»Haben die Consu den Rraey die nötige Technik zur Verfügung gestellt, um eintreffende Skip-Schiffe orten zu können?«, fragte ich.
»Ja«, antwortete der Botschafter, ohne diesen Punkt weiter auszuführen. Aber das war in Ordnung. Wir hatten ohnehin nicht damit gerechnet, dass die Consu uns mehr erzählen würden, als sie mussten. Aber dieses »Ja« beantwortete gleichzeitig mehrere andere Fragen. Wenn die Rraey die Technik von den Consu bekommen hatten, war es sehr unwahrscheinlich, dass sie das Funktionsprinzip verstanden hatten. Also mussten wir uns keine Sorgen machen, dass sie dieses technische Know-how anderen Spezies zur Verfügung stellten.
»Wie viele Geräte zur Ortung von Skip-Schiffen besitzen die Rraey?« Ursprünglich hatten wir überlegt, ob wir fragen sollten, wie viele davon die Consu den Rraey geliefert hatten, aber für den Fall, dass sie inzwischen weitere hergestellt hatten, wäre es besser, die Frage allgemeiner zu stellen.
»Eins«, sagte der Botschafter.
»Wie viele andere Völker, die den Menschen bekannt sind, besitzen die Fähigkeit, Skip-Schiffe zu orten?« Unsere dritte wichtige Frage. Wir gingen davon aus, dass die Consu viel mehr Spezies kannten als wir, also wäre eine allgemeinere Frage, wie viele Spezies diese Technik besaßen, ohne Nutzen für uns gewesen. Genauso wäre es mit der Frage gewesen, wem sonst sie diese Technik zur Verfügung gestellt hatten, da irgendein anderes Volk sie aus eigener Kraft entwickelt haben konnte. Nicht jede Technik stammt ursprünglich von einer weiter fortgeschrittenen Spezies. Gelegentlich kommen Intelligenzwesen von allein auf solche Dinge.
»Keins«, sagte der Botschafter. Ein weiterer Glückstreffer für uns. Zumindest gab uns das etwas Zeit, uns zu überlegen, wie wir das Problem lösen konnten.
»Wir haben noch eine weitere Frage«, sagte Jane und gab mir ein Zeichen, dass ich mich wieder dem Botschafter zuwenden sollte, der geduldig auf meine letzte Frage wartete. Also dachte ich mir: Was soll’s?
»Die Consu könnten die meisten Spezies in diesem Teil der Galaxis auslöschen«, sagte ich. »Warum tun sie es nicht?«
»Weil wir Sie lieben«, sagte der Botschafter.
»Wie bitte?« Genau genommen wäre das eine fünfte Frage gewesen, die der Consu nicht mehr hätte beantworten müssen. Aber er tat es trotzdem.
»Wir verehren alles Leben, das das Potenzial zum Ungkat besitzt.« Wie er dieses Fremdwort aussprach, klang es wie eine Stoßstange, die an einer Mauer entlangschrammt. »Das ist die Teilnahme am großen Zyklus der Wiedergeburt. Wir sorgen uns um Sie, wir segnen Ihre Planeten, damit alle, die dort wohnen, im Zyklus wiedergeboren werden können. Wir empfinden es als unsere Pflicht, Ihr Wachstum zu befördern. Die Rraey glauben, wir hätten ihnen die Technik, nach der Sie fragten, zur Verfügung gestellt, weil sie uns dafür einen ihrer Planeten gegeben haben, aber das ist nicht der Fall. Wir haben die Chance erkannt, Ihre beiden Spezies der Vollkommenheit ein Stück näher zu bringen, und zu unserer Freude ist es uns gelungen.«
Der Botschafter entfaltete die Sensenarme, und wir sahen seine sekundären Arme mit den geöffneten Händen, die er uns in einer fast flehenden Geste entgegenhielt. »Die Zukunft, in der Ihr Volk würdig ist, sich uns anzuschließen, ist jetzt viel näher. Heute sind Sie noch unrein, und wir müssen Sie verachten, während wir Sie gleichzeitig lieben. Aber trösten Sie sich mit der Gewissheit, dass die Erlösung eines Tages kommen wird. Ich selbst gehe jetzt in den Tod, denn ich bin unrein, weil ich in Ihrer Sprache zu Ihnen geredet habe, aber mir ist ein Platz im Zyklus garantiert, weil ich Ihr Volk auf dem großen Rad ein Stück weitergebracht habe. Ich verachte Sie und ich liebe Sie, die Sie gleichzeitig meine Verdamnis und meine Erlösung sind. Gehen Sie jetzt, damit wir diesen Ort vernichten können, und feiern Sie Ihre Weiterentwicklung. Gehen Sie.«
»Das gefällt mir nicht«, sagte Lieutenant Tagore bei unserer nächsten Besprechung, als meine Begleiter und ich unsere Erlebnisse berichtet hatten. »Das gefällt mir ganz und gar nicht. Die Consu haben den Rraey diese Technik nur deshalb zur Verfügung gestellt, damit sie uns fertigmachen können. Das hat die verdammte Wanze selbst gesagt. Sie lassen uns wie Marionetten herumtanzen. Vielleicht stecken sie den Rraey sogar, dass wir zu ihnen unterwegs sind.«
»Das wäre redundant«, sagte Captain Jung, »wenn man bedenkt, dass sie einen Skip-Detektor besitzen.«
»Sie wissen genau, was ich meine«, gab Tagore zurück. »Die Consu sind nicht nett zu uns, weil sie ganz klar wollen, dass wir und die Rraey gegeneinander kämpfen, damit wir uns zu irgendeinem kosmischen Level ›weiterentwickeln‹, was auch immer das bedeuten soll.«
»Die Consu wären sowieso nie nett zu uns gewesen, also müssen wir uns nicht weiter den Kopf über sie zerbrechen«, sagte Major Crick. »Wir können weiter nach Plan vorgehen, aber vergessen Sie nicht, dass die Pläne der Consu sich zufällig bis zu einem gewissen Punkt mit unseren decken. Und ich glaube, dass es den Consu scheißegal ist, ob wir oder die Rraey den Sieg davontragen. Also wollen wir uns jetzt auf das konzentrieren, was wir tun werden, statt auf das, was die Consu tun werden.«
Mein BrainPal aktivierte sich. Crick hatte eine Grafik von Coral und der Heimatwelt der Rraey geschickt. »Die Tatsache, dass die Rraey geborgte Technik benutzen, bedeutet für uns, dass wir eine Chance haben, ihnen einen schweren Schlag versetzen zu können, sowohl auf Coral als auch auf ihrer Heimatwelt. Während wir mit den Consu geplaudert haben, hat die KVA ihre Schiffe auf Skip-Distanz gebracht. Auf unserer Seite stehen sechshundert Schiffe bereit◦– fast ein Drittel unserer Streitkräfte. Wenn die KVA von uns hört, beginnt der Countdown für den gleichzeitigen Angriff auf Coral und die Rraey-Heimatwelt. Es geht darum, Coral zurückzuerobern und potenzielle Verstärkungstruppen zu binden. Wenn wir ihre Heimatwelt treffen, werden wir dort einerseits ihre Schiffe vernichten und die Rraey-Einheiten in anderen System zwingen, sich zu entscheiden, ob für sie Coral oder die Rraey-Heimatwelt höhere Priorität besitzt. Beide Angriffe haben ein gemeinsames Zieclass="underline" Wir wollen ihnen die Fähigkeit nehmen, unsere Ankunft im Voraus zu erkennen. Das bedeutet, dass wir ihre Beobachtungsstation einnehmen und ausschalten◦– aber ohne sie zu zerstören! Die Technologie, die dieser Station zugrunde liegt, ist für die KVA von großem Nutzen. Die Rraey mögen nicht in der Lage sein, die Funktionsweise des Detektors zu rekonstruieren, aber wir besitzen die dazu nötigen technischen Voraussetzungen. Wir sprengen die Station nur dann in die Luft, wenn uns wirklich keine andere Wahl bleibt. Wir werden die Station einnehmen und halten, bis wir Verstärkungstruppen auf die Oberfläche gebracht haben.«
»Wie lange wird das dauern?«, fragte Jung.
»Die Simultanangriffe sind so koordiniert, dass sie vier Stunden nach unserem Eintreffen im Coral-System beginnen«, sagte Crick. »Je nach dem, wie heftig die Raumschlacht verläuft, können wir nach ein paar Stunden mit der Landung der Verstärkungstruppen rechnen.«
»Vier Stunden, nachdem wir im Coral-System eingetroffen sind?«, fragte Jung nach. »Nicht, nachdem wir die Ortungsstation eingenommen haben?«
»Richtig«, sagte Crick. »Also sollten wir uns verdammte Mühe geben, die Station zu erobern, Leute.«
»Verzeihen Sie bitte«, sagte ich. »Aber ich mache mir Sorgen wegen einer kleinen Einzelheit.«
»Sprechen Sie, Lieutenant Perry«, sagte Crick.
»Der Erfolg der KVA-Offensive hängt davon ab, ob wir die Ortungsstation einnehmen können, die die eintreffenden Schiffe registriert, nicht wahr?«, sagte ich.
»Richtig«, sagte Crick.
»Dabei handelt es sich um dieselbe Ortungsstation, die auch uns orten wird, wenn wir in das Coral-System skippen, nicht wahr?«