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Jane rief Lageberichte von ihren Truppführern ab. Wir hatten den Turm und die nähere Umgebung gesichert. Die Rraey hatten es nicht mehr geschafft, nach dem ersten Angriff ernsthaften Widerstand zu leisten. Unsere Verluste waren minimal, in der gesamten Kompanie war kein einziger Toter zu beklagen. Die anderen Angriffsphasen waren ebenfalls gut gelaufen. Der heftigste Widerstand kam aus dem Kommandozentrum, den unsere Leute nun Raum für Raum durchkämmten und von Rraey säuberten. Jane schickte zwei Trupps hinüber, um die Aufräumarbeiten zu unterstützen. Ein anderer Trupp sollte die Basis des Turms bewachen und zwei weitere die Umgebung sichern.

Und du, sagte sie, während sie mich ansah und auf den Turm zeigte, kletterst da rauf und sagst mir, womit wir es zu tun haben.

Ich blickte zur Spitze des Sendeturms hinauf. Er war etwa 150 Meter hoch und bestand im Prinzip nur aus einem Metallgerüst, das als Stütze für das diente, was sich an der Spitze befand. Das Gebilde stellte die bislang beeindruckendste Leistung der Rraey dar. Vor ihrer Ankunft hatte es den Turm noch nicht gegeben, also mussten sie ihn in kürzester Zeit errichtet haben. Es war nur ein Sendeturm, aber versuchen Sie mal, an nur einem Tag einen Sendeturm zu bauen, und überlegen Sie sich, was dabei rauskommen würde. Am Turm waren Stacheln angebracht, die bis zur Spitze führten. Da sich die Rraey hinsichtlich Körperbau und Größe kaum von Menschen unterschieden, konnte ich sie ohne Schwierigkeiten zum Klettern benutzen. Also machte ich mich auf den Weg.

Oben wehte eine kräftige Brise um den automobilgroßen Komplex aus Antennen und Instrumenten. Ich scannte das Ganze mit Arschlochs Hilfe, der die Bilder mit seiner Datenbank verglich, in der sämtliche uns bekannte Technik der Rraey verzeichnet war. Alles stammte restlos von den Rraey. Die Daten von den Satelliten wurden hier nur empfangen und im Kommandozentrum ausgewertet. Ich hoffte, dass unsere Leute das Kommandozentrum unter ihre Kontrolle bringen konnten, ohne hier unabsichtlich alles in die Luft zu jagen.

Ich gab die Informationen an Jane weiter. Sie teilte mir mit, dass ich möglichst schnell wieder vom Turm runterkommen sollte, weil ich dadurch die Gefahr verringern konnte, von Trümmern erschlagen zu werden. Eine zweite Aufforderung brauchte ich nicht. Sobald ich unten war, rasten Raketen über meinen Kopf hinweg und schlugen genau in den Instrumentenkomplex an der Spitze des Turmes. Die Wucht der Explosion zerriss die Halteseile des Turms, worauf das Gebilde gefährlich ins Schwanken geriet. Jane befahl, die Basis des Turms unter Beschuss zu nehmen, und kurz darauf detonierten Raketen in den Metallträgern. Der Turm kippte und brach mit einem lauten ächzenden Geräusch zusammen.

Im Kommandozentrum hatte der Kampflärm aufgehört, und nun war gelegentlicher Jubel zu hören. Das Gelände war frei von lebenden Rraey. Ich ließ mir von Arschloch die Zeit ansagen. Es waren keine neunzig Minuten vergangen, seit wir die Sparrowhawk verlassen hatten.

»Sie hatten keinen blassen Schimmer, dass wir kommen«, sagte ich zu Jane und war leicht überrascht, den Klang meiner eigenen Stimme zu hören.

Jane sah mich an, nickte und schaute dann wieder zum Turm. »Sie hatten keinen Schimmer. Das war die gute Neuigkeit. Die schlechte Neuigkeit ist, dass sie nun wissen, dass wir hier sind. Das war der leichte Teil. Damit kommen wir jetzt zum schwierigen Teil.«

Sie drehte sich um und attackierte ihre Kompanie mit Befehlen. Wir erwarteten einen Gegenangriff. Einen dicken, fetten Gegenangriff.

»Wärst du gern wieder menschlich?«, fragte mich Jane. Es war am Abend vor der Landung auf Coral. Wir saßen in der Messe und stocherten in unserem Essen herum.

»Wieder?«

»Du weißt, wie ich es meine«, sagte sie. »Wieder mit einem richtigen menschlichen Körper. Ohne künstliche Zusätze.«

»Klar. Ich muss nur noch etwas mehr als acht Jahre Dienstzeit ableisten. Wenn ich dann noch lebe, werde ich mich als Kolonist zur Ruhe setzen.«

»Es würde bedeuten, wieder schwach und langsam zu sein«, sagte Jane mit dem besonderen Taktgefühl, für das die Leute von der Spezialeinheit berühmt waren.

»So schlimm ist es gar nicht«, sagte ich. »Außerdem wird man durch andere Dinge entschädigt. Kinder, zum Beispiel. Oder anderen Individuen begegnen zu können, ohne dass man sie töten muss, weil es sich um außerirdische Feinde der Kolonien handelt.«

»Du würdest wieder alt werden und sterben«, sagte Jane.

»Davon gehe ich aus«, sagte ich. »So ist das Leben. Das hier«◦– ich hob einen grünen Arm◦– »ist nicht der Normalfall, weißt du. Und was das Sterben betrifft, ist die Todesgefahr während meiner Dienstzeit in der KVA deutlich höher als auf einem friedlichen Kolonialplaneten. Rein statistisch dürfte das Leben als unmodifizierter Kolonist angenehmer sein.«

»Du bist noch nicht tot«, sagte Jane.

»Ich scheine Leute um mich zu haben, die gut auf mich aufpassen«, sagte ich. »Wie sieht es mit dir aus? Willst du dich irgendwann in einer Kolonie zur Ruhe setzen?«

»Soldaten der Spezialeinheit setzen sich nicht zur Ruhe«, sagte Jane.

»Du meinst, ihr dürft es nicht?«

»Nein, wir dürften schon«, sagte Jane. »Unsere Dienstzeit beträgt zehn Jahre, genauso wie bei euch, obwohl in unserem Fall keine Aussicht auf eine Verkürzung besteht. Wir setzen uns nicht zur Ruhe, das ist alles.«

»Warum nicht?«

»Wir haben keine Erfahrung damit, etwas anderes zu sein als das, was wir sind«, sagte Jane. »Wir werden geboren, wir kämpfen, das ist unser Job. Und darin sind wir verdammt gut.«

»Hast du nie den Wunsch, irgendwann mit dem Kämpfen aufzuhören?«

»Warum?«

»Zum einen reduziert es dramatisch deine Chance, einen gewaltsamen Tod zu erleiden. Zum anderen hättest du die Gelegenheit, das Leben zu führen, von dem ihr alle träumt. Du weißt schon, die Lebensgeschichten, die ihr euch ausdenkt. Wir Normalen hatten ein solches Leben, bevor wir rekrutiert wurden. Ihr könntet es anschließend haben.«

»Ich wüsste gar nicht, was ich mit mir anfangen sollte«, sagte Jane.

»Willkommen im Schoß der Menschheit. Heißt das also, dass niemand von der Spezialeinheit jemals den Dienst quittiert?«

»Ich kenne ein paar, die es getan haben. Aber es sind nur wenige.«

»Was ist mit ihnen passiert? Wohin sind sie gegangen?«

»Ich bin mir nicht ganz sicher«, wand sich Jane und wechselte abrupt das Thema. »Ich möchte, dass du morgen in meiner Nähe bleibst.«

»Verstehe.«

»Du bist immer noch viel zu langsam. Ich möchte vermeiden, dass du meinen anderen Leuten auf die Füße trittst.«

»Danke.«

»Tut mir leid«, sagte Jane. »Ich glaube, das war nicht sehr taktvoll. Aber du hast auch schon Soldaten in den Kampf geführt. Du weißt, welche Sorgen ich mir mache. Ich bin bereit, das Risiko einzugehen, das mit deiner Teilnahme verbunden ist. Aber das muss nicht zwangsläufig für andere gelten.«

»Ich weiß«, sagte ich. »Und ich nehme es nicht persönlich. Mach dir keine Sorgen. Ich werde mein Gepäck selbst tragen. Ich habe vor, mich irgendwann zur Ruhe zu setzen, weißt du. Dazu muss ich noch eine Weile am Leben bleiben.«

»Gut, dass du motiviert bist«, sagte Jane.

»Das sehe ich genauso. Auch du solltest dir überlegen, dich zur Ruhe zu setzen. Wie du gesagt hast, ist es gut, zum Überleben motiviert zu sein.«

»Ich möchte nicht tot sein«, sagte Jane. »Das ist eine sehr starke Motivation.«

»Falls du es dir anders überlegen solltest, werde ich dir eine Postkarte schicken, wo auch immer ich meinen zweiten Lebensabend verbringen werde. Komm zu mir. Wir könnten gemeinsam auf einer Farm leben. Hühner pflanzen und Mais halten.«