Und nun trat Triplex mir nichts, dir nichts so ganz einfach in sein Leben – und in seine Kabine; auf gewiß liebenswürdige Art, natürlich, wenn auch völlig überraschend. Unter anderen Umständen hätte Mr. Murray an einen Scherz geglaubt; freilich – da lag ja das Paket auf dem Tisch, und dessen Inhalt bestand, wie er sich überzeugte, aus erlesenen Perlen und außergewöhnlich schönen Korallen. Und das wäre schließlich ein Scherz, der für seinen Urheber doch recht kostspielig geworden wäre.
Aber – und das beunruhigte ihn doch sehr –, Triplex mußte es gelungen sein, sich an Bord zu schleichen. Und dabei mußten ihm ein oder mehrere Matrosen der Mannschaft behilflich gewesen sein, denn sich vorzustellen, daß er sein Unternehmen ohne fremde Hilfe vornehmen würde, dazu fehlte Murray einfach die Phantasie.
So war der Kommandant in einem Zwiespalt: zum einen von dem fürstlichen Geschenk des Korsaren mehr als entzückt (als Ehemann), zum anderen von der Art des Vorgehens seines großzügigen Überbringers stark verunsichert (als Marineoffizier); und genauso zwiespältig bestieg er wieder die Brücke.
Der Erste Offizier, den er über den Vorfall unterrichtete, zeigte sich indigniert. Er hatte schließlich weder Perlen noch Korallen erhalten, und im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten empfand er auch kein Gefühl der Dankbarkeit. Er hielt die Handlung des Korsaren der Disziplin der Mannschaft für abträglich. Die übrigen Offiziere wollten einen Beweis ihres Diensteifers geben, und sie reagierten um so gereizter und eifriger, je weniger Tressen sie hatten. Kurz, man entschied, ein Exempel zu statuieren und den Schuldigen an Bord zu bestrafen. Trommelwirbel erklang, die Mannschaft wurde auf Deck gerufen, und in einer mehr oder weniger flammenden Ansprache forderte der Kapitän sie auf, über den Korsaren herzufallen und ihn dingfest zu machen, falls er sich zeige. Und sollte doch jemand Beziehungen zu dieser Person unterhalten, so käme derjenige vor das Kriegsgericht.
Das Ziel der Ansprache war, die Matrosen einzuschüchtern; deshalb berichtete Murray, daß ein Unbekannter heimlich an Bord gekommen sein müsse und sich in die Kabine des Kommandanten eingeschlichen habe. Nun, wenn ihn niemand gesehen habe, auch nicht das kleinste Boot in der Bucht, so müsse man demnach schließen, daß der Korsar Flügel habe und sicher die Eigenschaft besitze, sich unsichtbar zu machen.
Wie jeder weiß, sind Matrosen abergläubisch. Der Geisteszustand der Besatzung des Kreuzers war derart, daß die Vorgesetzten einsehen mußten, daß ihre Männer von dem geschilderten Vorfall genauso überrascht waren wie der Kapitän.
Also wechselte man den Ton. Der Korsar hatte angeboten, ihnen Fisch zu schenken, wenn nachts ein Boot zu Wasser gelassen würde. Man würde also tun, was Triplex wünschte. Um seine Gabe zu überbringen, mußte er sich zeigen – und die Furcht der Matrosen wäre gegenstandslos, da sie es ja mit einem sichtbaren und greifbaren Gegner zu tun hätten.
Die Ankündigung des Vorhabens führte nicht dazu, die Gemüter zu beruhigen. Die Männer, die ausersehen waren, in die Schaluppe zu steigen, waren dabei, den Dienst zu verweigern, und erst als Mr. Bathurst sich bereit erklärte, das Kommando zu übernehmen, willigten einige Freiwillige ein, ihn zu begleiten.
Endlich wurde es Nacht. Eine Schaluppe wurde zu Wasser gelassen. Acht Matrosen, der Steuermann und der Erste Offizier nahmen darin Platz. Langsam entfernte sie sich vom Kreuzer. Ein Scheinwerfer, der am Bug des Kreuzers angebracht war, erlaubte dem Kapitän, den übrigen Offizieren und der neugierigen Besatzung, jede Bewegung im Boot zu verfolgen.
Einige Kabellängen vom Kreuzer entfernt machte die Schaluppe halt. Wozu weiterrudern? Der Korsar hatte nicht verlangt, daß man an der oder jener Stelle in der Bucht auf ihn warten solle. Die schweigenden und durch die Nacht beeindruckten Matrosen blickten mißtrauisch in die Dunkelheit. Aber nichts bewegte sich, kein Geräusch deutete an, daß sich der Korsar näherte.
Das dauerte eine Stunde.
»Ich denke, daß sich dieser Triplex über uns lustig macht«, sagte Mr. Bathurst. »Wir werden an Bord zurückkehren. So erfolglos unser Ausflug gewesen sein mag, so beweist er doch, daß diese Person kein Geist ist, denn sonst hätte er sich auf diese oder jene Weise mit uns in Verbindung gesetzt; wir haben alles getan, was wir tun konnten.«
Er hielt plötzlich inne. Ein leichtes Knirschen, als ob sich Eisen an Eisen reibe, war vom Heck der Schaluppe zu vernehmen. Alle Augen wandten sich in diese Richtung, aber sie entdeckten nichts weiter als die dunkle Oberfläche des Wassers. Und wie sie noch schauten, rauschte es plötzlich an Steuerbord; ein Gegenstand schien aus dem Wasser emporzusteigen, der dann hart ins Innere des Bootes fiel.
Die Matrosen waren vor Schreck hochgefahren. Das hatte zur Folge, daß das Boot gefährlich schwankte.
»Jeder auf seinen Platz!« befahl Bathurst.
Dieser Stimme waren sie gewohnt zu gehorchen, deshalb setzten sie sich sofort wieder.
»Mund halten!« befahl der Erste Offizier weiter. »Ich will nachsehen, was da ins Boot gefallen ist. Wahrscheinlich irgendein fliegender Fisch, der den Zähnen einer Muräne entgehen wollte.«
Eine plausible Erklärung. Der fliegende Fisch kann dank seiner Flossen aus dem Wasser schnellen und zwanzig, dreißig, ja sogar fünfzig Meter durch die Lüfte fliegen. Alle Seeleute wissen das, und so lachte schließlich auch die Mannschaft ob ihres Schreckens, den sie sich hatte einjagen lassen.
Währenddessen bückte sich Bathurst und suchte den Boden der Schaluppe ab. Plötzlich stieß er einen erstaunten Ruf aus.
»Was ist denn das?« sagte er und hielt einen eiförmigen Gegenstand vor seine Augen, den seine Finger auf dem Boden entdeckt hatten.
»Ein Holzei«, sagte er, nachdem er es untersucht hatte. »Und es läßt sich öffnen.«
Das Projektil entsprach genau dem, das Korsar Triplex benutzt hatte, um Lady Joan den goldenen Harlekin zu schicken.
Als Bathurst die beiden Teile trennte, fiel ein Stück Papier heraus. Im Scheinwerferlicht des Kreuzers konnte er lesen:
An der Schiffsschraube eures Kreuzers hängt ein Netz mit annähernd vier Zentnern Fisch – mehr konnte ich heute nicht fischen. Wenn ihr wollt, könnt ihr morgen neuen kriegen. Wohl bekomm’s.
Triplex
Er hatte halblaut vorgelesen; die Seemänner hatten sich keine Silbe des Gesagten entgehen lassen.
»Zweihundert Kilo Fisch«, sagte einer von ihnen. »Das stellt ja den kühnsten Piraten der Küste in den Schatten.«
Mr. Bathurst hatte den Kopf erhoben. Wenn es die Dunkelheit erlaubt hätte, so würde man auf seinem Gesicht den Ausdruck allergrößten Staunens entdeckt haben. Er befahl den Männern, zum Heck des Kreuzers zu rudern. Dort beugte er sich über die Bordwand.
»Tausend Teufel!« schrie er. »Ich fühle ein Seil … Es hängt an einem Ring der Schraube. Mal sehen, was das ist.«
»Teufelsfische«, maulte einer der Matrosen.
Inzwischen war man auf der Shell am Heck zusammengelaufen, hatte ein Seil heruntergelassen, und innerhalb kurzer Zeit hievten die Matrosen das merkwürdige Geschenk des Korsaren an Deck. Es war ein reicher Fang. Die seltensten und wohlschmeckendsten Fische kullerten da an Deck – und was dem Kapitän die Perlen, das war der Mannschaft eben der Fisch. Auf jeden Fall verschmähte keiner das Geschenk von Triplex.
Währenddessen schwamm Unterseeboot Nummer zwei seelenruhig in geringer Entfernung des britischen Kreuzers. Die ganze kleine Komödie war von Robert inszeniert worden, um Lotia zu zerstreuen, deren Apathie ihre Freunde stark beunruhigte.
Aurett, der Journalist, Joan waren mit Feuereifer dabeigewesen, den Speisezettel der »feindlichen« Matrosen anzureichern. Allein Lotia blieb traurig und abwesend. Und sogar Maudlin schien von dieser Trauer angesteckt worden zu sein, denn eines Tages tat sie einen Ausspruch, der ihre Mutter überraschte: »Besser der Tod, als ewige Trennung.«