»Du musst dich erinnern, wer du bist, musst alles wissen, wenn dies eine richtige Vergewaltigung sein soll... und es ist meine Absicht, dies zum schlimmstmöglichen Übergriff zu machen, den du dir vorstellen kannst, eine Vergewaltigung, die dich schwängern wird mit einem Kind, das eine stete Erinnerung für ihn sein wird, ein Ungeheuer.«
Kahlan hatte nicht gewusst, wer mit diesem »ihn« gemeint war.
»Denn damit es all das sein kann«, hatte er hinzugefügt, »musst du dir voll und ganz bewusst sein, wer du bist, was dies für dich bedeutet, was dies alles berührt und was es für alle Zeiten mit einem Makel behaften wird.«
Die Vorstellung, wie viel furchtbarer ein solcher Übergriff für sie in diesem Moment wäre, war ihm wichtiger als die Befriedigung seiner unmittelbaren Gelüste. Das allein sprach Bände über seine Rachgier und welchen Anteil sie an ihrem Entstehen hatte.
Seine Geduld war eine Eigenschaft, die ihn nur noch gefährlicher machte. Er hatte nicht die geringste Mühe, impulsiv zu reagieren, doch war es ein Fehler zu glauben, er ließe sich zu leichtfertigem Handeln verleiten. Aus dem Bedürfnis, ihr zu einem Verständnis seiner höheren Ziele zu verhelfen, hatte er ihr erklärt, dies entspreche weitgehend seiner Art, Menschen zu bestrafen, die seinen Zorn erregten. Tötete er solche Menschen, so seine Erklärung, waren sie tot und nicht länger leidensfähig, ließe er sie jedoch fürchterliche Schmerzen erleiden, sehnten sie ihren Tod herbei - den er ihnen daraufhin verweigern könne. Nur als Zeuge ihrer endlosen Qualen könne er sich ihrer Reue für ihre Verbrechen gewiss sein, ihres unerträglichen Kummers über alles, was für sie verloren war.
Das, so hatte er ihr erklärt, war es, was er für sie bereithalte: die Qualen der Reue und des unwiderruflichen Verlusts. Ihr Gedächtnisverlust hätte sie gegen diese Dinge unempfindlich gemacht, weshalb er den richtigen Moment abwarten würde. Nachdem sein unmittelbares Verlangen zugunsten ehrgeizigerer Ziele gezügelt war, hatte er sein Bett zu guter Letzt mit einer Reihe anderer weiblicher Gefangener bevölkert. Kahlan hoffte nur, dass Julian zu jung für seinen Geschmack war. Was ganz sicher nicht der Fall sein würde, wenn sie ihm nur den geringsten Anlass bot...
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Auf ihrem Weg durch die Soldatenmassen, die eine bereits begonnene Partie bejubelten, stießen die kaiserlichen Gardisten jeden aus dem Weg, der dem Kaiser ihrer Meinung nach zu nahe kam. Als sie am Rand des Ja’La-Spielfeldes ankamen, stellte Kahlan sich auf die Zehenspitzen und versuchte, die Gesichter der bereits mitten im Kampfgetümmel befindlichen Männer zu erkennen. Doch dann merkte sie, dass sie sich reckte, um das Spiel zu verfolgen, und ließ sich sofort wieder hinunter. Das Letzte, was sie wollte, war, sich von Jagang die Frage anhören zu müssen, wieso sie plötzlich ein solches Interesse an Ja’La zeigte. Dabei galt ihr Interesse nicht dem Spiel selbst, sondern vielmehr der Frage, ob sie den Mann mit den grauen Augen erspähen konnte, der sich absichtlich hatte in den Morast fallen lassen, um sein Gesicht vor Jagang - oder auch Schwester Ulicia - zu verbergen.
Ob es nun regnete oder nicht, ein Mann, der unablässig mit einem schlammverschmierten Gesicht herumlief, würde vermutlich nur Jagangs Verdacht erregen, und was dann geschehen würde, erfüllte sie zutiefst mit Sorge.
Als es der Angriffsspitze einer der Mannschaften gelang, bis in die gegnerische Hälfte vorzudringen, brachen die zuschauenden Soldaten in Jubel und anfeuernde Rufe aus. Sofort stürzten Blocker herbei, um zu verhindern, dass er weiteren Boden gutmachte. Unter dem tosenden Gebrüll des Publikums rissen sich die Spieler gegenseitig von den Beinen, während ihre Mitspieler ausschwärmten, um ihre Zone zu verteidigen. Ja’La war ein Laufspiel, bei dem man ständig abtauchte, den Gegner zu passieren oder zu blocken versuchte, oder den Mann mit dem Broc jagte – einem schweren, lederüberzogenen Ball, ein wenig kleiner als ein Menschenkopf - und dabei versuchte, diesen in seinen Besitz zu bringen, selbst anzugreifen und letztendlich zu punkten. Nicht selten kamen die Spieler zu Fall oder wurden von den Füßen gerissen. Wälzten sie sich dann mit nacktem Oberkörper am Boden, waren sie schon bald nicht nur mit einer Schweißschicht, sondern auch mit Blut bedeckt. Das quadratische Ja’La-Feld war in ein Raster unterteilt, und in jeder Ecke gab es ein Tor, zwei für jede Mannschaft. Der Einzige, der punkten durfte, war die Angriffsspitze, und zwar nur während des zeitlich genau festgelegten Ballbesitzes seiner Mannschaft, und selbst dann nur von einem speziellen Rasterfeld in der gegnerischen Spielfeldhälfte aus. Aus dieser Wurfzone, einem sich über die gesamte Spielfeldbreite erstreckenden Bereich, konnte er den Broc in eines der gegnerischen Netze schleudern.
Das Punkten war alles andere als einfach. Der Wurf musste über eine ziemliche Entfernung erfolgen, und die Netze waren nicht eben groß. Als zusätzliche Erschwernis war es den gegnerischen Spielern erlaubt, den Wurf des schweren Broc abzublocken, die Angriffsspitze beim Versuch, einen Punkt zu erzielen, aus der Wurfzone zu drängen oder anzugreifen. Auch durfte der Broc als Waffe eingesetzt werden, um sich dazwischen werfende Spieler aus dem Weg zu räumen. Die Mannschaft der Angriffsspitze konnte versuchen, die gegnerischen Spieler vor den Netzen zu vertreiben oder den eigenen Mann vor den Blockern zu schützen, damit er eine Lücke fand, um einen Wurf abzugeben, oder aber sie konnten sich aufteilen und eine geteilte Strategie verfolgen. Jede Taktik hatte ihre Vor- und Nachteile - für beide Seiten. Darüber hinaus gab es eine Linie weit hinter der regulären Wurfzone, von der aus die Angriffsspitze einen Versuch riskieren konnte. Ein von dort erzielter Treffer zählte doppelt, dennoch vergeudete man nur selten eine Möglichkeit für einen solchen Distanzwurf, da die Abwehrchancen sehr viel besser waren, und die Chance, einen Treffer zu erzielen, gleichzeitig verschwindend gering. Gewöhnlich waren dies Verzweiflungstaten in allerletzter Sekunde einer zurückliegenden Mannschaft. Warf die gegnerische Mannschaft die Angriffsspitze zu Boden, dann und nur dann durften dessen Flügelstürmer den Broc aufnehmen und zu punkten versuchen. Schlug dieser Versuch fehl und ging der Broc ins Aus, erhielt die angreifende Mannschaft den Broc zurück, allerdings in ihrer eigenen Hälfte, von wo aus sie den nächsten Angriffszug starten konnte. Während dieser ganzen Zeit lief ihr Angriffsrecht ab. Auf einigen wenigen Feldquadraten war die Angriffsspitze vor zu einem Ballverlust führenden Attacken sicher. Diese Quadrate konnten sich jedoch leicht als tückische Fallen erweisen, wo sie, außer91
Stande, weiter vorzurücken, festgesetzt werden konnte. Allerdings konnte sie den Broc zu einem Flügelstürmer passen und von diesem zurückerhalten, sobald sie sich wieder im Angriff befand. Auf den übrigen Quadraten und in der regulären Wurfzone konnte die verteidigende Mannschaft den Broc in ihren Besitz bringen und die Angreifer auf diese Weise am Erzielen eines Treffers hindern. Gelang ihr dies, konnte sie allerdings trotzdem erst nach Ablaufen des Stundenglases punkten, wenn das Angriffsrecht auf sie überging. Allerdings konnte sie versuchen, ihn in ihrem Besitz zu halten, um der Mannschaft mit Angriffsrecht die Möglichkeit zum Punkten zu nehmen, da diese ihn fürs Punkten erst zurückgewinnen musste. Nicht selten verlief dieses Ringen um den Ballbesitz blutig.
Das Angriffsrecht der Mannschaften wurde mithilfe eines Stundenglases gemessen. War keins zur Hand, kamen andere Zeitmesser, wie etwa ein Wassereimer mit einem Loch darin, zum Einsatz. In bestimmten Fällen konnten die Spielregeln recht kompliziert sein, im Allgemeinen aber wurden sie recht salopp gehandhabt. Oft konnte sich Kahlan des Eindrucks nicht erwehren, dass es - abgesehen von der Hauptregel, dass eine Mannschaft nur während ihres zeitlich genau begrenzten Angriffsrechts Punkte erzielen konnte - gar keine Regeln gab. Die Zeitregel verhinderte, dass eine Mannschaft fast ausschließlich im Besitz des Broc blieb, und sorgte für ein reges Auf und Ab. Das Spiel war schnell und kräftezehrend. Ruhepausen gab es kaum.