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Inzwischen hatte das Unterseeboot die Passage durchquert und tauchte, ohne dabei seine Geschwindigkeit zu verringern, unmittelbar hinter der Insel in einen tiefen Graben, den der Ozean hier bildete. Das Manometer zeigte eine Tiefe von zweitausend Metern an, als Robert fragte: »Sind wir nicht schon da?«

»Ist gleich soweit«, erwiderte Pack, »noch zehn Minuten etwa, wir gehen heute auf zweitausendachthundert Meter hinab. Aber ich denke, wir sollten schon damit beginnen, unsere Taucherausrüstung anzulegen.«

Und so begaben sie sich in die Schleusenkammer, wobei die einen, nämlich die Frauen, daran dachten, wie hübsch der Korsar doch seinen Besitz benannt hatte, denn auf diese Weise würden sie alle sich auch später noch gern an dieses Abenteuer erinnern, da es ja auch geographisch fest verankert war; während die Männer – vor allem Armand – die Erfindungsgabe dieses Mannes bewunderten, dem es nur durch Willenskraft und Wissen gelungen war, das allmächtige England herauszufordern.

Unsere Freunde hatten gerade ihre Taucheranzüge angelegt, als die Motoren des Unterseebootes stoppten. Nummer zwei lag auf einem Sandbett auf dem Grund des Grabens, der die Cookinseln von Tonga trennt.

Wie man weiß, bezeichnet ein Graben die unterseeischen Erdverwerfungen, die im Pazifischen Ozean ganz beträchtlich sind. Kein Meer weist mehr Niveauunterschiede auf, und in keinem Meer sind die Einschnitte so tief. So wie zum Beispiel die von Jeffrey und Thompson entdeckten Gräben im Süden und Osten von Australien, der von Challenger und Vettore Pizani zuerst vermessene um die Inselgruppe der Karolinen und Mariannen, oder der Sundagraben, der Philippinengraben und andere, die in der Regel bis zu siebentausend Meter tief sind, wenn nicht noch tiefer, während die von Polypen geschaffenen Korallenstöcke auf den Plateaus nur bis tausend oder zweitausend Meter hinabreichen. Im französischen Teil Polynesiens – Tahiti, Marquesas, Tubuai, Gambier – sind die Korallen, unterstützt durch ständige vulkanische Vorgänge, bereits hundert Meter unter der Wasseroberfläche anzutreffen, und wenn der geologische Prozeß so weitergeht, wird binnen eines Jahrhunderts dort unten die Trikolore über einem Gebiet wehen, das etwa dreimal so groß wie Frankreich sein wird.

In einer dieser Pazifikgräben also hatte James Pack seine Freunde geführt. Die Taucheranzüge waren stark genug, daß sie den Druck aushielten, der in neuntausend Fuß Tiefe herrschte. Bald war man eingekleidet, die Schleuse füllte sich mit Wasser, und die Schleusenkammer öffnete sich.

Das Licht der Sonne reichte nicht bis in solch eine Tiefe. Aber man hatte an alles gedacht. In die Helme der Taucher waren elektrische Leuchten eingelassen, und diese mit Hilfe des Akkumulators gespeisten Lampen ersetzten das Sonnenlicht zwar nicht völlig, aber sie erlaubten den Frauen und Männern doch, unter Wasser genug zu sehen.

Zunächst erlebten unsere Freunde erst einmal eine Überraschung. Sie hatten von gelehrten Personen – die in schön geheizten Büros saßen und von dort die Meerestiefen studierten, ohne sie je zu Gesicht bekommen zu haben – sagen gehört, daß unterhalb achthundert Meter jegliche Vegetation verschwunden sei. Nun, jetzt spazierten sie in einer viermal größeren Tiefe, und die Felsen waren mit üppigen Pflanzen bedeckt. Das waren keine Algen mehr, kein Tang, kein Seegras; das hier war etwas anderes, und es war wunderschön. Es war eine Pflanzenart von gelatineartiger Konsistenz, in feine durchsichtige und vielfarbige Lamellen gefächert, die wie kostbare Steine wirkten. Diese fleischigen Gewächse, die die geringste Bewegung des Wassers in unendliches Wiegen und Wirbeln versetzte, funkelten im Schein der elektrischen Lichtquelle.

In diesem schillernden Dickicht schwammen merkwürdige Tierarten; die einen durchscheinend und ebenso aussehend wie die Pflanzen, von denen sie sich offensichtlich ernährten; die anderen bekannteren Arten ähnlicher, aber viel größer, was angesichts des immensen Druckes, in dem diese Tiere lebten, sicherlich unerläßlich war.

Diese Ungeheuer widmeten unseren Freunden übrigens nicht die geringste Aufmerksamkeit, und Armand sagte über die telefonische Anlage scherzhaft zu James Pack: »Ihre Fische sind ziemlich blasiert; unser Auftauchen scheint sie völlig kaltzulassen.«

»Sie ahnen nicht, weshalb?«

»Nein.«

»Daran sind unsere Lampen schuld. Meine Fische, wie Sie sie zu nennen belieben, halten uns für Sternoptychiden.«

Bei diesem barocken Namen mußte der Journalist passen.

»Pardon, wie sagten Sie?«

»Ich sagte Sternoptychiden.«

»Was ist denn das?«

»Das sind Fische, die fähig sind, den Ozeangrund zu beleuchten.«

»Zu beleuchten, ernsthaft?«

»Gewiß.«

»Was …? Diese Fische wären so eine Art Glühwürmchen der Tiefsee?«

»Noch besser. Die Leuchtstoffsubstanz, die sie über dem Kopf tragen, erzeugt wirklich einen elektrischen Strahl.«

Armand konnte nicht anders, er mußte lachen.

»Sie halten mich zum besten. Haben Sie denn schon mal solche lebenden Jablokows gesehen?«

»Nein. Sie fliehen vor uns, wenn sie unsere Lichter sehen. Oder knipsen einfach ihr Licht aus.«

»Ja, aber wie können Sie sich dann über ihre Existenz und ihre Funktion so sicher sein?«

»Über ihre Existenz, weil ich sie gefangen habe; über ihre Funktion, weil ich nachgedacht habe. Sie werden es gleich verstehen. Tiere, die dazu bestimmt sind, in Dunkelheit zu leben, wie Höhlenfische zum Beispiel, sind blind; oder, um genauer zu sein, ihre Sehorgane sind verkümmert.«

»Das weiß ich.«

»Gut. Nun, die Tiefseelebewesen haben alle Augen, was beweist, daß sie Licht kennen müssen. Die Sonne dringt jedoch nicht bis zu ihnen, daraus folgert, daß Fische, die mit einer elektrischen ›Drüse‹ ausgestattet sind, dieses Licht erzeugen. Und zu diesem Schluß sind übrigens auch Wissenschaftler gekommen, die solche Fische, die man in zwei- bis dreitausend Meter Tiefe mit Hilfe einer Fangsonde erbeutet hat, untersucht haben.«

Diesmal protestierte Lavarède nicht, aber bevor er die Verbindung unterbrach, hörte ihn James murmeln: »O wunderbare und rätselhafte Natur …, du hast elektrisches Licht vor unseren Ingenieuren erfunden, und zwar ohne kostspielige Apparate und ohne komplizierte Installation. Ein kleiner Fisch mit einer Leuchte. Und fertig ist die Lampe!«

Neue Gegenstände erregten die Aufmerksamkeit unserer Freunde. Die Natur des Meeresbodens änderte sich. Der Weg führte jetzt über ein wahres Steinchaos hinweg. Sicher hatte einmal ein Erd- (pardon, See‐) Beben die feste Erdkruste an dieser Stelle aufgerissen. Spitzzackige Felsen ragten wie Türmchen aus dem Gewirr, mächtige Blöcke bildeten eine Mauer; man konnte gern glauben, daß man sich inmitten der Ruinen einer einstmals im Sturm eroberten Stadt befand.

Und dann blieben alle mit einemmal überrascht stehen. Das Wasser um sie herum färbte sich rot, und die Lichtstrahlen wirkten, als ob sie durch eine Feuersbrunst drängen. Eine Handbewegung des Korsaren erklärte ihnen das Phänomen. Er wies auf den Meeresboden, auf dem eine Unzahl von Tieren wimmelte, die entfernte Ähnlichkeit mit unseren Schnecken hatten.

Über Telefon sagte er nur ein Wort: »Murex.«

Das war zuviel. Keiner der Reisenden wußte, daß Murex das Muscheltier ist, das Purpur erzeugt. Die Unterwasserspaziergänger waren mitten in eine Murexkolonie geraten. Bei jedem Schritt quollen rote Wölken bis zu ihren Köpfen empor.