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Nach der Rückkehr an Bord wurde kaum gesprochen. Die Augen waren ihnen übergegangen, nun war der Kopf voll davon. Die unterseeische Feenlandschaft verursachte bei ihnen so etwas wie eine moralische Verdauungsstörung. Das Wunderbare der Natur war zu berauschend gewesen; sie waren trunken von dem Nievorhergesehenen, dem Unglaublichen, dem Übermenschlichen.

Eine Nacht voller Schlaf vermochte kaum die Verwirrung auszugleichen, von der unsere Freunde geprägt waren.

Sechstes Kapitel

Das Unterseekabel von Sydney nach Batavia

Und wieder waren unsere Freunde im Salon des Unterseebootes Nummer zwei versammelt. James saß bei ihnen. Er hatte das Kommando von Nummer eins Leutnant Paddy übertragen und wollte sich nun von seinen Freunden nicht mehr trennen.

Man hatte Borneo verlassen – nicht, ohne daß man der Besatzung des Kreuzers Shell noch eine Ladung erlesenster Fische »angehängt« hatte – und befand sich in der gefährlichen Meerenge von Makasar, die die Küste Borneos vom Felsgestade von Celebes trennt und die vor allem wegen ihrer Untiefen, Klippen und – Piraten gefährlich ist.

In dieser Straße von Makasar findet man die schönsten Korallen der Welt, und unsere Freunde saßen den ganzen Tag vor den Bullaugen und bewunderten die vielförmige und nie langweilig werdende Landschaft der Korallenkolonien.

Maudlin wich dem Korsaren nicht von der Seite. Unentwegt hatte sie irgendwelche Fragen an ihn, wobei sie immer einen Vorwand fand, um in seiner Nähe sein zu können. Und da Joan nur von einer Idee besessen war: ihre Tochter, von der sie so lange getrennt war, möglichst immer bei sich zu haben, bildeten sie ein Grüppchen zu dritt.

Armand und Aurett hielten sich stets gemeinsam vor »ihrem« Bullauge auf, allein Robert und Lotia blieben in respektabler Entfernung voneinander und tauschten nur hin und wieder einen sehnsuchtsvollen Blick. Eine moralische Schranke schien sich zwischen den beiden Liebenden errichtet haben, und wenn es ihnen tatsächlich einmal gelang, ihre schwierige Situation zu vergessen, so erinnerte sie die düstere Erscheinung Niaris augenblicklich an die Wirklichkeit. Der fanatische Patriot aus dem Niltal überwachte die beiden. Bei jeder Gelegenheit, im Korridor, auf der Türschwelle, auf dem Deck, wenn das Unterseeboot aufstieg, zeigte er sich und betrachtete mit seinen schwarz glänzenden Augen Hadors Tochter und Robert Lavarède.

Aber falls dieser Blick noch traurig sein mochte, wenn er auf die Ägypterin fiel, so spiegelten seine Augen allmählich unversöhnlichen Haß, wenn er auf Robert traf. Ganz offensichtlich machte Niari letzteren verantwortlich, daß sich die schöne Lotia von ihrer patriotischen Aufgabe hatte ablenken lassen.

Inzwischen war das Unterseeboot in der Javasee angekommen. Seine Geschwindigkeit hatte man gedrosselt, es beschrieb einige Schleifen und tauchte in große Tiefen. Es war, als schien das Boot irgend etwas zu suchen. Armand machte eine diesbezügliche Bemerkung gegenüber James Pack.

Dieser lächelte und unterbrach für einen Augenblick die angenehme Unterhaltung, in die er mit Maudlin vertieft war.

»Ihre Beobachtung stimmt, Mr. Lavarède. Mein Boot sucht tatsächlich etwas.«

»Wäre es indiskret, zu fragen, wonach?«

»Ganz und gar nicht.«

»Nun, dann riskiere ich die Frage … Was …?«

»Mein Telegrafenbüro.«

Bei dieser in aller Ruhe vorgetragenen Antwort blieb dem Journalisten vor Staunen der Mund offenstehen. Er brauchte eine Sekunde, dann erwiderte er: »An Ihrem Scherz merke ich, daß Sie doch nicht willens sind, meine Frage zu beantworten.«

Aber James erwiderte, noch immer lächelnd: »Sie sollten mehr Vertrauen zu mir haben, Mr. Lavarède. Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Denn ein Ort, wo man Depeschen für mich hinterlegt und ich sie nur abholen muß, nicht wahr, verdient doch die Bezeichnung Telegrafenbüro?«

»Zweifellos, nur auf dem Grund des Ozeans …«

»Not macht erfinderisch.«

»Das wissen wir«, sagte Aurett und schaute ihren Mann zärtlich an.

»Nun also, ich brauchte etwas, damit ich, als ich den Kampf gegen das allmächtige England aufnahm, über alles im Bilde war, was man gegen mich plante.«

»Und?« Armand platzte vor Neugier.

»Ich habe mir etwas ausgedacht, um über den Inhalt aller Kabelgramme unterrichtet zu sein, die über das Unterseekabel liefen, mit dem Sydney mit der übrigen Welt verbunden war.«

Der Journalist riß die Augen auf.

»Das ist das Stärkste! Sie haben die Verbindung zwischen der Metropole und Ozeanien unterbrochen.«

Der Korsar hob die Hände.

»Pardon, das habe ich nicht gesagt. Unterbrochen wäre nicht das richtige Wort. Spätestens nach acht Tagen hätte man bemerkt, daß die Depeschen nicht angekommen sind, und vermutet, daß etwas am Unterseekabel zwischen Sydney und Batavia nicht stimmen könne. Man hätte Schiffe geschickt, um die zerrissene Stelle zu suchen. Meine Mühe wäre vergebens gewesen.«

»Sehr richtig. Wenn Sie aber dennoch die Kabel erhielten, müssen die, für die sie bestimmt waren, sie demnach nicht erhalten haben.«

»Irrtum. Habe ich noch nicht bemerkt, daß man keinerlei Verdacht schöpfen durfte? Und in der Tat«, so fügte er hinzu, »man schöpfte auch keinen Verdacht.«

»In diesem Fall verstehe ich gar nichts«, gestand der Pariser ein wenig gereizt. »Allerdings müßte ich mich langsam daran gewöhnt haben, daß ich manches nicht begreife, seit ich mit Ihnen zusammen bin.«

Diese Überlegung hatte einen Heiterkeitsausbruch Maudlins zur Folge, den sie nicht bezähmen konnte. Ihr Lachen war so ansteckend, daß nacheinander Joan, dann Aurett, schließlich Armand selbst darin einstimmte. Während einiger Minuten schien im Salon eine Versammlung von Clowns stattzufinden; endlich gelang es Maudlin, ihre Fassung wiederzugewinnen, und mit einem kindlichen Anflug von Stolz in der Stimme sagte sie: »James Pack ist ein großer Gelehrter, und jeder andere als Sie, Armand, wäre erstaunt, was er alles erfunden hat.«

»Aber ich bitte Sie!« rief der Angesprochene aus. »Ich bin neugieriger als ein Detektiv, und diese Anspielungen lassen mich tausend Tode erleiden. Denken Sie doch, ein Journalist von einigem Geschmack und etwas mehr Temperament als andere, der inmitten von Erfindungen lebt, die noch nie jemand zu Gesicht bekommen hat, der muß doch verrückt werden. Diesmal fehlt es mir nicht an Worten, etwas zu beschreiben, sondern an der notwendigen Information. Als ob man mit dem Kopf gegen die Wand rennt! Dabei«, fügte er lächelnd hinzu, »paßt nicht einmal dieser Eindruck, denn das hier ist schließlich keine Wand, sondern das Innere eines Schiffes, das zudem noch unter Wasser fährt. Also: Es ist zum Den-Kopf-unter-Wasser-Tauchen!«

»Ich werde es Ihnen erklären«, sagte James lächelnd. »Was Sie erstaunt, ist eine einfache Erweiterung der drahtlosen Telegrafie, die man in Frankreich im allgemeinen dem Italiener Marconi zuschreibt.« Lächelnd unterbrach er sich. »Zunächst muß ich jedoch erst einmal der Gerechtigkeit Genüge tun«, erklärte der Korsar. »Ich habe gesagt Marconi, um mich verständlich zu machen, denn Marconi hat in Wirklichkeit nichts erfunden. Er ist nur ein Ingenieur gewesen, der Apparate gebaut hat, die auf der Entdeckung zweier Gelehrter basierten: des Deutschen Hertz und des Franzosen Branly. Ich möchte auch noch hinzufügen, daß es sogar in Frankreich einen Techniker gibt, Monsieur Ducretet, dessen Apparate genausogut funktionieren wie die von Marconi.«