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Als das Stundenglas umgedreht wurde und das Horn erklang, verschwendete die angreifende Mannschaft keine Zeit. Auf einen schnellen Treffer aus, griffen sie augenblicklich an und stürmten, einen Schlachtruf auf den Lippen, über das Spielfeld. Unter dem ohrenbetäubenden Tosen der Menge rannte die bemalte Mannschaft ihnen entgegen. Kahlan spannte in Erwartung des fürchterlichen Zusammenpralls aus Fleisch und Knochen ihre Muskeln an. Doch dann kam alles völlig anders.

Die bemalte oder »rote« Mannschaft, wie die Gardesoldaten sie mittlerweile zu nennen beliebten, scherte aus ihrer Angriffsrichtung aus, teilte sich in zwei Hälften auf, umging die vorrückenden Blocker in zwei Gruppen und hielt stattdessen auf die Rückraumdecker zu. Normalerweise wäre ein solch ebenso unerwarteter wie amateurhafter Fehler ein Glücksfall für die zu punkten versuchende Mannschaft gewesen. Hinter ihren Blockern und Flügelstürmern brach die Angriffsspitze mit dem Broc durch die von der roten Mannschaft hinterlassene Lücke und spurtete in gerader Linie über das Spielfeld. Doch dann schwenkten die beiden Flügel der roten Mannschaft urplötzlich herum, so dass sich die Bresche in einer gewaltigen Zangenbewegung schloss, wodurch die angreifenden Blocker nach innen gedrängt wurden. Die rote Angriffsspitze hielt genau auf deren Mitte zu – mitten zwischen die ihr entgegenstürmenden Blocker. Just als diese den Mann zu Fall zu bringen versuchten, wich er einem aus, wirbelte herum und schlüpfte zwischen zwei weiteren hindurch.

Das soeben Beobachtete ließ Kahlan ungläubig blinzeln. Fast schien es, als hätte er sich, einem Melonensamen gleich, durch ein halbes Dutzend auf ihn zustürzender Gegenspieler hindurchgequetscht. Einer der größeren Spieler der roten Mannschaft, vermutlich ein Flügelstürmer, hielt auf die mit dem Broc heranstürmende Angriffsspitze zu, nur um unmittelbar vor dem Zusammenstoß vorzeitig abzutauchen, so dass sein Block zu tief geriet. Der Mann mit dem Broc sprang einfach über ihn hinweg. Die Menge bejubelte die Leichtfüßigkeit, mit der er sich der Attacke entzogen hatte.

Doch auch der Spieler mit dem Doppelblitz setzte in hohem Bogen über seinen Flügelstürmer hinweg. Er stieß sich von dessen Rücken ab, prallte mitten im Flug mit der gegnerischen Angriffsspitze zusammen, legte den Arm um seinen Gegenspieler und riss ihn in der Luft herum. Der Richtungswechsel erfolgte mit solcher Plötzlichkeit, dass ihm der Broc aus den Händen glitt. Während er auf den Boden schlug, bekam der Spieler mit den grauen Augen den nun herrenlosen Broc noch in der Luft zu fassen, ehe er mit dem Fuß auf dem Hinterkopf des anderen landete und dessen Gesicht in den Morast drückte.

Kahlan war sofort klar, dass er ihm mühelos das Genick hätte brechen können, aber ganz bewusst darauf verzichtet hatte.

Blocker stürzten sich von allen Seiten auf die nun den Broc führende Angriffsspitze. Sie drehte sich zur Seite und wechselte die Richtung, so dass ihr Ansturm ins Leere ging und sie stattdessen ihren eigenen Spieler unter sich begruben.

Auch wenn die rote Mannschaft in Ermangelung des Angriffsrechts trotz Brocbesitz nicht zu punkten vermochte, so konnten sie doch die gegnerische Mannschaft daran hindern. Aus irgendeinem Grund jedoch stürmte der Spieler mit den grauen Augen, flankiert von seinen beiden Flügelstürmern sowie der Hälfte seiner Blocker, in einer perfekten Keilformation quer über das Spielfeld. Kaum hatten die rot bemalten Spieler die Wurfzone in der gegnerischen Spielhälfte erreicht, schleuderte deren Angriffsspitze den Ball in eins der Netze.

Dann lief er dem Broc hinterher, fischte ihn aus dem Netz und behielt ihn nicht etwa in seinem Besitz, um dem Gegner die Möglichkeit zum Punkten zu verwehren, sondern trabte zurück über das ganze Spielfeld, ehe er ihn mit einem lockeren Unterarmwurf der noch immer auf den Knien kauernden und Schlamm spuckenden gegnerischen Angriffsspitze zuwarf.

Durch die Menge ging ein Aufschrei ungläubigen Staunens. Das soeben Gesehene bestätigte Kahlan, wovon sie von Anfang an überzeugt gewesen war, als sie in die raubtierhaften Augen des Mannes geblickt hatte: Dieser Mann war überaus gefährlich - gefährlicher noch als selbst Jagang, wenn auch auf andere Art.

Zu gefährlich, um ihn am Leben zu lassen. Hatte Jagang erst einmal erkannt, was sie bereits wusste - sofern es ihm nicht längst klar war -, war nicht auszuschließen, dass er diesen Mann töten lassen würde. Die Mannschaft im Besitz des ersten Angriffsrechts trug den Broc zu ihrem Ausgangspunkt in der rechten Spielfeldhälfte zurück und stürmte dann, wild entschlossen, diese Scharte auszuwetzen, übers Feld, um endlich einen zählbaren Erfolg zu erringen. Doch anstatt zu versuchen, den Angriff so weit vor ihrem Tor wie möglich zu stoppen, harrte die rote Mannschaft überraschenderweise aus. Ein vermeintlicher Fehler, nicht jedoch in Kahlans Augen.

Die Angreifer erreichten die rote Mannschaft und drangen mitten zwischen die Verteidiger. Diese stoben völlig unvermittelt in alle Himmelsrichtungen auseinander und entgingen so den Blockern, die sich ihrer Sache zu sicher gewesen waren. Dann schwenkten sie in vollem Lauf herum und bildeten eine Halbkreisformation, mit der sie die gegnerischen Flügelstürmer, Blocker und sogar ihre Angriffsspitze niedermähten. Der kräftige Flügelstürmer der bemalten Mannschaft entriss ihm den Broc und schleuderte ihn so hoch wie möglich in die Luft, so dass er von der Angriffsspitze mit den Doppelblitzen im Gesicht, die sich mithilfe mehrerer geschickter Körpertäuschungen einen Weg durch die Reihen der angreifenden Spieler gebahnt hatte und nun in vollem Lauf angerannt kam, abgefangen werden konnte, ehe er den Boden berührte.

Ganz allein hatte er die gesamte ihn verfolgende gegnerische Mannschaft hinter sich gelassen. Am gegenüberliegenden Spielfeldende angelangt, wuchtete er den Broc in das Netz des Tores gegenüber dem seines ersten Treffers. Fast mühelos wich er den sich ihm entgegenstürzenden Blockern aus, die hart neben ihm auf den Boden schlugen, trabte zum Tornetz und nahm den Broc abermals an sich.

»Wer ist dieser Bursche?«, erkundigte sich Jagang mit gesenkter Stimme. Kahlan wusste sofort, wen er meinte.

»Rüben lautet sein Name«, antwortete Kommandant Karg. Was nicht der Wahrheit entsprach.

Kahlan war sich völlig sicher, dass der Mann nicht so hieß. Obwohl sie keine Ahnung hatte, wie sein wahrer Name lautete, Rüben war es jedenfalls nicht. Rüben war eine Maskerade, genau wie zuvor der Schlamm und nun die rote Bemalung.

Plötzlich wunderte sie sich, was sie auf diesen Gedanken brachte. Seine Art, sie anzusehen, hatte ihr gleich bei der ersten Begegnung ihrer Blicke verraten, dass er sie kannte, was bedeutete, dass er höchstwahrscheinlich jemand aus ihrer Vergangenheit war. Sie selbst dagegen hatte kein Erinnerung an ihn. Sie wusste nur, dass sein wahrer Name nicht Rüben lautete.

Das Horn erklang und verkündete das Ende des ersten Spielabschnitts. Dann wurde das Stundenglas herumgedreht, und das Horn erschallte erneut. Die rote Mannschaft hatte sich bereits hinter den Startpunkt in ihrer Hälfte des Spielfeldes zurückgezogen, ohne sich die Mühe zu machen, den Vorteil zu nutzen und sich in jene Felder zu begeben, von wo aus sie ihren Angriff beginnen durfte. Stattdessen gab der Mann, der laut Kommandant Karg Rüben hieß und der den Broc bereits aufgenommen hatte, seiner Mannschaft ein verdecktes Handzeichen. Kahlan runzelte die Stirn und sah genauer hin. Noch nie hatte sie eine Angriffsspitze sich solcher Handzeichen bedienen sehen.

Für gewöhnlich funktionierten Ja’La-Spieler als loser Verbund mit einem Minimum an Koordination. Blocker, Flügelstürmer und Deckungsspieler, sie alle taten mehr oder weniger das, was ihre Position von ihnen verlangte - und was jeder Einzelne in der sich ergebenen Spielsituation für angemessen hielt. Der allgemein üblichen Taktik entsprechend war eine Mannschaft nur dann den unerwarteten sich im Spielverlauf ergebenden Abweichungen gewachsen, wenn jeder Spieler nach eigenem Gutdünken handelte. Jeder Einzelne, so schien es, reagierte demgemäß, was das Schicksal für ihn bereithielt.