Dann wandte er sich an Allsmine.
»Nun, Sir Toby«, sagte er, »Sie wollten Zeugen. Genügen Ihnen diese hier?«
Der Polizist wagte einen letzten Versuch, sich zu verteidigen.
»Das Ganze ist eine abscheuliche Verschwörung gegen mich, ein Lügengespinst, Sie haben falsche Zeugen beschafft, alle sind bestochen, ich habe Beweise, die Königin …«
Seine Stimme überschlug sich. Ein heiseres Belfern brach aus seinem Mund, er fiel auf die Knie, reckte die Arme empor, und zwischen seinem heiseren Gekrächze konnte man hin und wieder die Worte vernehmen: »Erbarmen, Erbarmen … Lord Green … Maudlin … Erbarmen …!«
Der Schuldige gestand.
Auf ein Zeichen von Lord Strawberry ergriffen die Matrosen den Polizeichef, der keinerlei Widerstand leistete. Er ließ sich völlig gebrochen abführen. Eine Schaluppe brachte ihn auf das Flaggschiff, wo man ihn in einer Kabine einschloß.
Elftes Kapitel
Robert überschreitet den Rubikon, der im vorliegenden Fall der Nil ist
Die Mitglieder des Tribunals hatten sich zurückgezogen. Sie hatten sich in der Villa versammelt, um das Protokoll der bewegenden Sitzung zu verfassen.
Im Saal waren drei Personen zurückgeblieben.
Joe Pritchell, Joan und Maudlin.
Die drei blickten sich an, als wären sie eben aus einem Traum aufgeschreckt worden. Es war Joan, die schließlich auf den ehemaligen Korsaren zuschritt und ihm die Hände entgegenstreckte.
»Joe, mein Junge«, sagte sie, »verzeih einer törichten Frau, daß sie sich einmal geirrt hat und einem Mann ihr Vertrauen schenkte, der dich anklagte.«
»An diesem Tag wurden Sie selbst zum Opfer«, sagte Joe. »Ich war Ihnen nie böse, und in meiner Erinnerung sind Sie mir immer als ein Abbild menschlicher Güte erschienen.«
Er ergriff ihre Hände.
»Verdanke ich Ihnen nicht alles? Haben Sie nicht von weitem meine Ausbildung gesteuert? Mich nicht für den Kampf gewappnet? Haben Sie nicht erst aus mir gemacht, was ich bin? Ihnen verzeihen, sagen Sie …, aber selbst wenn Sie sich schuldig gemacht hätten, wäre ich der letzte, der Sie richten dürfte. Ich habe für Sie immer nur Dankbarkeit und Mitgefühl empfunden.«
»Sie sind so gut …«, begann Joan, aber ihr Gefühl hinderte sie daran, weiterzusprechen.
Dicke Tränen liefen über ihre Wangen, und in mütterlicher Regung schloß sie den Mann in ihre Arme.
Für einen Augenblick standen sie so engumschlungen da, dann fragte ihn Maudlins Mutter:
»Und was willst du nun tun?«
Er hob den Kopf, ein flüchtiger Schatten schien von seiner Stirn zu verfliegen. Mit entschlossener und ruhiger Stimme sagte er: »Ich will den Reichtum der Goldinsel ausbeuten. Ich will all den tapferen Menschen, die mir bei meinem abenteuerlichen Unternehmen beigestanden haben, ein Vermögen schenken. Ihrer Ergebenheit, ihrem Opfersinn verdanke ich den Erfolg. Es ist nur recht und billig, daß ich ihr Glück mache.«
»Und denkst du dabei nicht auch an dein Glück?« fragte ihn Joan.
»An meins?«
»Ja. Willst du allein leben, allein auf dieser verlorenen Insel? Ein Gefangener des Ozeans? Hast du nie davon geträumt, eine Familie zu haben …?«
Joe fröstelte, seine Wimpern zuckten.
»Nein«, antwortete er fast heftig. »Ich muß dem entsagen. Ich gehöre mir nicht; ich bin für diese Menschen da, die ihr Vertrauen in mich gesetzt haben. Welchem jungen Mädchen sollte ich diese Pflicht auferlegen? Welcher Frau könnte ich wohl sagen: Werde die Frau eines Mannes, der der Welt, der Zivilisation entsagt hat?«
»Du könntest diese Frage an eine Frau stellen, die dasselbe durchgemacht hat wie du und die dich …, die dich …, die dich liebt, du Esel«, erklang Maudlins sanfte Stimme.
Der ehemalige Korsar schaute sie an. Sie war rot geworden und hatte den Blick gesenkt.
Offensichtlich war er schnell im Handeln, aber langsam im Begreifen, und so faßte Joan mit der linken Hand seine rechte und mit der rechten Hand Maudlins linke und fügte beide Hände ineinander.
»Im Namen von Lord Green«, sagte sie, »du hast diesem Kind das Leben zurückgegeben, nun bewahre es ihr.« Und mit Tränen in der Stimme fügte sie hinzu: »Ich hab dir einmal Unrecht getan, Joe, laß es mich wieder gutmachen und deine Mutter werden.«
Der junge Mann konnte nicht länger widerstehen. Er, der soviel Gefahren lächelnd überstanden hatte, der im Kampf oftmals seinen erzenen Mut bewiesen hatte, er weinte vor Glück.
Plötzlich drang das Geräusch rascher Schritte unter dem Gewölbe an ihr Ohr. Ein Mann eilte in den Saal und rief: »Sir James …, nein, Sir Joe, kommen Sie uns zu Hilfe.«
Das war Armand Lavarède, aber der Pariser war weit von seinem gewohnten Frohsinn entfernt. Schreckliche Angst hatte sein Gesicht verzerrt. Ihnen schwante Schlimmes, als sie ihn so sahen. »Was gibt es?« fragte der ehemalige Korsar.
»Mein Cousin ist im Begriff, Niari zu töten.«
»Niari töten?«
»Oh, eine rasende Bestie ist nichts gegen ihn …, aber er soll ihn nicht mehr schlagen, denn allein dieser Unglückliche kann Lotia noch dem Tod entreißen.«
»Was sagen Sie?«
»Sie ist nicht mehr bei sich. Um sie zu retten, muß er, muß er, verstehen Sie, er muß anerkennen, daß mein Cousin nicht Thanis ist. Sie werden vielleicht Erfolg haben, ihn zu überzeugen. Wir können nichts mehr ausrichten.«
»Ich komme mit«, sagte Joe Pritchell. »Geb’s der Himmel, daß ich diese Macht habe, von der Sie sprachen.«
Zusammen mit Joan und Maudlin begleitete er auf der Stelle Lavarède. Alle eilten sie durch den unterirdischen Gang, liefen halb um den See und hatten bald darauf Lotias Unterkunft erreicht.
Die Tür stand offen. Sie betraten den Vorraum, und von einer klagenden Stimme geleitet, stiegen sie die Treppe zu dem Zimmer der jungen Dame empor. Dort blieben sie stehen, beeindruckt von dem Anblick, der sich ihnen bot.
Gefesselt lag Niari auf dem Boden. Seine dunklen Augen blickten trotzig und voller Haß in die Roberts, der vor ihm saß, einen Revolver in der Hand, und Anstalten machte, auf ihn einzuschlagen.
»Ihr letzter Seufzer«, sagte der Franzose in diesem Augenblick, wobei er mit dem Arm auf das Bett wies, auf dem Lotia ruhte, »ihr letzter Seufzer wird das Signal zu deinem Tod sein.«
Die Ägypterin war nicht wiederzuerkennen. Die Krankheit hatte ihr Werk getan. Ihr Gesicht wirkte spitz, die eingefallenen Wangen glänzten wächsern.
Als Armand mit seinen Begleitern das Zimmer betrat, blickte Robert sie wütend an. Er sagte kein Wort, doch Lotia richtete sich auf wie elektrisiert und schaute mit fieberkranken Augen auf die Eintretenden.
»Bist du es, göttliche Osiris?« fragte sie. »Kommst du, um deine Tochter zu holen und sie in den Palast der Unendlichkeit zu führen, in dem die Sterne funkeln?«
Das war die Stimme des Fiebers, die aus ihr sprach. Ihre Freunde schauten sie stumm an.