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Johnrock betrachtete seine Eier in neuem Licht und gab ihm schließlich grummelnd recht. Er machte sich daran, eines seiner Eier zu pellen, und wechselte das Thema. »Glaubst du, sie werden uns zwingen, bei Regen zum Ja’La anzutreten?«

Richard schluckte einen Mundvoll Ei hinunter, bevor er antwortete.

»Schon möglich. Lieber spiele ich eine Partie und werde dabei warm, als den ganzen Tag hier frierend rumzusitzen.«

»Vermutlich.«

»Außerdem«, fuhr Richard fort, »je eher wir damit beginnen können, die wegen des Turniers hergekommenen Mannschaften zu besiegen, desto eher erhalten wir eine Chance, gegen die Mannschaft des Kaisers anzutreten.«

Die Aussicht lockte ein Schmunzeln auf Johnrocks Gesicht. Richard war völlig ausgehungert, trotzdem zwang er sich, es langsam anzugehen und das Mahl so gut es ging zu genießen. Während sie die Schalen abpellten und schweigend aßen, hielt er ein Auge auf die Aktivitäten in der Ferne. Selbst in diesem Regen waren die Männer mit allen möglichen Arbeiten beschäftigt. Der Lärm der Hämmer auf den Essen übertönte das monotone Geräusch des Regens und den Hintergrundlärm aus Gesprächen, Gebrüll, Streitereien, Gelächter und mit lauter Stimme erteilten Befehlen.

Das riesige Feldlager erstreckte sich über die Azrith-Ebene bis hin zu dem für Richard sichtbaren Teil des Horizonts. Wenn man auf dem Boden kauerte, war es schwierig, viel von dem dahinterliegenden Teil des Lagers zu sehen. Er konnte einige Wagen ausmachen, sowie etwas weiter dahinter in der mittleren Distanz die größeren Zelte. Pferde ritten vorüber, während von Maultieren gezogene Wagen sich einen Weg durch die in ständiger Bewegung befindlichen Menschenmassen bahnten. Vor den Kochzelten hatten sich lange Schlangen wartender Fußsoldaten gebildet, die im Regen einen erbärmlichen Anblick boten. Über alldem thronte der Palast des Volkes auf seinem Hochplateau. Selbst im trüben Licht dieses grauen Tages hoben sich sein kunstvolles Mauerwerk, seine prachtvollen Türme und ziegelgedeckten Dächer vom Schmutz ebenjener Armee ab, die aufmarschiert war, um ihn zu zerstören. Angesichts des rauchgeschwängerten Dunstes, der über dem Feldlager der Imperialen Ordnung aufstieg, des Regens und des verhangenen Himmels wirkten die Hochebene und der auf ihr stehende Palast wie eine entrückte noble Erscheinung. Mitunter verdichtete sich für Momente der Dunst, und der gesamte Palast verschwand im grauen Dämmer wie hinter einem Vorhang, als hätte er sich an den wimmelnden Horden sattgesehen, die gekommen waren, ihn zu entweihen. Für einen feindlichen Angriff gegen den hoch auf dem Plateau gelegenen Palast existierte kein ohne Weiteres benutzbarer Zugang. Die seitlich an der Felsenklippe hinaufführende Straße war für einen wirkungsvollen Angriff viel zu schmal, außerdem gab es eine Zugbrücke, die man, da war sich Richard sicher, bestimmt längst hochgezogen hatte. Und selbst wenn nicht: Ganz oben gab es massive Mauern, die schon für sich genommen unüberwindbar waren und vor denen es kaum Platz gab, um eine Angriffsformation von angemessener Stärke in Stellung zu bringen.

Herrschte nicht gerade Krieg, zog der Palast des Volkes Handelsverkehr aus ganz D’Hara an; unablässig trafen Versorgungsgüter für die dort lebenden Menschen ein. Wegen seiner Funktion als Handelszentrum strömten Menschen in Scharen in den Palast, um dort einzukaufen und ihre Waren feilzubieten. Für sie alle führte der Weg in den Stadtpalast durch das Innere des eigentlichen Hochplateaus. Treppen und Promenaden nahmen die gewaltigen Mengen von Besuchern und Händlern auf, zudem gab es breite Rampen für Pferde und Wagen. Wegen der großen Zahl von Menschen, die im Innern des Plateaus emporstiegen, waren sie auf ihrer gesamten Länge von Ladengeschäften und Ständen gesäumt. Viele Besucher kamen nur wegen dieser Marktstände, ohne die weiter oben gelegene Stadt jemals zu betreten. Im Innern war die gesamte Hochebene mit Räumlichkeiten jeder Art durchzogen, manche davon der Öffentlichkeit zugänglich, andere nicht. Dort war auch eine große Zahl Soldaten der Ersten Rotte - die Palastwache - kaserniert.

Aus Sicht der Imperialen Ordnung bestand das Problem darin, dass die großen, in die inneren Bereiche führenden Tore verschlossen waren – Tore, so konstruiert, dass sie jedem Angriff standzuhalten vermochten. Zudem hatte man ausreichende Vorräte für eine sehr lange Belagerung eingelagert.

Die Azrith-Ebene draußen hingegen war für eine belagernde Armee eine alles andere als wirtliche Umgebung. Während drinnen tiefe Brunnen die Bewohner mit Wasser versorgten, gab es draußen, von gelegentlichem Regen abgesehen, in unmittelbarer Nähe weder eine ständige Wasserversorgung noch genügend Feuerholz. Zudem herrschten dort harsche Witterungsbedingungen.

Die Imperiale Ordnung hatte jede Menge mit der Gabe Gesegnete in ihren Reihen, die jedoch beim Durchbrechen der Verteidigungsanlagen des Palasts keine große Hilfe sein konnten, da der eigentliche Palast in Gestalt eines Schutzbanns konstruiert war, der die magischen Kräfte des herrschenden Lord Rahl mehrte, während er die aller anderen minderte. Im Innern der Hochebene, wie auch in der darauf gelegenen Stadt, waren die Fähigkeiten aller mit der Gabe Gesegneten durch diesen Bann entscheidend geschwächt. Unter normalen Umständen wäre ein solcher Bann für Richard vorteilhaft gewesen, denn er war selbst ein Rahl, allerdings hatte man ihm irgendwie den Zugriff auf seine Gabe genommen. Er war sich einigermaßen sicher, wie es dazu gekommen war, doch angekettet an einen Wagen, inmitten einer Millionen zählenden feindlichen Streitmacht, konnte er in dieser Angelegenheit nicht viel unternehmen. Abgesehen von der Hochebene selbst und dem darauf stehenden Palast, war die höchste Erhebung in der Azrith-Ebene eben-jene Rampe, welche die Imperiale Ordnung im Begriff war zu errichten. Mithilfe dieser Rampe wollte Jagang den Sitz der Macht des D’Haranischen Reiches erobern, das letzte Hindernis auf dem Weg zur totalen Herrschaft über die Neue Welt. Er plante nicht nur eine mögliche Belagerung des Palasts des Volkes, nein, er war zum Angriff fest entschlossen. Hatte Richard ein solches Ansinnen anfangs noch für unmöglich gehalten, musste er, nachdem er das Vorgehen der Armee Jagangs eine Weile beobachtet hatte, zu seiner wachsenden Entmutigung feststellen, dass es sogar klappen könnte. Zwar war die Ebene von beeindruckender Höhe, doch die sie umlagernde Armee der Imperialen Ordnung verfügte über Millionen von Soldaten, die sich dieser Arbeit widmen konnten. Aus Jagangs Sicht war dies das letzte Kriegsziel, der letzte Ort, den es für die Errichtung der uneingeschränkten Herrschaft der Imperialen Ordnung zu unterwerfen galt. Die Stadt hoch oben auf dem Plateau war das letzte Hindernis auf seinem Weg.

Die Imperiale Ordnung - jene Rohlinge, die dem von der Bruderschaft der Ordnung eingeforderten Glauben mit Gewalt Geltung zu verschaffen versuchten - durfte nicht zulassen, dass die Bewohner der Neuen Welt außerhalb des Herrschaftsbereiches der Ordensbruderschaft lebten, denn das hätte die Lehren ihrer geistigen Führer Lügen gestraft. Nach ihren Lehren galt die Freiheit individueller Entscheidung als unmoralisch, weil sie die Menschen verdarb. Die bloße Existenz wohlhabender, unabhängiger und freier Menschen stand in krassem Widerspruch zu den Ordenslehren. Die Imperiale Ordnung hatte die Bewohner der Neuen Welt als eigensüchtig und böse gebrandmarkt und stellte sie nun vor die Wahl, sich entweder zu den Überzeugungen der Imperialen Ordnung zu bekennen oder in den Tod zu gehen.

Ein Millionenheer von Soldaten untätig darauf warten zu lassen, den Überzeugungen des Ordens endlich gewaltsam Geltung zu verschaffen, war zweifellos ein Problem. Jagang hatte es gelöst, indem er sie beschäftigte, ihnen ein Opfer für ihre Sache abverlangte. Und nun schufteten sie in wechselnden Schichten Tag und Nacht für die Errichtung dieser Rampe.

Auch wenn Richard die Männer weiter unten nicht sehen konnte, wusste er, dass sie Erde und Gestein aushoben. Während sich diese Gruben immer weiter ausbreiteten, schleppten andere das Erdreich bis zur Rampenbaustelle. Dank ihrer ungeheuren Zahl und ihrer unermüdlichen Schufterei waren sie selbst einem derart kühnen Unterfangen gewachsen. Richard war noch nicht lange im Lager, dennoch stellte er sich jeden Tag vor, die steil aufsteigende Rampe schon bald unaufhaltsam bis zum Rand der Hochebene emporwachsen zu sehen.