Der Meister wies ihm mit seinen üblichen Redensarten die Tür, der Fremde scherte sich nicht darum.
»Das mit den Hunden«, sagte er, »kannst du dir sparen - ich weiß, daß du keine hast. Du erlaubst doch?«
Er setzte sich ohne weitere Umstände auf den Stuhl, der am unteren Ende des Tisches stand. Krabat begriff die Welt nicht mehr. Wie konnte der Meister sich das gefallen lassen! Er hätte doch aufspringen, hätte den Fremden davonjagen müssen, ihn notfalls zur Mühle hinausprügeln ... Warum tat er nichts?
Wortlos saßen die beiden Männer sich gegenüber und starrten sich über den Tisch weg an, voller Ingrimm, als wollten sie jeden Augenblick mit gezücktem Messer dem anderen an die Kehle.
Draußen grollte der erste Donner: weit weg noch, ein dumpfes Gemurmel, kaum wahrnehmbar.
Da kam Hanzo zur Tür herein, dann Michal, dann Merten. Ein Müllerbursch um den andern betrat die Meisterstube, bis alle versammelt waren. Sie hätten mit einemmal das Verlangen gehabt, nach dem Meister zu sehen, sagten sie später - ganz zufällig hatte es jeden gepackt und hierher geführt...
Das Gewitter kam näher, ein Windstoß machte die Fenster klirren, ein Blitz zuckte auf. Der Fremde spitzte die Lippen, dann spuckte er auf den Tisch. An der Stelle, wohin er gespuckt hatte, saß eine rote Maus.
»Jetzt, Müller, spuck du dagegen an!«
Der Meister spie eine schwarze Maus auf den Tisch, sie war einäugig wie er selbst. Die Mäuse umkreisten einander auf flinken Pfoten, eine versuchte die andere in den Schwanz zu beißen: die rote die schwarze, die schwarze die rote. Schon setzte die schwarze zum Biß an - da schnalzte der fremde Bursch mit den Fingern.
Dort, wo die rote Maus sich geduckt hatte, duckte sich nun ein roter Kater, zum Sprung bereit. Augenblicklich verwandelte auch die schwarze Maus sich in einen Kater, schwarz und einäugig. Fauchend, mit drohend gezückten Krallen gingen die zwei aufeinander los. Tatzenhieb, Biß und Tatzenhieb!
Der rote Kater hatte es auf das eine Auge des schwarzen abgesehen. Kreischend stürzte er auf ihn zu. Es fehlte nicht viel, da hätte er ihm das Auge ausgekratzt.
Diesmal war es der Meister, der mit den Fingern schnalzte. Da saß an der Stelle des schwarzen Katers plötzlich ein schwarzer Gockel. Flügelschlagend, mit Schnabel und Klauen wütend um sich hackend, griff er an, daß der rote Kater entsetzt zurückwich - aber nicht weit, denn nun schnalzte der Müllerbursch mit den Fingern.
Zwei Hähne, ein schwarzer, ein roter, standen sich auf dem Tisch gegenüber, den Kamm geschwollen, die Federn gesträubt.
Draußen ging das Gewitter nieder, die Mühlknappen achteten nicht darauf. Zwischen den Gockeln entbrannte ein wilder Kampf. Jäh aufflatternd, prallten sie gegeneinander. Es hagelte Schnabelhiebe und Sporenschläge auf beiden Seiten, sie setzten sich mit den Flügeln zur Wehr, daß die Federn stoben, sie schrien, sie kreischten.
Schließlich gelang es dem roten Gockel, sich auf den Rücken des schwarzen zu schwingen. Er krallte sich im Gefieder des Gegners fest, er rupfte ihn unbarmherzig, er hackte in blinder Wut mit dem Schnabel zu - bis der Schwarze die Flucht ergriff.
Der rote Gockel verfolgte ihn durch die halbe Mühle, er jagte ihn in den Koselbruch.
Ein letzter, gewaltiger Blitz flammte auf, dann ein Donner wie tausend Paukenschläge - und Stille für diesmal, und nur noch der Regen, der vor den Fenstern niederrauschte.
»Du hast«, sprach der fremde Bursche, »den Zweikampf verloren, Müller am Schwarzen Wasser. Nun rasch, ich bin hungrig - trag mir zu essen auf und vergiß auch den Wein nicht!«
Der Meister, kalkweiß im Gesicht, erhob sich aus seinem Sessel. Eigenhändig trug er dem fremden Wandergesellen Brot und Schinken auf, Rauchfleisch und Käse, Gurken und Essigzwiebeln. Dann brachte er aus dem Keller einen Krug Rotwein herauf.
»Zu sauer«, meinte der Fremde, nachdem er davon gekostet hatte.
»Hol mir was aus dem kleinen Faß, das rechts hinten im Eck steht! Du hast es dir für besondere Anlässe aufgehoben - dies ist ein besonderer Anlaß.«
Der Meister fügte sich zähneknirschend. Er hatte den Zweikampf verloren, er mußte kuschen.
Der Fremde verzehrte in aller Ruhe das Mahl, der Meister und die Gesellen schauten ihm dabei zu. Sie standen wie angewurzelt an ihren Plätzen und kamen mit ihren Blicken nicht los von ihm. Endlich schob er den Teller weg, wischte sich mit dem Ärmel die Lippen und meinte:
»Ah, das hat gut geschmeckt - und schön reichlich ist's auch gewesen ... Zum Wohlsein, Brüder!« Er schwenkte den Becher und trank den Gesellen zu. »Du aber«, riet er dem Meister, »solltest in Zukunft genauer hinsehen, ehe du einem Fremden die Tür weist - das laß dir von Pumphutt gesagt sein!«
Damit erhob er sich, griff nach Handbeil und Reisebündel und ging aus der Mühle. Krabat und die Gesellen drängten ihm nach, den Meister allein zurücklassend.
Draußen hatte sich das Gewitter verzogen, die Sonne stand über dem dampfenden Koselbruch, die Luft schmeckte frisch wie Brunnenwasser.
Pumphutt ging seines Weges, ohne sich umzublicken. Quer durch die nassen Wiesen schritt er dem Wald zu und pfiff sich eins. Ein paarmal blinkte sein goldener Ohrring auf in der Sonne.
»Hab ich's euch nicht gesagt?« meinte Andrusch. »Wer es mit Pumphutt zu tun kriegt, merkt immer erst hinterher, daß es ihm besser bekommen wäre, hätte er's gleich gemerkt...«
Drei Tage und Nächte lang schloß der Müller sich in der Schwarzen Kammer ein. Die Mühlknappen schlichen auf Zehenspitzen durchs Haus.
Sie waren dabeigewesen, als Pumphutt den Meister im Zauberkampf überwunden hatte; sie konnten sich ausrechnen, daß ihnen schlechte Zeiten bevorstanden.
Am Abend des vierten Tages war es soweit. Der Meister erschien unterm Abendbrot in der Gesindestube und holte sie von den Schüsseln weg. »An die Arbeit!« Er mußte getrunken haben, sie rochen es gegen den Wind. Hohlwangig stand er vor ihnen, bleich wie der Tod, das Gesicht voll Bartstoppeln.
»Seid ihr noch nicht in der Mahlstube, muß ich euch Beine machen? Los, laßt die Mühle anlaufen, schüttet Korn auf! Wir mahlen auf allen Gängen - und wehe euch, wenn mir einer trödelt!«
Die ganze Nacht lang mußten die Burschen sich in der Mühle abrackern. Unbarmherzig trieb sie der Meister zur Eile an. Schreiend und fluchend jagte er sie umher, stieß Verwünschungen aus, drohte Strafen an, ließ sie kaum zur Besinnung kommen. Es gab keine Pause während der ganzen Nacht, keinen Augenblick zum Verschnaufen.
Als endlich der Morgen graute, waren die Burschen zum Umfallen müde. Sie kamen sich vor, als habe man ihnen die Knochen im Leib mit Knüppeln zerschlagen, und keiner, der nicht nach Atem rang. Der Meister schickte sie auf die Pritschen, sie sollten sich ausruhen.
Tagsüber ließ er sie völlig in Frieden, aber am Abend fing alles wieder von vorne an. So ging das nun Nacht für Nacht. Wenn es dunkelte, trieb der Meister sie in die Mahlstube, und dann mußten sie schuften, beschimpft und verhöhnt und herumgehetzt bis zum Morgengrauen des neuen Tages.
Nur in den Nächten von Freitag auf Samstag brauchten sie nicht zu arbeiten, weil der Unterricht an den Freitagabenden weiterhin stattfand.
Bloß waren die Burschen so müde, daß sie sich, wenn sie in Rabengestalt auf der Stange hockten, kaum wachzuhalten vermochten, und manche schliefen sogar vor Erschöpfung ein.
Der Meister scherte sich nicht darum. Was und wieviel sie lernten, war ihre Sache. Nur einmal, als Witko im Schlaf von der Stange plumpste, konnte er nicht umhin, ihn zu tadeln.
Von allen Burschen war Witko am schlimmsten dran, weil er noch im Wachsen war. Ihm setzte die nächtliche Arbeit am meisten zu. Michal und Merten versuchten zwar, sich des Jungen anzunehmen; auch Hanzo,