»Perry, Sie werden die Delegation führen«, sagte Crick. »Da Sie es waren, der achttausend von den Mistkäfern getötet hat, haben Sie in ihren Augen die höchste Stellung. Außerdem sind Sie hier der einzige Nichtangehörige der Spezialeinheit, und Ihnen fehlen die erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit und modifizierte Kampfkraft, über die alle anderen verfügen. Falls Sie ausgewählt werden sollten, könnte es sein, dass Sie tatsächlich verlieren.«
»Ich bin gerührt, wie sehr Sie sich um mich sorgen«, sagte ich.
»Darum geht es nicht«, sagte Crick. »Wenn unser großer Star von einem ordinären Verbrecher getötet wird, könnte das unsere Chancen gefährden, die Consu zu einer Kooperation zu bewegen.«
»Okay«, sagte ich. »Eine Sekunde lang bin ich der Illusion aufgesessen, Sie könnten weich geworden sein.«
»Blödsinn«, sagte Crick und schüttelte den Kopf. »Uns bleiben noch dreiundvierzig Stunden, bis wir die Skip-Distanz erreicht haben. Unsere Delegation wird aus vierzig Personen bestehen, einschließlich aller Truppführer. Ich werde die übrigen Teilnehmer aussuchen. Das bedeutet, dass Sie zwischen jetzt und dann Ihre Soldaten im Nahkampf trainieren werden. Perry, ich habe Ihnen das Delegationsprotokoll überspielt. Gehen Sie es genau durch, und verpatzen Sie nichts. Kurz nach dem Skip werden wir beide uns treffen, damit ich Ihnen die Fragen geben kann, die wir stellen wollen, und die Reihenfolge, in der wir sie stellen sollten. Wenn wir gut sind, haben wir fünf Fragen, aber wir müssen auf den Fall vorbereitet sein, dass es weniger sind. Und jetzt an die Arbeit, Leute. Sie sind entlassen.«
Während der dreiundvierzig Stunden erzählte ich Jane alles über Kathy. Jane kam immer wieder kurz zu mir, fragte, hörte zu und verschwand wieder, um ihren Pflichten nachzugehen. Es war eine seltsame Methode, sehr persönliche Informationen weiterzugeben.
»Erzähl mir von ihr«, forderte sie mich auf, als ich auf einem Aussichtsdeck das Protokoll studierte.
»Wir haben uns schon in der ersten Klasse kennengelernt«, sagte ich und musste ihr dann das Klassensystem erklären. Ich erzählte ihr von meiner frühesten Erinnerung an Kathy. Im Kunstunterricht, der für die ersten und zweiten Klassen gemeinsam veranstaltet wurde, hatte ich mir für eine Papierkonstruktion Klebstoff von ihr geborgt. Sie erwischte mich, als ich ein bisschen vom Klebstoff aß, und sagte mir, dass ich ein widerlicher Typ sei. Dafür schlug ich sie, worauf sie mir einen Faustschlag aufs Auge verpasste. Sie wurde einen Tag lang vom Schulbesuch ausgeschlossen. Wir sprachen erst in der Mittelstufe wieder miteinander.
»Wie alt ist man in der ersten Klasse?«, fragte sie.
»Sechs Jahre«, sagte ich. »Genauso wie du jetzt.«
»Erzähl mir mehr über sie«, forderte sie mich ein paar Stunden später an einem ganz anderen Ort auf.
»Einmal hätte Kathy sich fast von mir scheiden lassen«, sagte ich. »Wir waren seit zehn Jahren verheiratet, und ich hatte eine Affäre mit einer anderen Frau. Als Kathy davon erfuhr, hat sie sich furchtbar aufgeregt.«
»Warum hat es sie gestört, dass du mit jemand anderem Sex hattest?«, wollte Jane wissen.
»Es ging eigentlich gar nicht um den Sex«, sagte ich. »Sondern darum, dass ich sie belogen hatte. Für sie war ein Seitensprung nicht mehr als eine hormonelle Schwäche. Lügen jedoch fiel unter Respektlosigkeit, und sie wollte nicht mit jemandem verheiratet sein, der keinen Respekt vor ihr hatte.«
»Warum habt ihr euch nicht scheiden lassen?«
»Weil ich sie trotz der Affäre liebte und sie mich auch«, sagte ich. »Wir haben uns wieder vertragen, weil wir zusammenbleiben wollten. Außerdem hatte sie ein paar Jahre später selber eine Affäre, sodass wir am Ende wohl quitt waren. Danach kamen wir sogar besser miteinander zurecht.«
»Erzähl mir von ihr«, bat mich Jane, wieder ein paar Stunden später.
»Kathys Obsttorten waren einfach unglaublich«, sagte ich. »Sie hatte ein Rezept für eine Erdbeer-Rhabarber-Torte, die einen einfach umhaute. Irgendwann gab es einen großen Tortenbackwettbewerb, bei dem der Gouverneur von Ohio der Schiedsrichter war. Der erste Preis war ein nagelneuer Backofen.«
»Hat sie gewonnen?«
»Nein, sie wurde Zweite, wofür es einen Hundert-Dollar-Geschenkgutschein für ein Möbelhaus gab. Aber eine Woche später rief das Büro des Gouverneurs an. Sein Assistent erklärte Kathy, dass er den Preis aus politischen Gründen der Frau des besten Freundes eines wichtigen Sponsors geben musste. Aber seit der Gouverneur ein Stück von Kathys Torte gegessen hatte, sprach er pausenlos davon, wie gut sie gewesen war. Ob sie bitte eine Torte für ihn backen könnte, damit er endlich Ruhe gab?«
»Erzähl von ihr«, sagte Jane.
»Es war im ersten Jahr an der Highschool, als mir zum ersten Mal klar wurde, dass ich mich in sie verliebt hatte«, sagte ich. »An unserer Schule sollte Romeo und Julia inszeniert werden, und sie bekam die Rolle der Julia. Ich war Regieassistent, was die meiste Zeit darauf hinauslief, dass ich Kulissen bauen und Kaffee für Mrs. Amos holen musste, die Lehrerin, die die Regie übernommen hatte. Doch als Kathy leichte Schwierigkeiten hatte, ihren Text zu behalten, wurde ich von Mrs. Amos beauftragt, mit ihr zu üben. Also gingen Kathy und ich in den nächsten zwei Wochen nach den Proben zu ihr nach Hause und arbeiteten an ihrer Rolle, obwohl wir die meiste Zeit über andere Dinge redeten, wie es Jugendliche halt machen. Zu dieser Zeit war das alles noch sehr unschuldig. Dann kamen die Kostümproben für das Stück, und ich hörte, wie Kathy all diese wunderbaren Worte zu Jeff Greene sagte, der den Romeo spielte. Ich wurde furchtbar eifersüchtig. Eigentlich sollte sie diese Worte zu mir sagen.«
»Was hast du getan?«, fragte Jane.
»Ich war die ganze Zeit frustriert, während das Stück gespielt wurde, vier Aufführungen von Freitagabend bis Sonntagnachmittag, und ich gab mir alle Mühe, Kathy aus dem Weg zu gehen. Dann, auf der Abschlussparty am Sonntagabend, kam Judy Jones zu mir, die Julias Amme gespielt hatte, und sagte, dass Kathy vor dem Lieferanteneingang der Cafeteria hockte und sich die Augen ausheulte. Sie dachte, ich könnte sie nicht mehr ausstehen, weil ich während der ganzen vier Tage kein Wort mit ihr geredet hatte. Judy sagte, wenn ich nicht sofort zu ihr gehen und ihr sagen würde, dass ich sie liebe, würde sie eine Schaufel suchen und mich damit totprügeln.«
»Woher wusste sie, dass du in Kathy verliebt warst?«, fragte Jane.
»Wenn man sich als Jugendlicher verliebt, ist es für jeden offensichtlich, außer einem selbst und dem Menschen, den man liebt. Frag mich nicht, warum das so ist. Es ist einfach so. Also ging ich zum Lieferanteneingang und sah Kathy dort sitzen. Ihre Beine baumelten von der Laderampe. Es war Vollmond, der genau auf ihr Gesicht schien, und ich glaube, sie war für mich niemals schöner als in dieser Nacht. Und mir ging das Herz über, weil ich wusste, mit absoluter Sicherheit wusste, dass ich sie so sehr liebte, dass ich ihr niemals sagen konnte, wie sehr ich sie begehrte.«
»Was hast du gemacht?«, fragte Jane.
»Geschummelt«, sagte ich. »Denn zufällig hatte ich immer noch längere Passagen aus Romeo und Julia im Kopf. Ich ging also über die Laderampe zu ihr und trug ihr Akt zwei, Szene zwei vor. ›Doch still, was schimmert durch das Fenster dort? Es ist der Ost, und Julia die Sonne!◦– Geh auf, du holde Sonn!‹ und so weiter. Vorher hatte ich die Worte nur auswendig gelernt, aber in diesem Moment spürte ich, was sie wirklich bedeuteten. Und nachdem ich zu Ende gesprochen hatte, ging ich zu ihr und küsste sie zum ersten Mal. Sie war fünfzehn, ich war sechzehn, und ich wusste, dass ich sie heiraten und mein Leben mit ihr verbringen würde.«