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Zedd machte eine vage Handbewegung. »Benutzt man seine Kraft, um sich gegen etwas zu stemmen, was eine Hexe zu tun versucht, kehrt sie diese einfach gegen einen. Ihr konntet mit Eurer Kraft gar nicht bis zu ihr durchdringen, weil die von Euch eingesetzte Kraft noch keine grundlegende Bindung zwischen Euch hergestellt hatte, zwischen dem Prinzipal und dem Zielobjekt. Sie befand sich noch in ihrem Entwicklungsstadium.«

Theoretisch war Nicci klar, was er meinte, nur wusste sie nicht, ob es in diesem Fall zutraf.

»Wollt Ihr etwa behaupten, es verhält sich etwa so wie ein Blitz, der einen Baum oder eine andere Erhebung zu finden versucht, eine feste Verankerung im Boden, um sich entladen zu können? Und dass er, gibt es in Reichweite keine solche Verankerung, einfach zurückspringt und sich in der Wolke entlädt? Sich also gegen sich selbst kehrt?«

»So habe ich es nie gesehen, aber vermutlich könnte man sagen, der Vorgang ist vergleichbar. Eine Hexe gehört zu den wenigen Menschen, die über ein instinktives Verständnis für das genaue Wesen der Ausübung von Kräften verfügen. Sie kennen sich mit den Bedingungen solcher Verbindungen bestens aus und wissen, wie gewisse Banne diese Verbindung an beiden Enden aufbauen.«

»Mit anderen Worten, sie weiß, wie Blitze funktionieren«, warf Cara ein, »und dann hat sie Nicci den Teppich unter den Füßen weggezogen.«

Zedd warf ihr einen verblüfften Blick zu. »Von Magie versteht Ihr wirklich überhaupt nichts, oder? Oder vom verqueren Gebrauch einer gängigen Redewendung?«

Caras Miene verfinsterte sich. »Ich denke, wenn ich Euch den Teppich unter den Füßen wegziehe, werdet Ihr das schon verstehen.«

Zedd verdrehte die Augen. »Nun ja, es ist eine unzulässige Vereinfachung, aber ich schätze, man könnte es so formulieren ... in etwa«, fügte er kaum hörbar hinzu.

Nicci, in Gedanken ganz woanders, hatte eigentlich kaum zugehört. Ihr war eingefallen, dass sie selbst ganz ähnlich vorgegangen war, als die Bestie Richard im geschützten Bereich der Burg angefallen hatte. Sie hatte einen Verbindungsknoten geschaffen, dieser Verbindung jedoch die nötige Kraft verwehrt, sich vollständig aufzubauen. Durch diese unerfüllte Erwartung wurde die nächstliegende Kraft auf die Bestie gelockt - in diesem Fall ein Blitz -, der diese vorübergehend ausschaltete. Da die Bestie jedoch nicht wirklich lebendig war, konnte sie auch nicht wirklich vernichtet werden- ebenso wenig, wie ein Leichnam, der ja bereits tot ist, nicht mehr getötet oder in einen Zustand gesteigerten Totseins versetzt werden kann.

In diesem Fall jedoch lagen die Dinge anders. Dies ging weit über das hinaus, was sie mit der Bestie gemacht hatte. Es war fast das genaue Gegenteil.

»Also ich verstehe nicht, wie so etwas möglich sein sollte, Zedd. Es ist wie bei einem Steinwurf: einmal geworfen, steht seine Flugbahn fest, der er bis zu ihrem Endpunkt folgen muss.«

»Sie hat Euch Euren eigenen Stein auf den Kopf gehauen, ehe Ihr ihn überhaupt geworfen habt«, warf Cara ein.

Zedd fixierte sie mit mörderischem Blick, so als wäre sie eine vorlaute Schülerin, die außer der Reihe gesprochen hatte.

Nicci überging die Unterbrechung und führte ihren Gedanken weiter aus.

»Sie hätte mithilfe einer besonderen Kraft im Moment ihrer Entstehung agieren müssen - also noch ehe sie vollständig ausgeformt war. Das ist der Moment, in dem besagte Basisbindung entsteht. An diesem Punkt konnte der Bann bezüglich des Wesens seiner Kraft noch gar nicht vollständig entwickelt sein.«

Zedd bedachte Cara mit einem Seitenblick, um sicherzustellen, dass sie den Mund hielt. Als sie daraufhin trotzig die Arme verschränkte und schwieg, wandte er sich wieder herum zu Nicci.

»Das beschreibt genau ihr Vorgehen«, sagte er.

Da sie noch nie zuvor einer Hexe begegnet war, waren ihr die von ihnen verwendeten Mechanismen nicht in aller Deutlichkeit vertraut.

»Inwiefern?«

»Eine Hexe bewegt sich im Strom der Zeit. Sie überschaut den Fluss der Ereignisse bis in die Zukunft. In vieler Hinsicht ist ihre Gabe eine ergänzende Funktion der Prophezeiungen, was bedeutet, dass sie auf den Bann vorbereitet ist, ehe Ihr ihn überhaupt wirkt. Ihr Talent, ihre Gabe, befähigt sie, gegen Euch vorzugehen, ehe Ihr die gegen sie gerichtete Handlung abgeschlossen habt.

Für sie ist das alles vollkommen natürlich - etwa so, wie man schützend den Arm hebt, wenn einen jemand zu schlagen versucht. Im Moment der Entstehung Eures Netzes, wenn Ihr gewissermaßen zu Eurem Schlag ausholt, ist ihre Abwehr bereits vorhanden. Sie verwehrt Euch die Basisbindung, so dass Euer Netz nicht einmal anfangen kann, sich zu bilden. Wie gesagt, sie besitzt die Fähigkeit, es gegen Euch zu kehren, ehe die Verbindung zwischen Prinzipal und Zielobjekt hergestellt ist. Eure Kraft fällt in sich zusammen und damit auf Euch selbst zurück. Dafür sind nicht einmal übergroße Kräfte erforderlich, da sie sich Eurer Kraft bedient. Je angestrengter Ihr etwas versucht, desto schwieriger wird es. Sie muss sich dann nicht etwa mehr anstrengen, sondern verweigert Euch einfach einen Verbindungsknoten. Je mehr Ihr Euch bemüht, desto größer ist der Anteil Eurer eigenen Kraft, die von ihrer Abwehr auf Euch zurückschlägt, bis Ihr schließlich wie ein zu oft gebogenes Stück Metall überhitzt und Fieber bekommt.«

»Das ist völlig ausgeschlossen, Zedd. Ihr habt doch Magie benutzt. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Ihr ein Netz gewirkt habt, ohne dass es Euch geschadet hätte. Es ist einfach wirkungslos verpufft.«

Der alte Zauberer lächelte. »Nein, das ist es keineswegs. Es war von Beginn an wirkungslos. Ich hatte eine so geringe Magiemenge benutzt, dass sie ihr keine Kraft entziehen konnte. Aus demselben Grund konnte sie sie auch nicht blockieren und gegen mich kehren. Es war einfach zu wenig vorhanden, als dass sie hätte darauf zugreifen können.«

»Was für ein Bann vermag so etwas zu bewirken?«

»Ich wirkte ein Schutznetz, in das ich einen Ruhebann eingeflochten hatte. Genau das hättet Ihr auch tun sollen.«

Nicci fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. »Zedd, ich bin schon lange Hexenmeisterin, aber von einem Ruhebann habe ich noch nie gehört.«

Er zuckte die Achseln. »Na ja, vermutlich wisst Ihr eben auch nicht alles, oder? Ich habe einen Ruhebann für die Ummantelung benutzt, weil sie mich, hätte ich ihn im Falle einer Fehleinschätzung etwas zu stark ausgelegt, und sie ihn gegen mich gekehrt, nun ja, dadurch eben einfach nur ruhiger gemacht hätte. Das wäre wiederum mir zugute gekommen. Denn dann hätte ich gewusst, dass die Schwelle überschritten worden wäre, so dass ich dank meiner größeren Ruhe bei meinem nächsten Versuch größere Erfolgsaussichten gehabt hätte.«

Nicci schüttelte staunend den Kopf. »Also eins steht fest, meine Kenntnisse reichen einfach nicht aus, um es mit Sechs und ihresgleichen aufzunehmen. Was Ihr getan habt, mag vielleicht nicht ganz bis zu mir durchgedrungen sein, aber immerhin hat es mir das Leben gerettet.«

Zedd lächelte nur.

Sie blickte zu ihm auf. »Wo habt Ihr diesen Trick gelernt?«

Er hob die Schultern. »Durch leidvolle Erfahrungen. Ich hatte schon früher mit Hexen zu tun, daher wusste ich, dass es nur eine Möglichkeit gab.«

»Ihr sprecht von Shota?«

»Zum Teil. Als ich ihr das Schwert der Wahrheit wieder abnahm, steckte ich plötzlich in jeder Menge Schwierigkeiten. Die Frau ist gerissen, nicht auf den Kopf gefallen, und hinter ihren funkelnden Augen und ihrem durchtriebenen Lächeln verbirgt sich nichts als Ärger. Ich kam zu der Erkenntnis, dass mit den üblichen Methoden nichts auszurichten war. Sie dagegen hatte für meine Bemühungen nur ein müdes Lächeln. Je mehr ich mich anstrengte, desto mehr verschlimmerte sich meine Situation – und desto breiter wurde ihr Lächeln.«

Dann beugte er sich ein wenig vor, nun selbst ein Lächeln auf den Lippen.

»Genau das war ihr Fehler - dieses Lächeln.« Zur Unterstreichung seiner Worte hob er einen Finger. »Denn es verriet mir, dass ich im Begriff war, mir mein eigenes Grab zu schaufeln. Schlagartig wurde mir klar, dass ich ihr durch die Benutzung meiner Stärke ebenjene Kraft verlieh, die sie benötigte.«