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Die Passagiere stiegen in die Boote und setzten gleich darauf ihren Fuß auf den unterirdischen Strand der Goldinsel.

Siebentes Kapitel

Unter Wasser

Von James Pack geführt, hatten die Passagiere von Nummer zwei das Labyrinth der Gänge betreten, die wie Flüsse von dem unterirdischen See ausgingen. Überall verjagte elektrisches Licht die Dunkelheit, und die sich kapriziös windenden, manchmal aber auch schnurgeraden Gänge, die mitunter nur einem allein erlaubten, sich in ihnen fortzubewegen, dann wieder ausnehmend breit wurden, glänzten, als seien sie mit Gold ausgelegt.

Überall funkelte das kostbare Metall, zog Linien oder unerwartete Arabesken. Hier glänzte der Felsen wie schieres Gold, dort funkelte der Quarz in vielen Farben. Es war ein Gleißen und Glitzern, und für jeden unglücklichen Abenteurer wäre dieser Anblick die Erfüllung eines Wunschtraums gewesen, den er vergeblich auf den Goldfeldern Australiens, Kaliforniens, in Guyana oder Klondike geträumt haben mochte.

Fasziniert und überwältigt ergingen sich die Gäste des Korsaren in tausend bewundernden Rufen.

»Aber Sie sind ja der reichste Mann der Welt!« rief Lavarède zu guter Letzt aus.

James zuckte mit den Schultern und erwiderte gleichgültig: »Ich denke schon.«

»Wie konnten Sie nur die Idee haben, hier mit der englischen Flotte zusammentreffen zu wollen? Wenn dieser Reichtum bekannt wird, werden Sie bald von Goldsuchern überschwemmt werden.«

»Nein.«

»Wieso nein?«

»Weil die Goldinsel mir gehört. Ich habe sie rechtens erworben, und niemand kann sich hier ohne mein Einverständnis niederlassen. Und ihr werdet euch selbst überzeugen, daß ich aus meinen Unterseebooten notfalls auch Torpedos abzuschießen vermag, die anderen schon beibringen werden, welche Rechte ich habe.«

»Zweifellos, zweifellos«, murmelte der Journalist überrascht. »Also sind Sie Eigentümer der Insel?«

»Ja.«

»Und England hat eingewilligt, sie dem Korsaren Triplex zu verkaufen?«

Bei dieser Frage huschte ein flüchtiges Lächeln über das Gesicht von James Pack.

»Nicht dem Korsaren Triplex.«

»Wem dann?«

»Dem, der ich war, bevor ich Korsar wurde; das heißt dem, der ich wieder sein werde, wenn ich nicht mehr Korsar bin.«

»Und wer ist das?«

Statt einer Antwort legte James den Finger auf seine Lippen, eine Geste, die bei seinem Gegenüber eine heftige Bewegung des Unmuts hervorrief.

»Wirklich, Sie sind zu neugierig«, bemerkte der Korsar mit einem Anflug von Ironie in der Stimme. »Es ärgert Sie, meinen Namen nicht zu wissen, wie?«

»Ob mich das ärgert? Ach, wissen Sie, ich mag einfach keine Geheimnisse, aber bitte, Sie legen die Spielregeln fest … Wenn ich übrigens in Sydney schon gewußt hätte, daß Sie selbst der Besitzer der Goldinsel sind …«

»Was hätten Sie dann gemacht?«

»Ich hätte nach London telegrafiert und mühelos den Namen ihres Besitzers rausgekriegt.«

Freundschaftlich schlug James dem Franzosen auf die Schulter. »Ich muß Ihnen etwas gestehen. Gerade daran habe ich nie gezweifelt.«

»Wirklich?«

»Und deswegen habe ich gewartet, um Ihnen mein Vertrauen zu beweisen, bis wir aus der Reichweite jeder Verbindung nach Europa waren.«

Offensichtlich machte er sich über Armand lustig; aber im selben Atemzug sagte er zu ihm: »Im übrigen, bedauern Sie nichts. Meine Aufgabe wird bald erledigt sein, und dann habe ich überhaupt keinen Grund, mein Geheimnis zu wahren.«

Mit diesen Worten schwenkte er in einen schmalen Gang ein, der zu einem großen Raum führte, in dem eine Maschine neben der anderen stand.

Die anderen folgten ihm. Ihnen kam es so vor, als ob sie sich in einer Fabrik befänden. Motoren, Schwungräder, Transmissionsriemen, Zylinder, Kabel, Schraubenschlüssel, nichts fehlte.

»Was ist das?« fragte Joan.

»Das ist die Bastion, die die Goldinsel verteidigt.«

»Die Bastion?«

»Ja, wenn ich diese Apparate betätige, öffne oder schließe ich den Zugang, der das Atoll mit dem Ozean verbindet.« Und da ihn alle erstaunt anblickten, nickte er nur und sagte: »So ist es, aber der Augenblick für Erklärungen ist noch nicht gekommen. Ihr werdet es später erleben. Im Augenblick möchte ich nichts weiter, als euch in eure Zimmer zu begleiten.«

Es hatte keinen Zweck, den merkwürdigen Mann überreden zu wollen, deshalb folgten ihm unsere Freunde durch das Labyrinth der Gänge. Nach einigen Minuten erreichten sie die gegenüberliegende Seite des unterirdischen Sees.

Die Höhle bot einen beeindruckenden Anblick. Die Kuppel wölbte sich in zweihundert Fuß Höhe und wurde von mächtigen Granitpfeilern gestützt, deren Fundamente im Wasser des Sees verankert waren. Inmitten des Sees lagen die drei Unterseeboote, deren Kuppeln stolz aus dem Wasser ragten, und zwischen ihnen und dem Ufer ruderten unentwegt Boote hin und her.

An einem Uferstreifen, der breiter war als das übrige Ufer, standen einige zerlegbare Holzhäuschen. Der Korsar zeigte darauf. »Eure Unterkünfte«, sagte er. »Ich hoffe, ihr seid zufrieden damit.«

Die Besichtigung der leichten Häuschen bot wiederum Anlaß zum Staunen. Sie waren wie Sommerhäuschen eingerichtet, nicht zu üppig und nicht zu karg, mit hellen Möbeln, und so waren sie so lustig und so komfortabel wie möglich. Deshalb war es nicht verwunderlich, daß Armand scherzend bemerkte, daß der Aufenthalt in der Höhle einem Sommer am Meer gleichkäme, ja, daß er letzterem eigentlich vorzuziehen sei, weil die solide Decke aus Felsgestein die Bewohner vor Regen schütze.

Jeder suchte sich sein Häuschen aus, und James Pack sorgte dafür, daß es ihnen an nichts fehlte. Dann kümmerte er sich um seine Matrosen, die sich einer für die Passagiere der Unterseeboote unverständlichen Beschäftigung widmeten.

Ab jetzt waren unsere Freunde ziemlich auf sich allein gestellt. Zu den Mahlzeiten brachten ihnen die Matrosen jeweils in einem Korb erlesene Leckerbissen, der Korsar allerdings zeigte sich selten. Sicher hatte er genug damit zu tun, alle Vorbereitungen für den Empfang der englischen Flotte zu treffen. Die Europäer waren also auf sich allein angewiesen.

Und deshalb spazierten Armand, Aurett und Joan, von der charmanten Maudlin geführt, durch die Domäne von James Pack. Das junge Mädchen hatte ihnen einen Gang gezeigt, der zu dem höchstgelegenen Punkt der Insel führte. Auf diesem Weg waren unsere Freunde auf den Felsen gelangt und konnten nicht nur die frische Meeresluft atmen, sondern hatten auch einen ausgedehnten Blick über die Insel.

Die Insel bestand überwiegend aus Felsen, die nur spärlich durch Taleinschnitte unterbrochen wurden. In diesen Einschnitten entwickelte sich allerdings eine muntere Flora, die vorwiegend aus Kokospalmen, Lianen und verschiedenen tropischen Hölzern bestand.

Neben der Felsspitze befand sich ein Plateau, auf dem das einzige Haus der Insel stand. Das Haus umgab ein Garten mit kurzgeschnittenem Rasen und gepflegten Wegen, und man hatte den Eindruck, sich in einem englischen Garten in Kalkutta oder Madras zu befinden, denn selbst wenn die Bewohner Großbritanniens Ort, Klima und Landschaft wechseln, bewahren sie doch alles, was ihre Eigenart ausmacht. Sie passen sich nicht dem Land an, in dem sie residieren, sondern sie passen das Land ihren Gewohnheiten an. Haus und Garten eines Engländers sind in Indien oder in Australien, in Kanada oder China genauso englisch wie an den Ufern der Themse.

Dort vergaßen die Reisenden sehr schnell, daß sie auf einer Insel festsaßen, einem winzigen Pünktchen in der unermeßlichen Weite des Ozeans.

Vergeblich versuchten sie, Lotia zu bewegen mitzukommen. Die Ägypterin schloß sich in ihrem Appartement ein. Dort saß sie einsam und blickte aufs Wasser des unterirdischen Sees, das von elektrischem Licht beleuchtet wurde. Merkte sie, wo sie war? Das war wenig wahrscheinlich, denn stets zuckte sie zusammen, wenn sich ihr Aurett oder Maudlin näherten und die Hand auf die Schulter legten. Ihre Züge wirkten eingefallen, das Gesicht war bleich, die Wangen hohl, und Robert wiederholte mit immer größer werdender Hoffnungslosigkeit: »Sie stirbt uns weg.«