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Unter klingendem Spiel zogen Tonda und seine Mitgesellen samt der Eskorte etliche Male rund um den Rathausplatz, dessen Ränder sich rasch mit Zuschauern füllten, bis schließlich, vom Klang der verhaßten schwedischen Feldmusik in Alarm versetzt, Herr Christian Leberecht Fürchtegott Edler von Landtschaden-Pummerstorff auf den Plan trat, Obrist Seiner allerdurchlauchtigsten Gnaden des sächsischen Kurfürsten Fußregiments zu Dresden, ein alter, in langen Dienstjahren etwas dicklich gewordener Haudegen.

Herr von Landtschaden-Pummerstorff kam, von drei Stabsoffizieren und mehreren Ordonnanzen gefolgt, auf den Marktplatz gestapft. Ob des närrischen Schauspieles, das sich ihm darbot, wollte er seiner Entrüstung mit einem Schwall der erlesensten Flüche Luft machen - da verschlug's ihm die Sprache.

Denn Andrusch, kaum daß er den Herrn Obristen erspäht hatte, stimmte mit seinen Gefährten den Defiliermarsch der schwedischen Reiterei an - was, wie vorauszusehen, den Alten als wackeren kurfürstlich sächsischen Fußsoldaten in Weißglut brachte. Zudem war es eine Weise, zu der es sich besser traben ließ als marschieren, weshalb sich die Müllerburschen und ihre Begleiter sogleich in Trab setzten, was recht possierlich aussah, nur in den Augen des Herrn Obristen nicht.

Sprachlos vor Zorn, und nach Luft schnappend wie ein Karpfen im Netz, mußte Landtschaden-Pummerstorff zusehen, wie auf dem Kamenzer Marktplatz ein Dutzend Rekruten zu den Klängen eines noch dazu feindlichen Kavalleriemarsches Hoppe-Hoppe-Reiter machte. Was aber, zum Satan, war in den sie eskortierenden Leutnant gefahren, daß er den Schlingeln auf seinem Säbel voransprengte, den er sich wie ein Steckenpferd zwischen die Beine geklemmt hatte! Angesichts dieses höchst würdelosen Verhaltens eines kursächsischen Offiziers fiel es kaum ins Gewicht, daß sich auch dessen Leute einschließlich Tambour und Korporal nicht entblödeten, bei der Hopserei mitzumachen.

»Eskadron - halt!« kommandierte Tonda, nachdem sie den Marsch zu Ende geblasen hatten. Dann bauten die Müllerburschen sich vor dem Obristen auf, schwenkten zum Gruß die Mützen und grinsten ihn an.

Herr von Landtschaden-Pummerstorff trat auf sie zu und begann zu brüllen wie zwölf Korporale gleichzeitig:

»Wer, zum Teufel, hat euch ins Hirn geschissen, verdammtes Lausepack, daß ihr euch untersteht, einen solchen Affentanz aufzuführen, bei hellem Tag und vor allen Leuten! Wer seid ihr denn, Lumpenkerls, daß ihr die Stirn habt, mich anzugrinsen! Aber ich sage euch — ich, der Obrist dieses glorreichen Regimentes, das sich in siebenunddreißig Schlachten und einhundertneunundfünfzig Scharmützeln mit Ruhm bedeckt hat -, ich sage euch, daß ich gesonnen bin, euch die Narrens-Possen von Grund auf auszutreiben! Ich werde euch dem Profos übergeben, ich lasse euch durch die Spieße jagen, ich ...«

»Schluß!« sagte Tonda und schnitt ihm das Wort ab. »Ich denke, daß Ihr Euch den Profos und die Spieße sparen könnt. Wir zwölf nämlich, die wir da vor Euch stehen, eignen uns ohnehin nicht für das Soldatenleben. Tröpfe wie der da« - er deutete auf den Leutnant - »und Schwartenhälse wie er - damit zeigte er auf den Korporal -»mögen sich bei der Armee ja ganz wohl befinden, solang man sie nicht zusammenschießt. Wir aber, meine Freunde und ich, sind von anderem Holz gemacht: wir pfeifen auf Euer ganzes Brimborium samt dem allerdurchlauchtigsten Kurfürsten, dem Ihr das gern bestellen könnt, wenn Ihr mögt!«

Dann verwandelten sich die Müllerburschen in Raben und schwangen sich in die Lüfte. Krächzend zogen sie eine Schleife über dem Rathausplatz; und zum Abschied bedeckten sie Hut und Schultern des Herrn Obristen - wenngleich nicht gerade mit Ruhm.

Das Andenken

In der zweiten Oktoberhälfte war es noch einmal sonnig und warm geworden, fast wie im Spätsommer. Sie nutzten die schönen Tage, um ein paar Fuder Torf zu holen, Juro spannte die Ochsen ein, Staschko und Krabat beluden das Fuhrwerk mit Brettern und Holzbohlen, auch zwei Schubkarren packten sie auf. Dann kam Tonda hinzu, und sie fuhren los.

Der Torfstich lag draußen, im oberen Teil des Koselbruchs, jenseits des Schwarzen Wassers. Krabat hatte im Sommer mit einigen anderen dort gearbeitet, während der heißesten Zeit des Jahres. Im Umgang mit Stechscheit und Torfmesser ungeübt, hatte er Michal und Merten geholfen, die schwarzen, fettig glänzenden Torfziegel aus der Kuhle herauszukarren und aufzuschlichten.

Die Sonne schien, in den Wassertümpeln am Wegrand spiegelten sich die Birken. Das Gras auf den Hügeln im Moor war vergilbt, das Heidekraut längst verblüht. Im Gesträuch hingen rote Beeren, spärlich, wie Blutstropfen da und dort. Und zuweilen, von Zweig zu Zweig gespannt, glitzerte silbrig das späte Netz einer Spinne auf.

Krabat dachte an früher zurück, an die Kinderjahre in Eutrich: Wie sie an solchen Herbsttagen Klaubholz gesammelt hatten im Wald und Föhrenzapfen. Und manchmal hatten sie im Oktober noch Pilze gefunden, Hallimasch, Reizker und Täublinge. - Ob es auch diesmal noch Pilze gab? Warm genug war es ja ...

Auf der Höhe des Torfplatzes angekommen, hielt Juro die Ochsen an. »Abladen, wir sind da!«

Sie legten an einer schmalen Stelle die Bohlen über das Schwarze Wasser und pflockten sie fest. Dann fügten sie Brett um Brett aneinander, der Länge nach, daß sie eine Bahn ergaben, und Staschko schob Holzknüttel unter, damit sie nicht durchhingen oder an moorigen Stellen absackten. Aber die Strecke vom Steg bis zum Torfplatz war länger, als sie geschätzt hatten. Juro erbot sich, die fehlenden Bretter zu holen, doch Staschko erklärte, daß das nicht nötig sei. Er brach einen Zweig von der nächsten Birke, dann schritt er die Karrenbahn ab, wobei er im Takt eines Zauberspruchs mit dem Zweig auf die Bretter einschlug. Da fingen sie an, sich zu strecken und schoben sich bis zum Torfplatz vor.

Krabat war überwältigt. »Ich frage mich«, rief er, »weshalb wir denn überhaupt noch arbeiten, wo sich doch alles zaubern läßt, was wir mit unseren Händen verrichten müssen!«

»Gewiß«, sagte Tonda. »Aber was meinst du, wie bald dir ein solches Leben zum Hals heraushinge! Ohne Arbeit: das ist auf die Dauer nichts - außer, du willst über kurz oder lang vor die Hunde gehen.«

Am Rand des Torfplatzes stand ein Bretterschuppen, dort waren die trockenen Torfziegel aus dem Vorjahr gelagert. Die Burschen brachten sie schubkarrenweise zum Wagen, wo Juro sie auf das Fuhrwerk umpackte. War es beladen, dann kletterte er aufs Sitzbrett, rief: »Wüüüh!«, und die Ochsen zockelten los, gemächlich der Mühle zu.

Die Zeit bis zu Juros Rückkehr verwendeten Tonda, Staschko und Krabat darauf, den im Sommer gestochenen Torf in den Schuppen zu bringen und einzuschlichten. Sie brauchten sich nicht zu beeilen damit, und das brachte den Jungen auf einen Gedanken.

Er fragte den Altgesellen und Staschko, ob sie es ihm erlauben würden, für kurze Zeit wegzugehen.

»Wohin?«

»In die Pilze. Ihr braucht nur zu pfeifen, dann komme ich gleich zurück.«

»Wenn du glaubst, daß du welche findest...«

Tonda war einverstanden und Staschko auch.

»Hoffentlich«, rief er, »hast du ein langes Messer mit!«

»Wenn ich eins hätte, würde ich's mitnehmen«, meinte Krabat.

»Dann leih ich dir meines«, sagte der Altgesell. »Da - und verlier es nicht!«

Er zeigte ihm, wie sich das Messer mit einem Druck auf die Schalen des Griffes öffnen ließ. Die Klinge schnappte heraus, sie war schwärzlich verfärbt, als ob Tonda sie über den Docht einer brennenden Kerze gehalten hätte.

»Jetzt du!« Damit schloß er das Messer wieder und gab es dem Jungen. »Laß sehen, ob du damit zurechtkommst!«

Als Krabat die Klinge aufschnappen ließ, war sie blank und unverfärbt.

»Hast du was?« fragte Staschko.