchen, ehe es zu spät wäre.«

Ein Lächeln auf den Lippen, fasste Zedd seine Schulter und rüttelte ihn leicht. »Du hast deine Sache gut gemacht, mein Junge. Sogar ausgezeichnet.«

»Das hat er ganz sicher«, bestätigte Nicci.

Alle wandten sich um und sahen sie den Pfad entlangkommen, ein strahlendes Lächeln im Gesicht.

»Ich habe mich gerade selbst überzeugt. Die Armee der Imperialen Ordnung macht Anstalten, aus der Azrith-Ebene abzuziehen.« Alle Anwesenden brachen in Jubel aus. Kahlan umarmte Nicci und sagte:

»Nur jemand, der ihn wirklich liebt, würde tun, was Ihr getan habt, um mich zurückzuholen. Ihr seid weit mehr für ihn als eine Freundin.«

»Richard hat mir beigebracht, jemanden zu lieben bedeutet, dass man manchmal seine höchste Erfüllung darin findet, dessen sehnlichste Wünsche über die eigenen zu stellen. Ich will gar nicht bestreiten, dass ich ihn liebe, Kahlan, trotzdem könnte ich kaum glücklicher sein über euch beide. Euch beide endlich vereint und so verliebt zu sehen, das erfüllt mich zutiefst mit Freude.«

Mit einem ernsten, fast an Besorgnis grenzenden Blick wandte sie sich herum zu Richard. »Ich wüsste gerne, wie du es geschafft hast, eine ferne Welt auf der anderen Seite des Nirgendwo ins Leben zu rufen und alle dorthin zu verbannen.«

»Nun, in den Schriften über die Ordnungstheorie habe ich gelesen, dass das dabei erzeugte Portal die Magie so verbiegen kann, dass sie dem Feuerkettenbann entgegenwirkt. Das brachte mich auf eine Idee.«

Er zog das zusammengefaltete weiße Tuch aus seiner Tasche. »Seht Ihr, hier? Hier ist ein Tintentropfen drauf gefallen.« Zedd steckte den Kopf vor. »Na und?«

Er faltete es auseinander. »Seht.« Er zeigte auf die beiden Flecken auf den gegenüberliegenden Seiten des Tuches. »Faltet man es zusammen, berühren sich die beiden. Ist es dagegen aufgeschlagen, befinden sie sich an den gegenüberliegenden Enden.

Die Macht der Ordnung ist fähig, das Sein zu krümmen - tatsächlich ist es ebenjene Krümmung des Seins, die den Feuerkettenbann aufzuheben und das Erinnerungsvermögen wiederherzustellen vermag. Im Grunde schuf ich mit seiner Hilfe also einen Sinneseindruck von dieser Welt. Die Kraft der Ordnung verbannte die Menschen durch die Pforte in jene andere Welt, die sich tatsächlich hier, an genau derselben Stelle, befand. Und als ich mit dem Herausziehen des Schwertes die Pforte wieder schloss, befand sich jene andere Welt auf der anderen Seite des Seins – genau wie dieser Fleck hier, der sich ursprünglich mit dem Original auf der anderen Seite des Tuches deckte.«

»Soll das etwa heißen«, Zedd rieb sich tief in Gedanken das Kinn, »die Macht der Ordnung hat eine Pforte geschaffen, die diese beiden Orte vorübergehend miteinander verband, um alle, die sich eine Welt ohne Magie wünschten, hindurchtreten zu lassen, nur um diese beiden Welten gleich darauf für immer wieder zu trennen?«

»Du begreifst aber schnell«, zog Richard ihn auf.

Zedd knuffte ihn in die Rippen.

Richard ging zu Verna und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Es war Warren, der mich auf die Idee gebracht hat, als er mir zum ersten Mal erklärte, dass die Kästchen der Ordnung eine Pforte seien, ein Durchgang durch die Unterwelt. Ohne Warren hätte ich es nicht geschafft. Mit seinem Wissen war er uns allen eine große Hilfe.«

Richard zeigte ihnen das Amulett, das er um den Hals trug, und das einst der Zauberer Baraccus getragen hatte.

»Dieses Amulett veranschaulicht den Tanz mit dem Tod. Dabei geht es um weit mehr als nur den Kampf mit dem Schwert oder sein Leben zu genießen. In diesem Emblem ist auch der Grund enthalten, weshalb ich in die Unterwelt hinabsteigen musste, das Totenreich. Es ist Teil dessen, was Baraccus mir begreiflich machen wollte.

Aber gleichzeitig stellt es auch die abschließende Bewegung des Tanzes mit dem Tod dar, den Todesstoß, der nötig war, um die Kästchen der Ordnung zu benutzen.«