»Als Soldat«, fiel der Korporal ein und hieb mit der Faust auf den Tisch, daß der Tambour aufquäkte, »als Soldat hat man gute Zeiten bei festem Sold unter fröhlichen Kameraden. Und bei den Bürgersleuten, insonderheit bei den Mädchens und jungen Witwen, da ist man wer, wenn man zweifarben Tuch trägt - und Nickelknöppe am Rock - und Gamaschen, bis übers Knie herauf!«
»Und der Krieg?« wollte Tonda wissen.
»Der Krieg?« rief der Leutnant. »Der Krieg ist für einen Soldaten das beste, was er sich wünschen kann. Wenn er das Herz auf dem rechten Fleck und ein bißchen Glück hat, wird es ihm weder an Ruhm noch an Beute fehlen. Er kriegt einen Orden, man macht ihn für seine Heldentaten zum Korporal oder gar zum Wachtmeister. ..«
»Und manch einer«, trumpfte der Korporal auf, »manch einer hat es im Krieg vom gemeinen Mann bis zum Offizier gebracht, ja zu Generalsehren! Fressen will ich mich lassen und hinterher wieder ausspucken, wenn dies nicht alles die reinste und lauterste Wahrheit ist!«
»Darum fackelt nicht lang!« rief der Leutnant. »Seid brave Burschen und folgt uns zum Regiment! Ich nehme euch als Rekruten an, wie ihr seid - auf Handschlag!«
»Auf Handschlag!« Der Altgesell schlug in die dargebotene Rechte des Leutnants ein. Michal, Merten und alle übrigen taten desgleichen.
Der Leutnant strahlte. Der Korporal, nicht ganz sicher mehr auf den Beinen, wankte reihum und griff ihnen nach den Schneidezähnen.
»Mal sehen, verdammt noch eins, ob die Dinger festsitzen! Die Vorderzähne, das weiß man ja, müssen bei einem Soldaten in Ordnung sein, sonst könnte er keine Patronen abbeißen im Gefecht und nicht auf die Feinde des allerdurchlauchtigsten Kurfürsten schießen, wie man es ihn gelehrt hat und wie er's der Fahne schuldig ist.«
Aber da fehlte nichts. Nur bei Andrusch war sich der Korporal im Zweifel. Ein Ruck und ein Gegendruck mit dem Daumen: da war es geschehen.
»Himmelfixtürken!« Der Korporal hatte Andrusch zwei Zähne herausgebrochen. »Was denkt Er sich, Lausekerl? Will Er mit Seinem Altweibergebiß Soldat werden? Scher Er sich weg da, Er Zahnkrüppel, sonst vergeß ich mich!«
Andrusch blieb ruhig und freundlich. »Wenn es gestattet ist«, sagte er, »das sind meine Zähne, die möcht ich wiederhaben.«
»Er kann sie sich an den Hut stecken!« knurrte der Korporal.
»An den Hut?« meinte Andrusch, als ob er nicht recht gehört habe. »Nicht doch!«
Er ließ sich die Zähne geben und spuckte darauf, dann setzte er sie sich ein, an die alte Stelle.
»Nun werden sie fester sitzen als vorher. Belieben der Herr, sich zu überzeugen?«
Die Burschen grinsten, dem Korporal schwoll die Zornesader. Der Leutnant indessen, des Kopfgeldes eingedenk, mochte auf Andrusch ungern verzichten, er drängte:
»Nu - zieh Er schon!«
Der Korporal, obzwar widerstrebend, parierte Order und faßte nach Andruschs Zähnen. Doch seltsam: wie stark er auch daran ruckte und rüttelte, diesmal gaben sie nicht um ein Jota nach - selbst dann nicht, als er versuchte, sie mit dem Stiel seiner Stummelpfeife herauszubrechen.
»Das geht nicht mit rechten Dingen zu!« stieß er keuchend hervor.
»Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen! Aber je nun, mir soll's gleich sein. Ob diese Pockennase Soldat werden darf oder nicht, hab nicht ich zu entscheiden, das muß Euer Gnaden tun...«
Der Leutnant kratzte sich hinterm Ohr. Auch er hatte viel getrunken, auch ihm kam die Sache spanisch vor. »Wollen den Fall überschlafen«, meinte er. »Vor dem Abmarsch werden wir uns den Burschen noch einmal vorknöpfen.« Dann verlangte er schlafenzugehen.
»Sehr wohl«, sagte Tonda. »Ich habe für Euer Gnaden das Bett richten lassen, worin sonst der Meister schläft, und für den Herrn Korporal einen Platz in der Gästestube. Wohin aber mit den Herren Gefreiten und dem Herrn Tambour?«
»D-da mach Er sich keine Umstände!« lallte der Korporal. »D-die sollen ins Heu kriechen, d-das ist allemal gut genug für d-die!«
Am anderen Morgen erwachte der Leutnant in einer Kiste voll Runkelrüben, die hinter dem Haus stand; der Korporal aber fand sich im Sautrog wieder. Da hoben die beiden gewaltig zu schimpfen an und zu donnerwettern. Die Müllerburschen kamen herbeigestürzt, alle zwölfe, und taten ganz unschuldig.
Was denn, wie denn, man habe die Herren doch gestern abend gebührend zu Bett gebracht. Ob sie mondsüchtig seien? Das sehe nach Schlafwandelei aus, zumindest aber, bescheidentlich anzumerken, nach einem gewaltigen Bierrausch. Ein Glück, daß die Herren sich, während sie in der Mühle umhertappten, keine Beulen und Schrammen geholt hätten, wenn nicht Schlimmeres! Doch man wisse ja aus Erfahrung, daß Kinder, Narren und Saufköppe ihren besonderen Schutzengel hätten.
»Maul halten!« schnauzte der Korporal. »Verschwindet jetzt, fertiggemacht zum Abmarsch! Und Er da, der Pockennasige, laß Er sich an die Zähne fassen!«
Da Andruschs Zähne der Probe standhielten, brauchte der Leutnant sich kein Gewissen daraus zu machen, als er entschied, daß der Bursche tauglich sei.
Nach dem Frühstück rückten die Werber mit den Rekruten ab. Sie marschierten nach Kamenz, zum Musterplatz ihres Regiments: an der Spitze der Leutnant, vom Tambour gefolgt, dann die Müllerburschen in Reih und Glied, dann die beiden Gefreiten und schließlich, am Ende des Zuges, der Korporal. Die Mühlknappen waren bei guter Laune, ihren Begleitern schien minder wohl zu sein. Je länger der Weg, desto bleicher und käsiger wurden sie im Gesicht, desto häufiger mußte der eine oder der andere in den Büschen am Wegrand verschwinden. Krabat, mit Staschko im letzten Glied marschierend, hörte, wie einer der beiden Gefreiten dem anderen klagte:
»Bei Gott, Kamerad, es ist mir, als hätte ich zehn Pfund Kleister gefressen - so scheußlich liegt mir's im Magen!«
Krabat wechselte einen belustigten Blick mit Staschko. »Das kommt davon«, dachte er, »wenn man Sägespäne für Nudeln in sich hineinschlingt, verschimmeltes Brot für Rauchfleisch und Tabakskrümel für Majoran!«
Am Nachmittag ließ sie der Leutnant am Rand eines Birkenwäldchens noch einmal rasten.
»Wir haben von hier eine Viertelmeile bis Kamenz«, sagte er. »Wer verschwinden muß, der verschwinde, denn dies ist die letzte Gelegenheit. - Korporal!«
»Euer Gnaden?«
»Laß Er die Kerls ihre Sachen in Ordnung bringen, und halt Er sie an, daß sie nicht aus der Reihe tanzen, wenn's in die Stadt geht - und daß sie brav Schritt halten, akkurat mit dem Trommelschlag!«
Nach kurzem Aufenthalt setzte der Trupp sich erneut in Marsch, diesmal mit Trommelklang und Trompetenschall.
Mit - Trompetenschall?
Andrusch hatte die Rechte zu einem Trichter geformt an die Lippen gesetzt, und nun blies er aus vollen Backen den schwedischen Grenadiermarsch, wie ihn der beste Hornist auf dem prächtigsten aller Hörner nicht trefflicher hätte blasen können.
Den anderen Burschen gefiel das. Auch sie fingen lautstark zu musizieren an: Tonda, Staschko und Krabat bliesen Posaune, Michal, Merten und Hanzo das Flügelhorn; die übrigen teilten sich in die kleinen und großen Trompeten, und Juro spielte das Bombardon. Obgleich sie, wie Andrusch, nur auf den Händen bliesen, klang es, als käme da eine ganze königlich schwedische Regimentsmusik anmarschiert.
»Aufhören!« wollte der Leutnant schreien, und »Aufhören, Lausekerls, aufhören!« setzte der Korporal zu brüllen an. Doch sie brachten kein Wort heraus, und sie konnten auch nicht, wie sie gern gewollt hätten, mit dem Krückstock dazwischenfahren. Sie mußten an ihren Plätzen bleiben und mitmarschieren, der eine voraus und der andere hinterdrein - da half alles nichts, auch kein Fluch und kein Stoßgebet.
Mit Trompeten und Hörnerklang ging es nach Kamenz hinein, zum Gaudium aller Soldaten und Bürgersleute, denen sie auf der Straße begegneten. Kinder kamen herbeigelaufen und riefen Hurra, in den Häusern wurden die Fenster geöffnet, die Kamenzer Jungfern winkten ihnen und warfen Kußhände.