Выбрать главу

Er weiß, daß es höchste Zeit ist, ans Feuer zurückzukehren. Aber die Augen des Mädchens, die hellen Augen im Kranz der Wimpern, halten ihn fest, er kommt nicht mehr los davon. Die Stimme der Kantorka hört er nur noch von fern, sie ist ihm jetzt nicht mehr wichtig, seit er ihr in die Augen sieht.

Krabat weiß, daß es auf den Morgen zugeht: er kann sich nicht trennen. Er weiß, daß sein Leben verspielt ist, wenn er sich nicht zur rechten Zeit losmacht und heimkehrt: er weiß es - und schafft es nicht.

Bis ein plötzlicher, greller Schmerz ihn durchzuckt, der wie Feuer brennt und ihn jäh hinwegreißt.

Krabat fand sich am Waldrand wieder, bei Juro. Auf seinem Handrücken lag ein glühendes Stückchen Holz, rasch schüttelte er es ab.

»O Krabat!« rief Juro, »das habe ich nicht gewollt! Du bist mir auf einmal so merkwürdig vorgekommen, so anders als sonst - da hab ich dir ins Gesicht geleuchtet, mit diesem Span da. Wer konnte denn wissen, daß dir die Glut auf die Hand fällt ... Zeig her, ob es schlimm ist!«

»Es geht«, sagte Krabat.

Er spuckte auf die verbrannte Stelle. Wie dankbar er Juro war für sein Ungeschick, durfte er ihm nicht zeigen. Ohne sein Zündeln säße er jetzt nicht hier, gewiß nicht. Der Schmerz auf dem Handrücken hatte bewirkt, daß Krabat sich in Gedankenschnelle mit seinem Körper vereinigt hatte - um keine Minute zu früh.

»Es tagt«, sagte Krabat, »wir wollen die Späne schneiden.«

Sie schnitten die Späne, sie steckten sie in die Glut.

»Ich zeichne dich, Bruder, Mit Kohle vom Holzkreuz - Ich zeichne dich Mit dem Mal der Geheimen Bruderschaft.«

Auf dem Heimweg zur Mühle begegneten sie den Mädchen mit ihren Wasserkrügen. Einen Augenblick überlegte Krabat, ob er die Kantorka ansprechen sollte. Aber dann ließ er es bleiben: weil Juro dabei war - und weil er die Kantorka nicht erschrecken wollte.

Geschichten von Pumphutt

Und wieder das Ochsenjoch vor der Tür, und die Backenstreiche, und das Gelöbnis, dem Meister in allen Dingen gehorsam zu bleiben. Krabat war schlecht bei der Sache. Die Augen der Kantorka gingen ihm nach: und doch hatten sie nur in das Licht einer Osterkerze geblickt, ohne Krabat zu sehen.

»Ein nächstesmal will ich ihr sichtbar vor Augen treten«, nahm er sich vor. »Sie soll wissen, daß ich es bin, den sie anblickt.«

Die letzten Burschen waren zurückgekommen, das Wasser schoß ins Gerinne, die Mühle lief an. Der Meister scheuchte die zwölf in die Mahlstube, an die Arbeit.

Krabat verrichtete, was zu tun war, in dem Gefühl, es sei gar nicht er selbst, der da Säcke vom Speicher herzuschleppte, Korn in die Schütte kippte (es fiel eine Menge daneben heut) und allmählich ins Schwitzen kam. Die Stimme des Meisters hörte er wie durch Wände, sie ging ihn nichts an. Ein paarmal geschah es, daß er mit einem der Mitgesellen zusammenstieß, ungewollt, weil er mit seinen Gedanken weit weg war. Einmal rutschte er auf den untersten Staffeln zur Bühne aus und schlug sich das Knie auf; er spürte nicht viel davon, ruckte den Sack, der ihm von der Schulter zu gleiten drohte, ins Gleichgewicht und stieg weiter.

Er schuftete wie ein Roß. Daß die Füße ihm schwer wurden mit der Zeit; daß die Schweißtropfen von ihm wegspritzten, wenn er sich schüttelte; daß er sich quälen und schinden mußte mit den verdammten Maltersäcken: es machte ihm wenig aus, das betraf ihn nicht sonderlich. Alles, was auf der Mühle vorging an diesem Morgen, war Sache des einen Krabat, der unterm Holzkreuz gesessen hatte die Nacht lang; den anderen, der in Schwarzkollm gewesen war, ließ das gleichgültig, der war fremd hier, er hatte mit alledem nichts zu schaffen, verstand es nicht.

Diesmal war Witko es, der als erster aufjauchzte und das Zeichen zum großen Jubel gab.

Verwundert hielt Krabat inne, dann spuckte er in die Hände und wollte sich auf den nächsten Sack stürzen. Juro versetzte ihm einen Rippenstoß.

»Aufhören, Krabat!«

Der Stoß hatte gut gesessen, genau an der Stelle unter der linken Achsel, wo es am meisten weh tat. Für eine Weile blieb Krabat die Luft weg; dann sagte er, und es waren nun wieder beide Krabats in einem, die sich da mit gepreßter Stimme vernehmen ließen:

»He, Juro, ich ... soll dir wohl eins auf ... die Nase geben, du ... Blödsack!«

Sie lachten, sie tranken, sie aßen die fetten, goldgelben Osterküchlein - und später tanzten sie.

»Rumm-widi-bumm, Das Rad läuft um, Der Müllscher ist alt, Er ist krumm und dumm! Und da es ging In die Maienzeit, Da hat er ein junges Weib gefreit - Schön fest rundherum, Und das Rad, das läuft um, Und der Müllscher ist krumm Und dumm.«

Sie tanzten und sangen, und Witko krähte die Lieder hinaus, als wollte er alle mit seiner grellen, blechernen Stimme in Grund und Boden singen.

Später wandte sich Staschko an Andrusch und fragte ihn, ob er nicht Lust hätte, ihnen was zu erzählen: vom Pumphutt vielleicht.

»Ist recht«, sagte Andrusch. »Reicht mal den Wein herüber!«

Er tat einen langen Zug aus der Kanne, bevor er mit seiner Geschichte anfing.

»Also«, begann er, »der Pumphutt ist eines Tages nach Schleife gekommen, zum Obermüller, und der war ein Geizkragen, wie ihr wissen müßt, daß es zum Himmel gestunken hat. - Aber da fällt mir gerade ein, daß Witko vielleicht überhaupt nicht weiß, wer der Pumphutt ist...«

Witko wußte es nicht, wie sich zeigte, und Krabat auch nicht.

»Dann muß ich das wohl vorausschicken.«

Andrusch versprach den Gesellen, sich kurz zu fassen.

»Pumphutt«, sagte er, »ist ein wendischer Mühlknappe wie wir auch, aus der Gegend von Spohla, glaub ich. Dürr ist er, lang ist er - und so alt, daß niemand es mit Bestimmtheit sagen kann. Wenn ihr ihn aber sehen würdet, dann möchtet ihr denken, daß er so um die vierzig ist und nicht älter. Im linken Ohrläppchen trägt er ein goldenes Ringel, ganz klein und schmal, daß es kaum zu sehen ist, wenn's nicht zufällig in der Sonne aufblinkt. Dafür ist sein Hut um so größer, mit breiter Krempe und spitzem Kegel. Von diesem Hut hat er seinen Namen, der Pumphutt, daran erkennt man ihn - oder auch nicht, wie ihr hören werdet ... Habt ihr mich?«

Krabat und Witko nickten.

»Nun müßt ihr von Pumphutt noch wissen, daß er ein Zauberer ist - der größte vielleicht, den es je in der Lausitz gegeben hat, und das will was heißen. Wir alle, wie wir da sitzen, verstehen nicht halb soviel von der Kunst, wie Pumphutt im kleinen Finger hat. Trotzdem ist er sein Lebtag ein einfacher Müllerbursche geblieben. Meister zu werden, hat er wohl keine Lust gehabt - und was Höheres, Amtmann vielleicht oder Richter oder bei Hof was: dazu schon gar nicht. Obgleich er das leicht hätte werden können, wenn er gewollt hätte, aber das will er nicht. Und warum nicht? Weil er ein freier Bursch ist und bleiben will, einer, der sommers von Mühle zu Mühle zieht, wie es ihm paßt, keinen über sich, keinen unter sich - so gefällt ihm das, und so würde mir's auch gefallen, wenn ich's mir aussuchen könnte, verdammt noch mal!«

Die Mühlknappen pflichteten Andrusch bei. Ein Leben zu führen wie Pumphutt, sein eigener Herr sein, nach niemandes Pfeife zu tanzen brauchen, das wäre nach ihrem Geschmack gewesen: heute, da sie dem Meister aufs neue geschworen hatten und für ein weiteres Jahr auf der Mühle im Koselbruch festsaßen, mehr denn je.

»Nun aber die Geschichte, Andrusch!« rief Hanzo.