»Einmal«, erzählte der Meister, »sind wir auf einer Mühle im Dienst gewesen, unweit von Coswig, da ist eines Tages der Kurfürst mit einer Jagdgesellschaft vorbeigekommen, die haben da Rast gemacht, auf der Wiese hinter dem Mühlenweiher, im Schatten der Bäume.
Wir Müllerburschen, auch Jirko und ich, haben hinter den Büschen gestanden und ihnen zugeschaut, wie sie getafelt haben. Zwei Diener hatten ein Tischtuch ins Gras gebreitet, da lagerten nun der Kurfürst und seine Jagdgäste außen herum und aßen von silbernen Tellern, was ihnen die Diener vorsetzten: Wachtelpastetchen mit Trüffeln, und Wildbret, und dreierlei Wein dazu - und zum Nachtisch gab's Zuckerzeug, alles auf Packpferden mitgeführt, in mächtigen Tragkörben.
Wie nun der Kurfürst, auch er noch ein junger Mann damals - wie er mit seinen Damen und Herren zu Ende gespeist hat, stößt er zum Zeichen, daß er nun satt und zufrieden ist, einen lauten Rülpser aus. Dann meint er, es sei ihm nach dieser Mahlzeit im Freien so wohl zumute, daß er sich stark fühle wie zwölf Ochsen. Und wie er uns Burschen hinter den Büschen stehen und glotzen sieht, schreit er uns zu, daß ihm jemand ein Hufeisen bringen soll, aber rasch, sonst zerreißt es ihn noch vor Kraft!
Nun wußten wir ja, daß der Kurfürst es angeblich fertigbrachte, ein Hufeisen mit den Fäusten entzweizubrechen, kricks-kracks in der Mitte durch. Wir konnten uns also denken, wozu er das Eisen haben wollte, und Jirko lief in die Mühle und holte ihm eins aus dem Pferdestall.
>Hier, Euer Allerdurchlauchtigste Gnaden!<
Der Kurfürst packte das Eisen an beiden Enden. Die Jägerburschen, die mit den Pferden und Hunden ein wenig abseits lagerten, waren schon aufgesprungen, sie spitzten die Lippen und setzten die Hörner an - und im Augenblick, wie der Kurfürst das Hufeisen auseinanderbricht, fangen sie an zu blasen, aus voller Lunge, die Backen aufgeplustert wie Orgelbälge. Unterm Geschmetter der Jagdhörner hält der Kurfürst die beiden Hälften des Hufeisens in die Höhe und zeigt sie herum. Dann fragt er die Herren der Jagdgesellschaft, ob einer von ihnen imstande sei, ihm das nachzumachen.
Alle verneinen das, nur unsern Jirko sticht wieder einmal der Hafer. Er tritt vor den Kurfürsten hin und behauptet: >Ich kann, mit Verlaub, was viel Besseres - nämlich das Hufeisen wieder ganzmachen.<
>Das<, meint der Kurfürst, >kann jeder Grobschmied.<
>Mit Blasbalg und Schmiedefeuer<, räumt Jirko ein - >doch schwerlich mit bloßen Händen!<
Er wartet nicht ab, was der Kurfürst erwidert. Er nimmt ihm die beiden Teile des Hufeisens einfach weg. Dann preßt er sie mit den Bruchstellen gegeneinander und spricht eine Formel.
>Zu Gnaden!< sagt er.
Der Kurfürst reißt ihm das Hufeisen aus der Hand, er beguckt sich's von allen Seiten: das Eisen ist heil und ganz, wie aus einem Guß.
>Ach was!< knurrt der Kurfürst. >Er kann Uns nicht weismachen, daß das hält!<
Zum zweitenmal will er das Hufeisen auseinanderbrechen, das kann ja nicht schwer sein, denkt er. Aber da hat er die Rechnung ohne den Jirko gemacht! Er zerrt und zerrt an dem Eisen, daß ihm die Adern am Hals hervortreten, fingerdick. Der Schweiß rinnt ihm von der Stirn, die Augen drohen ihm aus dem Kopf zu fallen. Zuerst wird er rot im Gesicht wie ein Puter, dann veilchenfarben und schließlich dunkelblau. Seine Lippen sind weiß vor Anstrengung, weiß und schmal wie zwei Kreidestriche.
Dann, plötzlich, läßt der Herr Kurfürst das Eisen fallen. Quittengelb ist er nun vor Zorn.
>Die Pferde!< befiehlt er, >wir reiten!< Er ist aber kaum in den Sattel gekommen, so schwach ist er auf den Beinen gewesen, der Allerdurchlauchtigste. Und um die Mühle dort, in der Nähe von Coswig, hat er seitdem einen großen Bogen gemacht.«
Der Meister trank, und der Meister erzählte: aus seiner Burschenzeit und von Jirko, vor allem von ihm. Bis Michal ihn fragte, was denn aus diesem Jirko geworden sei; da war es schon spät, und die Sterne standen am Himmel, und hinter dem Giebel des Pferdestalls kam der Mond herauf.
»Aus Jirko?« Der Meister umfaßte mit beiden Händen den Weinkrug. - »Den hab ich umgebracht.«
Die Burschen riß es von ihren Bänken hoch.
»Ja«, wiederholte der Meister. »Ich hab ihn umgebracht - und ich werde euch eines Tages erzählen, wie es dazu gekommen ist. Jetzt aber bin ich durstig - drum Wein her, Wein her!«
Der Meister betrank sich, ohne ein weiteres Wort zu sagen, bis er in seinen Lehnstuhl zurückfiel, starr wie ein Toter.
Es grauste die Burschen bei seinem Anblick. Sie brachten es nicht über sich, ihn ins Haus zu tragen, und ließen ihn draußen sitzen, bis er am anderen Morgen von selbst erwachte und sich zu Bett schlich.
Hahnenkampf
Bisweilen geschah es, daß wandernde Müllerburschen zur Mühle im Koselbruch kamen und, wie es Brauch und ihr gutes Recht war, den Müller um Wegzehrung und Quartier baten. Damit hatten sie aber beim Meister am Schwarzen Wasser kein Glück; denn obgleich er dazu verpflichtet gewesen wäre, den reisenden Knappen für einen Tag Kost und Herberge für die Nacht zu gewähren, hielt er sich nicht an den Zunftgebrauch, sondern wies sie mit höhnischen Reden ab. Er wolle mit Tagedieben und streunendem Pack nichts zu tun haben, fuhr er sie an, für derlei Gesindel habe er weder Brot im Kasten noch Brei im Topf: sie sollten sich auf der Stelle zum Kuckuck scheren, sonst werde er sie mit Hunden bis nach Schwarzkollm hetzen.
Dies genügte zumeist, um die Wandergesellen loszuwerden. Falls aber einer aufmuckte, wußte der Müller es einzurichten, daß sich der arme Teufel sogleich von Hunden gehetzt glaubte, wild mit dem Wanderstecken um sich schlug und schreiend das Weite suchte.
»Wir brauchen hier keine Schnüffler«, pflegte der Meister zu sagen, »und unnütze Fresser auch nicht.«
Im Hochsommer war es, an einem schwülen, bleiernen Tag. Dunstschleier hingen über dem Koselbruch, die Luft war so zäh, daß das Atmen schwerfiel. Vom Mühlgraben ging ein strenger Geruch aus, nach Algen und Faulschlamm: bald würde es ein Gewitter geben.
Krabat hatte sich's nach dem Mittagessen im Schatten der Weidenbüsche am Ufer des Mühlenweihers bequem gemacht. Die Hände im Nacken verschränkt, lag er rücklings im Gras und kaute auf einem Halm. Er war matt und schläfrig, ihm fielen die Augen zu.
Mitten im Eindösen hörte er jemand mit lautem Gepfeife des Weges kommen. Als er die Augen öffnete, stand ein Wanderbursche vor ihm.
Der Fremde, ein langer und dürrer, schon etwas älterer Mensch von zigeunerhaft dunkler Hautfarbe, trug einen hohen, merkwürdig spitzen Hut und im linken Ohrläppchen einen schmalen Goldring. Sonst war er wie alle wandernden Müllerburschen gekleidet, mit weiten Leinenhosen, ein Handbeil im Gürtel, das Reisebündel am Riemen über der linken Schulter. »Zum Gruß, Bruder!« rief er.
»Zum Gruß«, sagte Krabat gähnend. »Woher, wohin?«
»Von dorther nach dahin«, meinte der Fremde. »Bring mich zu deinem Müller!«
»Der sitzt in der Meisterstube«, erwiderte Krabat träge. »Gleich links, wenn du in den Flur kommst, die erste Tür: sie ist nicht zu verfehlen.«
Der Fremde betrachtete Krabat mit spöttischem Lächeln.
»Tu, was ich sage, Bruder, und führe mich hin zu ihm!«
Krabat spürte, daß eine gewaltige Kraft von dem Fremden ausging. Sie zwang ihn, sich zu erheben und ihm den Weg zu weisen, wie er's von ihm verlangt hatte.
Der Müller saß in der Meisterstube, am oberen Ende des Tisches. Unwillig blickte er auf, als Krabat den fremden Burschen hereinführte; den aber schien das nicht weiter anzufechten.
»Mit Gunst!« rief er, seinen Hut lüpfend. »Ich entbiete dir, Meister, den Gruß und erheische nach Zunftgebrauch Wegzehrung und Quartier für die Nacht.«