Wenn sie kommt, ist es gut - und wenn nicht, ist es auch gut: dann soll es mir gleichgültig sein, was mit mir geschieht.«
Er gab Juro den Ring und umarmte ihn.
»Du versprichst mir, es recht zu machen? Und daß du die Kantorka nicht überreden wirst, etwas zu tun, was sie lieber nicht täte?«
»Das verspreche ich«, sagte Juro.
Ein Rabe, im Schnabel den Ring von Haar, trat den Flug nach Schwarzkollm an. Krabat ging in den Schuppen. Stand da ein Sarg in der Ecke? Er schulterte Hacke und Spaten, dann stapfte er durch den Schnee in den Koselbruch, bis er zum Wüsten Plan kam.
Er fand eine Stelle, die sich als dunkles Geviert von der weißen Umgebung abhob.
War sie für ihn bestimmt - oder war es das Grab des Meisters, den sie bezeichnete?
»Morgen um diese Zeit«, dachte Krabat, den Spaten ansetzend, »wird das alles entschieden sein.«
Anderntags nach dem Frühstück nahm Juro den Freund beiseite und gab ihm den Ring zurück. Er habe das Mädchen gesprochen, alles sei abgemacht.
Gegen Abend, es wollte schon dunkeln, fand sich die Kantorka auf der Mühle ein, in der Abendmahlstracht mit dem weißen Stirnband. Hanzo empfing sie und fragte nach ihrem Begehr, sie verlangte den Müller zu sprechen.
»Der Müller bin ich.«
Die Burschen beiseite schiebend, trat ihr der Meister entgegen, in schwarzem Mantel und Dreispitz, bleich im Gesicht, wie mit Kalk bestrichen. »Was willst du?«
Die Kantorka blickte ihn furchtlos an.
»Gib mir«, begehrte sie, »meinen Burschen heraus!«
»Deinen Burschen?« Der Müller lachte. Es hörte sich an wie ein böses Meckern, ein Bocksgelächter. »Ich kenne ihn nicht.«
»Es ist Krabat«, sagte die Kantorka, »den ich liebhabe.«
»Krabat?« Der Meister versuchte sie einzuschüchtern. »Kennst du ihn überhaupt? Bist du fähig, ihn unter den Burschen herauszufinden?«
»Ich kenne ihn«, sagte die Kantorka.
»Das kann jede sagen!«
Der Meister wandte sich den Gesellen zu.
»Geht in die Schwarze Kammer und stellt euch in einer Reihe auf, nebeneinander, und rührt euch nicht!«
Krabat erwartete, daß sie sich nun in Raben verwandeln müßten. Er stand zwischen Andrusch und Staschko.
»Bleibt, wo ihr seid - und daß keiner mir einen Mucks macht! Auch du nicht, Krabat! Beim ersten Laut, den ich von dir höre, stirbt sie!«
Der Meister zog aus der Manteltasche ein schwarzes Tuch, das band er der Kantorka vor die Augen, dann führte er sie herein.
»Wenn du mir deinen Burschen zeigen kannst, darfst du ihn mitnehmen.«
Krabat erschrak, damit hatte er nicht gerechnet. Wie sollte er nun dem Mädchen helfen? Da nützte ihm auch der Ring von Haar nichts!
Die Kantorka schritt die Reihe der Burschen ab, einmal und zweimal. Krabat vermochte sich kaum auf den Beinen zu halten. Sein Leben, das spürte er, war verwirkt. Und das Leben der Kantorka!
Angst übermannte ihn - Angst, wie er nie zuvor sie gespürt hatte. »Ich bin schuld, daß sie sterben muß«, ging es ihm durch den Kopf. »Ich bin schuld daran ...«
Da geschah es.
Die Kantorka, dreimal war sie die Reihe der Burschen entlanggeschritten, streckte die Hand aus und zeigte auf Krabat.
»Der ist es«, sagte sie.
»Bist du sicher?«
»Ja.«
Damit war alles entschieden.
Sie knüpfte das Tuch von den Augen, dann trat sie auf Krabat zu.
»Du bist frei.«
Der Meister taumelte gegen die Wand zurück. Die Burschen standen an ihren Plätzen, zu Eis erstarrt.
»Holt eure Sachen vom Boden - und geht nach Schwarzkollm!« sagte Juro. »Ihr könnt in der Scholtisei auf dem Heuboden übernachten.«
Da schlichen die Mühlknappen aus der Kammer.
Der Meister, sie wußten es alle, würde den Neujahrstag nicht erleben. Um Mitternacht mußte er sterben, dann würde die Mühle in Flammen aufgehen.
Merten mit seinem schiefen Hals drückte Krabat die Hand. »Nun sind Michal und Tonda gerächt — und die anderen auch.«
Krabat war außerstande, ein Wort zu sagen: er war wie versteinert. Da legte die Kantorka ihm den Arm um die Schulter und hüllte ihn in ihr wollenes Umtuch ein. Warm war es, weich und warm, wie ein Schutzmantel.
»Gehen wir, Krabat.«
Er ließ sich von ihr aus der Mühle führen, sie führte ihn durch den Koselbruch nach Schwarzkollm hinüber.
»Wie hast du mich«, fragte er, als sie die Lichter des Dorfes zwischen den Stämmen aufblinken sahen, hier eines, da eins - »wie hast du mich unter den Mitgesellen herausgefunden?«
»Ich habe gespürt, daß du Angst hattest«, sagte sie, »Angst um mich: daran habe ich dich erkannt.«
Während sie auf die Häuser zuschritten, fing es zu schneien an, leicht und in feinen Flocken, wie Mehl, das aus einem großen Sieb auf sie niederfiel.