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Das verwirrende Geflecht von Linien erschwerte es, das Aussehen des Mannes darunter einzuschätzen, denn die seltsamen Symbole, vor allem aber die Blitze selbst, entstellten seine Züge. Plötzlich wurde ihr klar, dass er eine Möglichkeit gefunden hatte, seine Identität auch ohne eine Schlammschicht zu verbergen. Sie vermied es, auch nur das geringste Lächeln über ihre Züge huschen zu lassen. Sie war erleichtert, gleichzeitig hätte sie aber auch gerne sein Gesicht gesehen, gesehen, wie er tatsächlich aussah.

Obwohl von nicht ganz so riesiger Statur, wie einige seiner eher ungeschlachten Mitspieler, war er durchaus groß und muskulös, wenn auch auf andere Weise als einige der schwerfälligen, muskelbepackten bulligen Kerle. Vielmehr war sein Körper überall wohlproportioniert. Während sie ihn betrachtete, überkam sie plötzlich die Angst, alle könnten sehen, wie gebannt sie den Mann anstarrte. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss.

Nichtsdestoweniger konnte sie nicht die Augen von ihm lassen. Aus irgendeinem Grund schien sie dagegen machtlos. Zum ersten Mal sah sie ihn deutlich vor sich, und irgendwie sah er genauso aus, wie sie erwartet, oder besser, wie sie es sich erträumt hatte. Auf einmal erschien ihr der erste Tag des Winters beinahe warm.

Sie fragte sich, wie dieser Mann wohl zu ihr stand, zwang sich dann aber, ihre Phantasie zu zügeln. Sie wagte nicht, sich in Tagträumen über Dinge zu ergehen, die niemals in Erfüllung gehen konnten. Während die andere Angriffsspitze unbekümmert lachte, stand der Mann mit den grauen Augen abwartend vor dem Schiedsrichter und fixierte sein Gegenüber mit stechendem Blick.

Im selben Moment, da sie die aufgemalten Muster sah, wurde ihr klar, dass diese Soldaten darin nichts als leere Prahlerei sehen würden. Die Bemalung war eine klare Ansage, die, sofern nicht untermauert von einem Mann mit entsprechendem Charakter, unter diesen Umständen als schlimmstmöglicher Hochmut ausgelegt werden würde, eine Anmaßung, die ihm eine überaus brutale, wenn nicht gar tödliche Behandlung eintragen würde.

Sein Gesicht zu verbergen, das war eine Sache, dies dagegen etwas völlig anderes. Durch diese mit Farbe aufgetragene Ankündigung brachte er sich und seine Mannschaft in allergrößte Gefahr. Fast schien es, als sollten die Blitze sicherstellen, dass niemand übersah, dass er die Angriffsspitze war, als wollte er die Aufmerksamkeit der anderen Mannschaft auf seine Person lenken. Der Grund für dieses Verhalten war ihr völlig unverständlich.

Die nicht bemalte Mannschaft war, dem Beispiel ihrer Angriffsspitze folgend, in Gelächter ausgebrochen, dem sich mittlerweile auch das Publikum angeschlossen hatte, das die angemalten Spieler, vor allem aber deren Angriffsspitze, nun unter lautem Johlen unflätig beschimpfte. Kahlan war jenseits allen Zweifels klar, dass man kaum einen verhängnisvolleren Fehler begehen konnte, als diesen Mann auszulachen. Regungslos wie aus Stein harrte die bemalte Mannschaft aus, während das Publikum sich in einer Orgie aus Spott und Gelächter erging und die gegnerische Mannschaft sie mit Beleidigungen und Schmähungen überhäufte.

Die gegnerischen Spieler überhäuften den Mann mit den Blitzen im Gesicht mit derart üblen Schmähungen, dass Kahlan Jillian unbewusst ein Ohr zuhielt und ihren Kopf an ihre Brust zog. Sie hüllte ihren Umhang um die Kleine. Was ihnen bevorstand, wusste sie nicht, sie wusste nur eins: Dieses Spiel war kaum der geeignete Aufenthaltsort für ein junges Mädchen.

Die Angriffsspitze mit dem Doppelblitz stand da mit ausdrucksloser Miene, die nichts über mögliche Gefühle verriet. Kahlan fühlte sich daran erinnert, wie sie selbst angesichts bestimmter grauenhafter Herausforderungen eine völlig ausdruckslose Miene aufsetzte, einen leeren Blick, der niemandem verriet, was sich in ihrem Innersten zusammenbraute.

Und doch sah sie den unterdrückten Zorn in seiner äußerlichen Ruhe. Er schaute kein einziges Mal in ihre Richtung - seine ganze Kon99

zentration galt allein seinem Widersacher -, aber ihn allein schon dort in seiner vollen Größe stehen zu sehen, sein Gesicht, das unter den aufgemalten Linien kaum zu erkennen war, seine Körperhaltung, und ihn längere Zeit betrachten zu können, ohne sofort wieder den Blick abwenden zu müssen ... ließ ihr die Knie weich werden. Kommandant Karg bahnte sich einen Weg durch die Mauer aus Gardisten, um sich am Spielfeldrand zu Kaiser Jagang zu gesellen, und verschränkte, offenbar nicht im Mindesten beeindruckt von dem Aufruhr, den seine Mannschaft verursachte, die muskulösen Arme vor der Brust. Kahlan fiel auf, dass Jagang nicht, wie alle anderen, lachte. Er lächelte nicht einmal. Kommandant und Kaiser steckten die Köpfe zusammen und unterhielten sich mit Worten, die Kahlan jedoch wegen des Gegröles, des Gelächters und der boshaften, von der Menge gejohlten Schmähungen nicht verstand.

Während dieser länger dauernden Unterredung ging die gegnerische Mannschaft dazu über, mit erhobenen Armen um das Feld zu tanzen und sich in der Gunst des Mobs zu suhlen, dabei hatte sie noch keinen einzigen Punkt erzielt.

Diese Soldaten, Anhänger dogmatischer Glaubensüberzeugungen, kannten nur ein einziges Motiv: den Hass. Selbstbewusste Gelassenheit eines Individuums empfanden sie als Arroganz, Können als ungerecht, und diese Ungleichheit als beängstigend. Jagangs Worte kamen ihr in den Sinn: »Die Bruderschaft der Ordnung lehrt uns: der Versuch, sich über andere zu erheben, bedeutet, dass man geringer ist als alle.«

Ebendieses Bekenntnis war es, woran die hier zuschauenden Soldaten glaubten, weshalb ihnen diese Männer allein schon wegen ihrer durch die Bemalung proklamierten Überlegenheit verhasst waren. Gleichzeitig waren sie gekommen, um eine Mannschaft triumphieren zu sehen. Solche jeder Vernunft hohnsprechenden Glaubensüberzeugungen, wie sie die Bruderschaft der Ordnung lehrte, konnten nur zu endlosen Verstrickungen in Widersprüche, Begehrlichkeiten und Gefühle führen. Selbst mit dem simpelsten gesunden Menschenverstand nachvollziehbare Unzulänglichkeiten wurden durch großzügige Auslegung der Glaubensinhalte überdeckt. Und wer in Fragen des Glaubens zweifelte, galt als Sünder.

Diese Männer waren in die Neue Welt aufgebrochen, um alle Sünder auszumerzen.

Zu guter Letzt stellte der Schiedsrichter die Ordnung wieder her, indem er die Menge aufforderte, sich zu beruhigen, damit das Spiel beginnen konnte.

Als die Zuschauer sich beruhigt hatten, zumindest einigermaßen, wies der Mann mit den grauen Augen auf die Strohhalme in der Hand des Schiedsrichters, eine Aufforderung an sein Gegenüber, zuerst zu ziehen. Der kam ihr auch nach, mit einem Lächeln über seine Wahl, da es sich seiner Meinung nach gewiss nur um den längeren handeln konnte. Der Mann mit den grauen Augen zog einen noch längeren Strohhalm. Unter dem missfälligen Gejohle des Publikums reichte der Schiedsrichter dem Mann mit dem bemalten Gesicht den Broc.

Doch anstatt sich in seine Hälfte des Spielfeldes zu begeben, um seinen Angriff zu beginnen, wartete er einen Moment ab, bis sich die Menge abermals ein wenig beruhigt hatte. Dann überließ er den Broc mit einer freundlichen Geste der gegnerischen Angriffsspitze - und verwirkte damit sein erstes Angriffsrecht und somit seine Möglichkeit zu punkten. Diese unerwartete Wendung ließ die Menge in schallendes Gelächter ausbrechen. In ihren Augen konnte es sich bei der bemalten Angriffsspitze nur um einen Dummkopf handeln, der der gegnerischen Mannschaft soeben den Sieg geschenkt hatte. Sie jubelte, als hätte ihre Mannschaft die Partie bereits gewonnen.

Innerhalb der eigenen Mannschaft rief die Aktion ihrer Angriffsspitze keinerlei Reaktion hervor. Stattdessen entfernten sich die Männer in ganz nüchtern geschäftsmäßiger Manier und nahmen ihre Positionen am linken Spielfeldrand ein, bereit, sich dem ersten Ansturm entgegenzustemmen.