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»Silly?«

»Ja.«

»Der arme Silly hat damit sicher nichts zu tun«, fiel James lebhaft ein. »Falls es jedoch der Herr Direktor gestattet, so würde ich empfehlen, Mr. Lavarède ruhig in den Park kommen zu lassen. Vielleicht haben die Banditen irgendwelche Machenschaften mit ihm vor. Wir werden ihn sorgfältig überwachen.«

Und da Sir Toby zu diesem Vorschlag zustimmend nickte, empfahl der Sekretär sich und die anderen ohne weitere Zeremonie dem Hotelier und setzte den Weg fort. Littlething maulte zwar über die Methoden der heutigen Polizei, aber das hinderte die drei nicht, ihn stehenzulassen und sich bald darauf unter das muntere Völkchen auf den Docks von Darling-Harbour zu mischen.

Eine ganze Seite des Hafenbeckens war beleuchtet; hohe Stangen, die in mehr oder minder regelmäßigen Abständen voneinander standen, waren mit Girlanden miteinander verbunden, an denen venezianische Lampions und bunte Glaskugeln hingen, die leuchtende Arabesken in den dunklen Himmel zeichneten; lange Lampenketten waren an den Fassaden und Dächern der Handelsniederlassungen angebracht; Manegen und Vergnügungszelte waren in aller Eile in den Straßen zwischen den festen Bauwerken errichtet worden. Blechinstrumente, Dampforgeln, Trommeln und Zimbeln dröhnten, wummerten und winselten in einer ohrenbetäubenden Kakophonie und waren akustischer Ausdruck der überschäumenden Freude, deren sich die Menge in den Gassen und Bierzelten hingab.

Denn das Fest der Docker von Sydney ist fast so etwas wie der Nationalfeiertag der Franzosen. Alle sozialen Schichten nehmen daran teil, und die ehrenwerte – in den englischsprachigen Ländern ist eh alles ehrenwert – Gesellschaft der Taschendiebe hat so etwas wie die Schirmherrschaft über dieses Fest übernommen. Denn mit einer Nächstenliebe, die nicht ihresgleichen hat, sorgen sie dafür, daß bei diesem Fest wirklich alle gleich sind, indem sie den Reichen Schmuck, Geldbörsen, Brieftaschen und andere Wertgegenstände auf die liebenswürdigste Art entwenden.

Sir Toby und seine Begleiter waren an der ersten Girlandenkette angekommen.

»Geh nicht von meiner Seite, Silly!« befahl der Polizeichef dem Einfältigen. »Wenn du den Mann siehst, der dir heute morgen die Plakate übergeben hat, so zeigst du ihn mir.«

Silly nickte, ohne zu antworten, und die drei mischten sich unter die Menge. Plötzlich trat ein Mann auf sie zu, es war einer von Allsmines Agenten.

»Exzellenz«, sagte er, »ich war die ganze Zeit vor dem Zirkus Monkey postiert. Da hat sich mir mit einemmal ein Mann genähert und auf einen Mann gezeigt. ›Dort ist Korsar Triplex‹, hat er gesagt. ›Ich bin der, der heute Sir Toby Allsmine die Botschaft zugespielt hat.‹«

»Wo ist diese Person?«

»Er ist in der Menge untergetaucht, bevor ich ihn festnehmen konnte.«

Toby machte eine wütende Geste.

»Das ist sehr ärgerlich.«

»Eure Exzellenz haben gewiß recht, aber wenn wir Triplex festgenommen haben, wird das Entkommen des anderen relativ unwichtig sein.«

»Jedenfalls ist er unwichtiger als der andere«, bemerkte Pack. »Er wird sich schon melden, um die versprochene Prämie in Empfang zu nehmen, wenn wir den Korsaren verhaftet haben.«

Die Bemerkung schien den Polizeichef zu beruhigen.

»Ja, so ist es«, erwiderte er und, an den Agenten gewandt: »Sie haben alles für die Festnahme des Banditen vorbereitet?«

»Noch nicht. Ich wollte die Vorstellung nicht unterbrechen. Aber ich habe vier Leute am Zirkuseingang postiert, vier Kleiderschränke mit Schlagstöcken und Handschellen.« Der Polizist lachte. »So wendig der Spitzbube auch sein mag, diesmal kann er sich nicht herauswinden.«

»Ist er kräftig?«

»Kräftig ist er, Eure Exzellenz, ja, ja. Er ist groß, sieht aus wie ein Athlet, hat blaue Augen; Kinn und Wangen sind von einem dichten blonden Bart bedeckt.«

Sir Toby rieb sich die Hände.

»Endlich haben wir das Signalement dieses Schurken; aber verlieren wir keine Zeit, er ist ein flinkes Kerlchen. Zum Zirkus Monkey, meine Herren.«

So schnell es die schiebende und drängende Menschenmenge in den engen Gassen erlaubte, machte sich die Gruppe, von dem Agenten geführt, zu der Stelle auf, an der der Zirkus Monkey lag. Bald hatte sie das Zelt erreicht, aus dessen Inneren Klatschen und laute Rufe drangen. Am Fuße der Holztreppe, die den Eingang bildete, waren vier schwarze Formen zu erkennen, die mit dem dunklen Umhang, der sie bedeckte, eins geworden zu sein schienen. Mit einer Handbewegung wies der Agent auf diese vier.

»Meine Männer«, flüsterte er.

»Sehr gut, sehr gut!« bemerkte der Polizeichef. »Wir haben, hoffe ich, noch etwas Zeit, bis die Vorstellung zu Ende ist; könnten Sie mir nicht denjenigen zeigen, den wir erwarten?«

»Aber sicher, Exzellenz, wenn Sie mir folgen wollen. Bevor ich Sie benachrichtigt habe, habe ich genau gegenüber dem Künstlereingang ein Guckloch präpariert.«

Von seinem Untergebenen geführt, lief Allsmine um das Zirkuszelt. Sie machten an einem Punkt halt, der dem öffentlichen Eingang schräg gegenüberlag. Ein etwa einen Zentimeter umfassendes Loch war in die Zeltwand geschnitten worden.

»Schauen Sie durch dieses Loch, Exzellenz«, riet der Polizist. »Im ersten Rang werden Sie diesen famosen Korsaren entdecken.«

Ein freudiger Schauer durchrieselte Toby. Der Mann mit dem blonden Bart saß genau auf dem angegebenen Platz und war leicht auszumachen. Er schien Spaß an der Vorführung zu haben, denn auf die Holzbalustrade gestützt, die die Arena umgab, verfolgte er lächelnd die Vorführung eines Clowns.

»Er weiß nicht, was ihn am Ausgang erwartet«, flüsterte der Polizeichef seinem Untergebenen ins Ohr.

»Nein, ganz gewiß nicht, Exzellenz. Und er wird auch nicht wissen, daß er verraten wurde.«

Erneut schaute Sir Toby durch das Guckloch. Er empfand höchste Befriedigung. Er hatte diesen mysteriösen Feind im Visier, dessen Kühnheit, dessen ans Wunderbare grenzende Fähigkeit, an verschiedenen Orten aufzukreuzen, ihn monatelang verblüfften, ja erschreckt hatten; jetzt konnte er ihn dingfest machen. Mit zusammengepreßten Zähnen murmelte er: »Schluß mit der Lächerlichkeit, Schluß damit, uns an der Nase herumzuführen. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.«

Er schwieg. Der Zirkusdirektor, Mr. Monkey höchstselbst, hatte soeben die Arena betreten und, in korrektes Schwarz gekleidet, das Ende der Vorstellung verkündet und dem Publikum »für die Ehre gedankt, seinen Künstlern den wohlverdienten Beifall gespendet zu haben«.

»Schnell, beeilen wir uns«, sagte Sir Toby. »Das Publikum bricht auf.«

Fast rennend kam er mit seinem Untergebenen vor der Treppe an, an der seine Polizisten warteten. James Pack und Silly standen erwartungsvoll am Fuße der Treppe. Allsmine gesellte sich zu ihnen, ohne das rätselhafte Lächeln wahrzunehmen, das um ihre Lippen spielte.

In diesem Augenblick öffnete sich die Zeltbahn, die den Ein- wie Ausgang bildete, und das Publikum quoll heraus, drängte sich auf der Treppe, lachte, schrie und gestikulierte und verlor sich in alle Richtungen, sobald es den Platz vor dem Zelt erreicht hatte. Es war eine lange Schlange, die da herunterkroch. Der Polizeichef und seine Männer hatten genug Muße, um jeden einzelnen genau zu examinieren. Und den sie erwarteten, der war ja unschwer an seinem langen blonden Bart zu erkennen, der ihm bis auf die Brust herabhing.

Der Menschenwurm schlängelte sich noch immer die Treppe herab. Allmählich lichtete er sich jedoch. Die letzten Zuschauer eilten rasch aus dem Zelt, dann schloß sich die Zeltbahn wieder, und niemand zeigte sich mehr.

Der Zirkus war leer, und Korsar Triplex war verschwunden!

Sir Toby und seine Untergebenen standen fassungslos am Fuß der Treppe. Dann stieß der oberste Polizeiherr ein schreckliches Geheul aus und stürmte, die Polizisten wie einen Schwanz hinter sich herziehend, die Treppe empor, riß die Zeltbahn auseinander und starrte in die Arena. Dort ließ Mr. Monkey, noch immer in seinen schwarzen Frack gekleidet, von seinen Angestellten den Sand vom Arenarund fegen, bevor er eine neue und diesmal letzte Vorstellung geben würde.