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»He!« sagte Krabat zum zweitenmal; da klopfte ihm wer auf die Schulter und lachte.

Als Krabat herumfuhr, erblickte er Andrusch wieder.

»Wo bist du gewesen, Andrusch? Und wo ist der Ochs hin, der eben noch da stand, wo du jetzt stehst?«

»Muh!« sagte Andrusch mit Ochsenstimme.

»Und Tonda?«

Vor Krabats Augen verwandelte sich der Bauer in Tonda zurück.

»Ach - so ist das?« meinte der Junge.

»Ja«, sagte Tonda, »so ist das. Wir werden mit Andrusch Staat machen auf dem Viehmarkt.«

»Du willst ihn - verkaufen?«

»Der Meister wünscht es so.«

»Und wenn Andrusch geschlachtet wird?«

»Keine Bange!« versicherte Tonda. »Verkaufen wir Andrusch, so brauchen wir nur den Kopfstrick zurückzubehalten, an dem wir ihn führen: dann kann er sich jederzeit weiterverwandeln, in welche Gestalt auch immer.«

»Und wenn wir den Strick aus der Hand geben?«

»Untersteht euch!« rief Andrusch. »Dann müßte ich für den Rest meiner Tage ein Ochse bleiben und Heu und Stroh fressen - haltet euch das vor Augen und macht mich nicht unglücklich!«

Tonda und Krabat erregten mit ihrem Ochsen in Wittichenau auf dem Viehmarkt Aufsehen und Bewunderung. Die Viehhändler kamen von allen Seiten herbeigeeilt und umringten sie. Auch, ein paar Bürger und einige Bauersleute, die ihre Schweine und Rinder bereits versilbert hatten, drängten heran. Solch einen fetten Ochsen gab es nicht alle Tage: da hieß es zugreifen, ehe ein anderer einem das schöne Tier vor der Nase wegschnappte!

»Was kostet der Bursche?«

Die Viehhändler sprachen von allen Seiten auf Tonda ein, lautstark rückten sie ihm aufs Leder. Der Krause-Fleischer aus Hoyerswerda bot fünfzehn Gulden für Andrusch, der krumme Leuschner aus Königsbrück sechzehn.

Tonda schüttelte zu den Angeboten den Kopf. »Bißchen wenig«, erklärte er.

Bißchen wenig? Er sei wohl nicht recht im Koppe! Ob er sie denn für dumm halte.

Dumm oder nicht, meinte Tonda, das müßten die Herren selber am allerbesten wissen.

»Schön«, sagte Krause aus Hoyerswerda, »ich geb dir achtzehn.«

»Für achtzehn behalt ich ihn lieber selbst«, brummte Tonda. Er gab ihn auch Leuschnern aus Königsbrück nicht für neunzehn und Neubauers Gustav aus Senftenberg nicht für zwanzig.

»Dann laß dich mitsamt deinem Ochsen einkümmeln!« schimpfte der Krause-Fleischer; und Leuschner tippte sich an die Stirn und rief: »Blöd müßt ich sein, mich zu ruinieren! Ich biete dir zweiundzwanzig, und dies ist mein letztes Wort.«

Es schien so, als habe der Handel sich festgefahren. Da schob sich, bei jedem Schritt wie ein Walroß schnaufend, ein unförmig dicker Mann durch die Menge. Sein Froschgesicht mit den runden Glupschaugen glänzte von Schweiß. Er trug einen grünen, mit Silberknöpfen besetzten Frack, eine protzige Uhrkette über der roten Samtweste, und am Gürtel, gut sichtbar für jedermann, eine pralle Geldbörse.

Ochsenblaschke aus Kamenz war einer der reichsten und wohl der gerissenste aller Viehhändler weit und breit. Er schob Leuschnern und Neubauers Gustav beiseite, dann rief er mit seiner lauten, polternden Stimme:

»Wie kommt denn, zum Kuckuck, der fette Ochs an den dürren Bauern? Ich nehm ihn für fünfundzwanzig.«

Tonda kratzte sich hinterm Ohr. »Bißchen wenig, Herr...«

»Bißchen wenig? Na hör mal!«

Blaschke zog eine große silberne Schnupftabaksdose hervor, ließ den Deckel aufschnappen, hielt sie Tonda hin. »Prise gefällig?« Erst schnupfte er selber, dann ließ er den alten Wenden schnupfen.

»Haptschi - daß es wahr ist!«

»Zum Wohlsein, Herr!«

Ochsenblaschke schneuzte sich in ein großes kariertes Taschentuch. »Also siebenundzwanzig, in Teufelsnamen - und her mit ihm!«

»Bißchen wenig, Herr.«

Blaschke lief rot an.

»He - wofür hältst du mich? Siebenundzwanzig für deinen Ochsen, und keinen Hosenknopp drüber, so wahr ich der Ochsenblaschke aus Kamenz bin!«

»Dreißig, Herr«, sagte Tonda. »Für dreißig bekommt Ihr ihn.«

»Das ist Wucher!« rief Blaschke. »Willst du mich auf den Hund bringen?« Er verdrehte die Augen, er rang die Hände. »Hast du kein Herz im Leib? Bist du blind und taub für die Not eines armen Handelsmannes? Laß dich erweichen, Alter, und gib mir den Ochsen für achtundzwanzig!«

Tonda blieb ungerührt.

»Dreißig - und basta! Der Ochs ist ein Prachtstück, den geb ich nicht unterm Preis her. Ihr ahnt nicht, wie schwer ich mich von ihm trenne. Müßte ich meinen eigenen Sohn verkaufen, das könnte nicht schlimmer sein.«

Ochsenblaschke sah ein, daß er hier nicht weiterkam. Aber der Ochs war ein kapitaler Bursche. Wozu also Zeit verschwenden mit diesem wendischen Dickschädel?

»Gib ihn schon her, in Dreiteufelsnamen!« rief er. »Ich hab meinen weichen Tag heut, da laß ich mich um den Finger wickeln, das ist mein Nachteil. Und alles nur, weil ich ein Herz für die armen Leute habe. Die Hand drauf - und topp!«

»Topp!« sagte Tonda.

Dann nahm er die Mütze herunter und ließ sich von Blaschke die dreißig Gulden hineinzählen, Stück für Stück.

»Hast du mitgezählt?«

»Hab ich.«

»Dann her mit dir, Wendensohn!«

Ochsenblaschke nahm Andrusch beim Strick und wollte ihn wegzerren; Tonda jedoch hielt den Dicken am Ärmel zurück.

»Was gibt's?« fragte Blaschke.

»Nu ja«, sagte Tonda und tat verlegen. »Bloß eine Kleinigkeit.«

»Nämlich?«

»Wenn der Herr Blaschke so gut war und möcht mir den Kopfstrick dalassen, tat ich's ihm danken...«

»Den Kopfstrick?«

»Zum Andenken. Weil der Herr Blaschke doch wissen sollte, wie schwer ich mich von dem Ochsen trenne. Ich geb ihm auch einen Ersatz dafür, dem Herrn Blaschke - damit er ihn wegführen kann, meinen armen Ochsen, der ja nun ihm gehört...«

Tonda löste den Strick, den er um die Hüften trug. Blaschke erlaubte ihm achselzuckend, ihn gegen den Kopfstrick des Ochsen auszutauschen. Dann rückte der Händler mit Andrusch ab; und kaum war er um die nächste Ecke, da fing er zu schmunzeln an — denn er hatte zwar dreißig Gulden für Andrusch bezahlt, und das war ein gesunder Preis: doch in Dresden, da sollte es ihm nicht schwerfallen, diesen Staatsochsen für das Doppelte an den Mann zu bringen, vielleicht auch für mehr.

Am Waldrand hinter den Teichhäusern ließen sich Tonda und Krabat im Gras nieder, um auf Andrusch zu warten. Sie hatten in Wittichenau ein Stück Speck und ein Brot gekauft, davon aßen sie nun.

»Du warst gut!« sagte Krabat zu Tonda. »Du hättest dich sehen müssen, wie du dem Dicken die Goldstücke aus der Nase gezogen hast: Bißchen wenig, Herr, bißchen wenig... Ein Glück nur, daß du zur rechten Zeit an den Kopfstrick gedacht hast; den hätte ich glatt vergessen.«

»Alles Gewohnheit«, versicherte Tonda leichthin.

Sie hoben ein Stück von dem Brot und vom Speck für Andrusch auf, wickelten beides in Krabats Kittel ein und beschlossen, sich eine Weile langzulegen. Satt, wie sie waren, und müde vom weiten Weg auf der Landstraße, schliefen sie tief und fest - bis ein »Muh!« sie weckte und Andrusch vor ihnen stand: wieder in Menschengestalt und, soweit sich das sehen ließ, wohlbehalten an Leib und Gliedern.

»He, ihr da - es hat schon mal welche gegeben, die haben sich krumm und dumm geschlafen! Habt ihr nicht wenigstens ein Stück Brot für mich?«

»Brot und Speck«, sagte Tonda. »Setz dich zu uns her, Bruder, und laß dir's schmecken! Wie ist es dir denn ergangen mit Ochsenblaschke?«

»Wie wird es mir schon ergangen sein!« brummte Andrusch. »Daß es für einen Ochsen bei dieser Hitze kein reines Vergnügen ist, meilenweit über Land zu trotten und Staub zu schlucken, versteht sich ja wohl von selbst - noch dazu, wenn man's nicht gewöhnt ist. Jedenfalls bin ich nicht böse gewesen, als Blaschke im Oßlinger Kretscham einkehrte. >Gucke da!< ruft der Kretschmer, wie er uns kommen sieht, >der Herr Vetter aus Kamenz! Wie geht's denn, wie steht's noch immer?< - >Gehen tut's leidlich<, sagt Blaschke, >wenn bloß der Durst nicht so groß war bei dieser Hitze !< - >Dem können wir abhelfen!< meint der Kretschmer. >Komm in die Schankstube an den Herrentisch! Bier ist genug im Keller, das schaffst du in sieben Wochen nicht - nicht einmal du schaffst das!< - >Und der Ochs?< fragt der Dicke, >mein Dreißigguldenochse ?< - >Den bringen wir in den Stall, er soll Wasser und Futter haben, soviel er mag!< - Ochsenfutter, versteht sich ...«