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Einer nach dem anderen nahmen die Männer auf dem umgestülpten Eimer Platz und ließen sich von Richard das Gesicht bemalen. Und bei jedem machte dieser sich ans Werk, als ginge es um Leben oder Tod - was in gewisser Weise ja auch stimmte.

Mit seinen nüchternen Ausführungen hatte er alle für sich eingenommen. Eine feierliche Stimmung hatte sie überkommen, während sie schweigend auf dem Boden kauerten und zuschauten, wie ihre Angriffsspitze einige der todbringendsten Ideen Gestalt annehmen ließ, wie nur er sie zu erzeugen wusste. Auch wenn ihnen die Sprache dieser Symbole unbekannt war, so verstanden sie doch die Bedeutung dessen, was Richard tat. Das angsteinflößende Erscheinungsbild jedes Einzelnen von ihnen war offenkundig.

Als alle bemalt waren, fiel Richard auf, dass es so aussah, als hätte man eine fast vollständige Zusammenstellung der den Tanz mit dem Tod darstellenden Symbole vor sich, der zur Sicherheit noch einige Symbole von den Kästchen der Ordnung hinzugefügt worden waren. Weggelassen hatte er nur jene, die er sich selbst vorbehielt, jene Elemente des Tanzes, welche die tödlichsten Schnitte ermöglichten – Schnitte, die bis auf den Grund der gegnerischen Seele schnitten. Einer der Soldaten aus seiner Mannschaft hielt ihm ein poliertes Metallstück vors Gesicht, damit er sehen konnte, wie er die Elemente des Tanzes mit dem Tod bei sich selbst auftrug. Als er seinen Finger in die rote Farbe tauchte, stellte er sich vor, es sei Blut.

Die Männer schauten mit gebannter Aufmerksamkeit zu. Er war ihr Anführer in der Schlacht, ihm würden sie beim Ja’La dh Jin folgen. Und dies war sein neues Gesicht, das sie sich mit großem Ernst einprägten. Zum Abschluss fügte er noch die Lichtblitze des Con Dar hinzu, symbolische Darstellungen der von Kahlan beschworenen Kraft, als sie mit ihm gemeinsam versucht hatte, Darken Rahl, im Glauben er sei bereits tot, am Öffnen der Kästchen der Ordnung zu hindern. Es war eine Kraft, die für Rache stand.

Der Gedanke an Kahlan, an ihren Gedächtnisverlust, den Raub ihrer Persönlichkeit, die Vorstellung, dass sie Jagang und den üblen Glaubensüberzeugungen der Imperialen Ordnung auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war und er sie immer nur mit dem entsetzlichen Bluterguss im Gesicht vor sich sah, ließ sein Blut vor Zorn hochkochen. Con Dar bedeutete »Blutrausch«.

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Kahlan hatte den Arm schützend um Julian gelegt, als sie Jagang dicht auf den Fersen folgten. Unter den stumm staunenden Blicken einiger und dem Jubel vieler bahnte sich das kaiserliche Gefolge einen Weg durch das weitläufige Armeelager. Nicht wenige feierten ihn mit rhythmischem Rufen seines Namens und ermunterten ihn zur Führerschaft in ihrem Kampf zur Vernichtung jedweden Widerstandes gegen die Imperiale Ordnung, andere rühmten ihn als »Jagang, den Gerechten«. Und stets sank unfehlbar ihr Mut, dass so viele ihn oder die Bruderschaft der Imperialen Ordnung für die Wahrer der Gerechtigkeit halten konnten. Dankbar für die schützende Geste blickte Julian von Zeit zu Zeit mit ihren vertrauensvollen, kupferfarbenen Augen zu ihr hoch. Was Kahlan ein wenig beschämte, wusste sie doch, dass sie dem Mädchen in Wahrheit kaum Schutz zu bieten vermochte. Eher konnte sie am Ende gar selbst der Anlass dafür sein, dass man ihr ein Leid antat. Es brach ihr schier das Herz, dass die völlig verängstigte Julian ein weiteres Mal Gefangene dieser Rohlinge war. Diese Eindringlinge aus der Alten Welt, die Unschuldigen im Namen eines höheren Zieles größtes Leid zufügten, waren Verräter an der Idee des Guten. Sie waren zu aufrichtigem Mitgefühl gar nicht fähig, da sie das Gute nicht zu würdigen wussten, sich vielmehr darüber lustig machten. Ihr Tun war nicht vom Streben nach Werten, sondern von quälender Missgunst bestimmt. Kahlans einzige echte Genugtuung seit ihrer Gefangennahme durch Jagang war, dass sie für Julian eine Fluchtmöglichkeit hatte bieten können, doch die war nun ebenfalls dahin.

Auf dem Marsch durch das Lager schlang Julian ihren Arm fest um Kahlans Hüfte und krallte ihre Hand fest in deren Hemd. Es war nicht zu übersehen, dass ihre Furcht, trotz des üblen Wesens der Soldaten ringsumher, eher Jagangs Leibwache galt. Männer wie diese hatten sie verfolgt und schließlich aufgespürt. Eine Zeitlang hatte sie ihnen entwischen können, doch obwohl sie in den verlassenen Ruinen der alten Stadt Caska über hervorragende Ortskenntnisse verfügte, war sie immer noch ein Kind und einer von solch erfahrenen und zu allem entschlossenen Soldaten durchgeführten Hetzjagd nicht gewachsen. Nun war sie abermals eine Gefangene in diesem schier endlosen Armeelager, und es bestand so gut wie keine Hoffnung, sie noch einmal aus der Gewalt der Imperialen Ordnung zu befreien.

Während sie auf ihrem verschlungenen Pfad durch das chaotische Durcheinander aus Zelten, Wagen und Bergen von Ausrüstungsgegenständen und Vorräten durch Morast und Abfall stapften, bog Kahlan Julians Gesicht nach oben und sah, dass wenigstens ihre grobe Risswunde zu bluten aufgehört hatte, die ihr Jagang mit einem seiner auf seinen Raubzügen erbeuteten Ringe zugefügt hatte. Wenn das nur ihre größte Sorge wäre. Als Reaktion auf ihr tapferes Lächeln strich Kahlan ihr beruhigend mit der Hand über den Kopf.

Einen Moment lang hatte sich Jagang einigermaßen erfreut gezeigt, die Kleine wiederzuhaben, die es gewagt hatte, ihm zu entwischen -gab es ihm doch ein weiteres Mittel in die Hand, Kahlan zu quälen und zu unterdrücken; weit mehr aber interessierte ihn die Entdeckung unten in der Grube. Kahlan wurde das Gefühl nicht los, dass er über das, was dort verschüttet lag, mehr wusste, als er sich nach außen hin anmerken ließ. Nicht zuletzt, weil er weit weniger überrascht gewesen war, als man hätte erwarten können, und den Fund wie selbstverständlich hingenommen hatte.

Er ließ den Bereich absperren und von regulären Truppen säubern, dann erteilte er den Offizieren strikte Anweisung, ihn augenblicklich aufzusuchen, sobald das Mauerwerk durchbrochen und man ins Innere dieses so tief unter der Azrith-Ebene eingegrabenen Gebildes vorgedrungen wäre. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass jedem unmissverständlich klar war, wie er den Fund behandelt wissen wollte, und alle vor Ort mit größtmöglichem Einsatz auf dieses Ziel hinzuarbeiten hatten, hatte sich sein Interesse rasch wieder auf das Turnier gerichtet, dessen Eröffnungspartien er wenigstens teilweise verfolgen wollte. Er konnte es kaum erwarten, einige der mit seiner Mannschaft konkurrierenden Teams in Augenschein zu nehmen. Es war nicht das erste Mal, dass er Kahlan zwang, ihn zum Ja’La zu begleiten, und auch diesmal war sie alles andere als begeistert, nicht zuletzt, weil die Aufregung und Brutalität der Spiele ihn in eine überschäumende, von fleischlichen Gelüsten geprägte Stimmung versetzte. War er schon unter normalen Umständen beängstigend genug und zu spontanen und brutalen Gewaltausbrüchen fähig, so wurde sein Verhalten nach einem Tag beim Ja’La, wenn er sich in aufgewühlter und erregter Stimmung befand, noch exzentrischer und despotischer. Gleich nach ihrem ersten gemeinsamen Besuch der Spiele war Kahlan zum Opfer seiner perversen Lust geworden. Sie hatte gegen ihre Panik angekämpft und schließlich akzeptiert, dass er nach Belieben mit ihr umspringen würde und sie ihn nicht würde daran hindern können. Zu guter Letzt hatte das Grauen, unter ihm zu liegen, sie abgestumpft. Sie hatte sich in das Unvermeidliche gefügt, ihre Augen von seinem lüsternen Blick abgewandt und sich in ihren befreiten Gedanken an einen anderen Ort begeben und sich vorgenommen, sich ihren glühenden Zorn für den passenden Moment aufzusparen, einen Moment, da er einen Zweck erfüllte.

Doch dann hatte er plötzlich innegehalten.

»Ich will, dass du weißt, wer du bist, wenn ich dies tue«, hatte er ihr erklärt. »Ich will, dass du weißt, welche Bedeutung ich für dich habe, wenn ich dies tue. Ich will, dass du dies mehr hasst, als irgendetwas sonst in deinem bisherigen Leben.