»Als ich noch Hufschmied war, musste ich die Pferde verstehen, wenn ich sie beschlagen wollte. Nun kann man sie ja nicht einfach fragen, was sie bedrückt, aber mit ein bisschen Aufmerksamkeit kann man lernen, gewisse Dinge zu deuten, wie sich das Pferd bewegt, zum Beispiel, und nach einer Weile beginnt man, ein gewisses Verständnis für ihre Körpersprache zu entwickeln. Auf diese Weise kann man verhindern, dass man getreten oder gebissen wird.«
»Das klingt sehr überzeugend«, sagte Richard. »Es ist dem, was ich hier tue, sehr ähnlich. Ich vermittle jedem von euch ein bildhaftes Gefühl von Kraft.«
»Und wie kommt es, dass du so viel über das Zeichnen von Kraftsymbolen weißt?«, fragte ein gewisser Bruce mit Argwohn in der Stimme. Er war einer der Soldaten der Imperialen Ordnung in der Mannschaft, die in ihren eigenen Zelten schliefen und sich daran stießen, dass sie die Befehle einer Angriffsspitze befolgen mussten, die ein unerleuchteter Heide war und nachts wie ein Tier angekettet werden musste. »Hier oben interessiert ihr euch ja eher für die überholten Glaubensüberzeugungen der Magie, statt euch mit den eigentlichen Dingen zu befassen, mit dem Schöpfer und eurer Verantwortung und Pflicht gegenüber euren Mitmenschen.«
Achselzuckend erwiderte Richard: »Ich wollte damit wohl nur zum Ausdruck bringen, dass dies meine Vision, meine Vorstellung von Kraftsymbolen ist. Ich möchte die Männer lediglich mit etwas bemalen, das sie meiner Meinung nach stärker aussehen lässt, das ist alles.«
Die Antwort schien Bruce nicht zufriedenzustellen. Er wies auf Johnrocks Gesicht. »Wie kommst du darauf, dieses Gekritzel könnten Sinnbilder der Stärke sein?«
»Na ja, ich weiß nicht«, sagte Richard, bemüht, sich irgendetwas einfallen zu lassen, um den Mann von seiner Fragerei abzubringen, ohne wirklich etwas Bedeutsames preiszugeben. »Aufgrund ihrer Form sehen sie in meinen Augen einfach kraftvoll aus.«
»Was für ein Unfug«, ereiferte sich Bruce. »Zeichnungen haben keine Bedeutung.«
Einige der Soldaten in der Mannschaft beobachteten Bruce und warteten auf Richards Erwiderung, so als spielten sie mit dem Gedanken, gegen ihre Angriffsspitze zu rebellieren.
Lächelnd erwiderte Richard: »Wenn du so überzeugt bist, Bruce, dass Zeichnungen keine Bedeutung haben, was hältst du dann davon, wenn ich dir eine Blume auf die Stirn male?«
Alle lachten - auch die Soldaten.
Bruce’ Blick streifte kurz seine lachenden Kameraden, und auf einmal wirkte er ein bisschen weniger selbstsicher. Er räusperte sich.
»Schätze, wenn du es so ausdrückst, verstehe ich ungefähr, was du meinst. Ich glaube, ich hätte auch gern eine von deinen Kraftzeichnungen.« Er schlug sich mit der Faust vor die Brust. »Schließlich sollen sich die anderen Mannschaften auch vor mir fürchten.«
Richard nickte. »Das werden sie auch, vorausgesetzt, ihr tut, was ich sage. Denkt daran, vermutlich werden die Spieler der anderen Mannschaften vor dem ersten Spiel die rote Farbe auf euren Gesichtern bemerken und sie für albern halten. Darauf müsst ihr gefasst sein. Lasst zu, dass ihr Gelächter euch wütend macht, eure Herzen mit dem Verlangen füllt, nach Kräften dafür zu sorgen, dass es ihnen im Hals stecken bleibt.
In dem Moment, da wir das Spielfeld betreten, werden die anderen Mannschaften und viele der Zuschauer wahrscheinlich nicht in Gelächter ausbrechen, sondern uns mit übelsten Beschimpfungen überhäufen. Sollen sie, genau das ist unsere Absicht. Sollen sie uns ruhig unterschätzen. Wenn das geschieht, möchte ich, dass ihr euch den Zorn darüber aufspart und eure Herzen davon ganz erfüllen lasst.«
Richard blickte jedem von ihnen in die Augen. »Vergesst nie, dass wir hier sind, um das Turnier zu gewinnen und uns dadurch die Möglichkeit zu verschaffen, gegen die Mannschaft des Kaisers anzutreten, eine Chance, derer allein wir würdig sind. Diese Männer, die euch auslachen, sind nichts als wertloser Abschaum. Wir müssen sie vom Platz fegen, denn sie sind ein Hindernis auf unserem Weg, gegen die Mannschaft des Kaisers zu spielen.
Ihr Gelächter soll euch in den Ohren klingen. Lasst euch davon durchdringen, aber zu keiner Reaktion hinreißen. Lasst euch nicht die geringste Reaktion anmerken, sondern schließt sie in eurem Innern ein, bis der richtige Moment gekommen ist.
Sollen sie uns ruhig für Narren halten, sich von ihrem Glauben dazu verleiten lassen, dass wir leichte Opfer seien, und darüber vergessen, sich auf das eigentliche Spiel zu konzentrieren.
In dem Moment aber, da das Spiel beginnt, entfesselt ihr euren ganzen aufgestauten Zorn gegen sie. Wir müssen sie mit aller Wucht treffen, zu der wir fähig sind, und sie vernichtend schlagen. Diese Partie muss für uns die gleiche Bedeutung haben, als träten wir gegen die Mannschaft des Kaisers an.
Ein lausiger Sieg mit zwei Punkten Vorsprung, wie normalerweise üblich, ist in dieser ersten Partie einfach nicht genug. Damit dürfen wir uns nicht zufriedengeben. Wir müssen sie vernichtend schlagen, sie in Grund und Boden rammen.
Wir müssen sie mit mindestens zehn Punkten Vorsprung besiegen.«
Den völlig verdutzten Männern klappte der Unterkiefer herunter. Derart einseitige Siege gab es nur in völlig unausgeglichenen Partien unter Kindern. Dass eine Ja’La-Mannschaft auf diesem spielerischen Niveau mit mehr als vier oder fünf Punkten Vorsprung gewann, war vollkommen beispiellos.
»Für jeden Punkt, den sie weniger erzielen, erhält jeder Spieler der unterlegenen Mannschaft einen Peitschenhieb«, fuhr Richard fort.
»Ich möchte, dass diese blutige Auspeitschungsorgie im ganzen Lager in jedermanns Mund ist.
Danach wird niemand mehr lachen, vielmehr wird jede Mannschaft, die gegen uns antreten muss, zutiefst beunruhigt sein. Wer beunruhigt ist, macht Fehler, und sobald ihnen ein solcher Fehler unterläuft, werden wir bereit sein zuzuschlagen. Wir werden ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden lassen und den Beweis erbringen, dass jeder Augenblick mit kaltem Schweiß getränkter Schlaflosigkeit berechtigt war. Anschließend werden wir die zweite Mannschaft mit einem Vorsprung von zwölf Punkten schlagen, so dass die nächste Mannschaft noch weit größere Angst vor uns haben wird.«
Richard wies mit seinem rotbemalten Finger auf die Soldaten in seiner Mannschaft. »Ihr wisst um die Wirkung solcher Taktiken. Ihr habt jede Stadt, die sich euch in den Weg gestellt hat, dem Erboden gleichgemacht, damit die noch nicht Eroberten in Erwartung eures Angriffs vor Angst zitterten, weil sie um euren Ruf wussten. Ihre Angst hat euch die Eroberung erleichtert.«
Ein Feixen ging über die Gesichter der Soldaten. Endlich konnten sie Richards Vorhaben in einen Zusammenhang bringen, mit dem sie sich auskannten.
»Wir haben ein klares Zieclass="underline" Die Mannschaft mit den rot bemalten Gesichtern muss allen anderen Angst einflößen.« Er schlug mit der Faust in seine offene Hand. »Damit wir sie anschließend eine nach der anderen vernichtend schlagen können.«
In der plötzlich entstandenen Stille ballten alle ihre Hand zur Faust, schlugen sich damit vor die Brust und schworen, genau das zu tun. Sie alle waren versessen darauf zu gewinnen, ein jeder von ihnen aus einem anderen Grund.
Doch keines dieser Motive hatte etwas mit dem von Richard gemein. Insgeheim hoffte er, dass es gar nicht erst zur Partie gegen die Mannschaft des Kaisers kommen und er sehr viel eher seine Chance erhalten würde - trotzdem musste er notfalls für diesen Fall vorbereitet sein. Vermutlich aber würde sich vorher keine brauchbare Chance ergeben, und in diesem Fall musste er sicherstellen, dass sie das Turnierfinale erreichten.
Schließlich wandte er sich wieder zu Johnrock herum und vollendete dessen Bemalung mit einigen eine ungemein wuchtige Attacke symbolisierenden Sinnbildern, die er auf seine beiden muskulösen Arme auftrug.
»Nimmst du mich als Nächsten dran, Rüben?«, bat einer der Männer.
»Und danach mich«, rief ein anderer.
»Immer schön der Reihe nach«, erwiderte Richard. »Also, während ich arbeite, müssen wir unsere Strategie besprechen. Ich möchte, dass jeder genau weiß, was er zu tun hat, wenn er in dieses Spiel geht. Wir alle müssen genauestens mit dem Plan vertraut sein und die Zeichen kennen, damit wir uns gleich vom ersten Augenblick an auf unseren Gegner stürzen können. Ich möchte, dass denen das Lachen im Halse stecken bleibt.«