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Molly sah Harry an. »Und du bist nicht im Geringsten eifersüchtig auf das, was zwischen Roger und mir gelaufen ist?«

»Alles, was ihr gemeinsam hattet, war ein Bett«, sagte Harry. »Roger und ich lieben uns.«

»Liebe?«, fragte Molly ungläubig. »Er ist eine Höllenbrut! Ein Ding aus den Schwefelklüften und darauf fixiert, die ganze Menschheit hinunter in die Verdammnis zu ziehen!«

»Kritik?«, meinte Roger. »Von der berüchtigten Molly Metcalf? Der Frau, die einmal mit den Dämonen der Hölle im Bett war, weil sie sich anders ihre magischen Kräfte nicht erkaufen konnte? Weiß Eddie etwas davon? Hast du ihm alle Dinge erzählt, die du getan hast, du wilde und durchtriebene Waldhexe? Glaubst du wirklich, dass er immer noch dasselbe für dich fühlen würde, wenn er es wüsste?«

Molly erwiderte seinen Blick furchtlos, das Kinn leicht angehoben. »Ich war damals jemand anderes. Ich hatte den Droods Blutrache geschworen, weil sie meine Eltern ermordet hatten. Ich brauchte alle Macht, die ich kriegen konnte, um sie herauszufordern. Aber das war damals und heute ist heute und überhaupt ändert sich mit der Zeit alles … Such dir das Klischee aus, das dir am meisten zusagt. Ich bin nicht im Geringsten mehr die Person, die ich einmal war.«

»Glaubst du, Eddie würde das kümmern?«, fragte Roger. »Ich denke, du wirst sehen, dass er da sehr traditionell denkt. Er ist sehr altmodisch, was gewisse Dinge angeht.«

»Er muss aber nicht erfahren, was wir über dich wissen«, meinte Harry. »Wir müssen es ihm nicht sagen. Nicht, wenn du deinem Herzen einen kleinen Schubs gibst und uns wenigstens ein bisschen hilfst.«

»Im Tausch für euer garantiertes Schweigen?«

»Exakt«, sagte Roger. »Alles, worum wir bitten, ist, dass du für uns ein gutes Wort einlegst. Unsere Position unterstützt. Dabei hilfst, Eddie zu überzeugen, dass es im besten Interesse aller ist, zurückzutreten und Harry zu erlauben, seinen Platz als Familienoberhaupt einzunehmen. Keine großen Reden, keine große Sache. Nur ein paar Worte in sein Ohr, im rechten Moment.«

Und dann unterbrach er sich, weil Molly ihn anlächelte. Und dies Lächeln war nicht sehr angenehm. Molly trat einen Schritt vor und Roger wich einen zurück. Harry bewegte sich schnell vor, um sich zwischen die beiden zu stellen.

»Es gab eine Zeit«, sagte Molly, »da hätte es mir etwas ausgemacht, was ihr Eddie erzählen könntet. Aber das hat sich geändert. Sagt ihm, was ihr wollt, es macht mir nichts aus. Ich kümmere mich nicht darum, und ich glaube, das wird er auch nicht tun. Keiner von uns kümmert sich mehr um die Vergangenheit, denn es ist die Zukunft, die uns Sorgen macht. Aber selbst wenn, Harry, Roger, wäre ich an eurer Stelle sehr vorsichtig mit allem, was Eddie als eine Drohung gegen mich auffassen könnte. Er ist sehr beschützend mir gegenüber, seiner Liebe. Und ihr wollt wirklich nicht, dass er euch schon wieder in aller Öffentlichkeit in den Arsch tritt, oder, Harry?«

»Wir ziehen in den Krieg!«, sagte Harry. »Die Familie braucht mich als Oberhaupt!«

»Nein«, sagte Molly. »Du hattest deine Chance und du hast sie versaut. Du hast die Dinge erst so weit kommen lassen. Wenn ich Eddie wäre, würde ich dich für das töten, was du der Familie angetan hast. Und weißt du was? Vielleicht tue ich das noch. Einfach so allgemein. Ich könnte nämlich etwas brauchen, das mich aufmuntert.«

Sie strahlte Harry und Roger an, wandte sich um und ging davon. Sie sahen ihr hinterher.

»Frauen«, sagte Roger, und Harry nickte.

Ich schloss die Szene am See, aber ich war mit Merlins Spiegel noch nicht fertig. Ein Teil von mir wollte los und Molly finden, sie an mich drücken und ihr sagen, … dass nichts eine Rolle spielte. Nichts spielte für mich eine Rolle, nur sie. Aber ich hatte immer noch die Verpflichtungen meiner Familie gegenüber, und da gab es Dinge, die ich herausfinden musste. Also sagte ich dem Spiegel, dass er mir zeigen sollte, wo Mr. Stich war und was er gerade tat. Ich hätte mich daran erinnern müssen, dass Lauscher an der Wand nicht nur ihre eigene Schand' hörten, sondern auch die jedes anderen.

Zu meiner Überraschung zeigte mir der Spiegel, wie Mr. Stich völlig entspannt zwischen Bücherstapeln in der alten Bibliothek saß, während der Hilfsbibliothekar Rafe ihm einen Tee brachte. Mr. Stich hatte den Straßenanzug ausgezogen, in dem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Vermutlich, weil er immer noch von Pennys Blut durchtränkt war. Stattdessen trug er wieder die formelle Kleidung seiner viktorianischen Zeit. Er saß still und ruhig da, während Rafe Milch in seinen Tee gab, aber keinen Zucker, und ihm dann die feine Porzellantasse reichte. Mr. Stich blies behutsam auf den Tee, um ihn zu kühlen, aber seine Augen blieben auf Rafes Gesicht gerichtet, als der junge Bibliothekar sich ihm gegenüber niederließ.

»Sie trinken Ihren Tee nicht, Rafe«, meinte Mr. Stich.

»Ich lasse ihn etwas abkühlen. Lassen Sie sich nicht aufhalten.«

Mr. Stich sah Rafe beinahe traurig an und nahm dann einen großen Schluck aus seiner Tasse. Er verzog kurz den Mund und stellte die Tasse dann auf einem Bücherregal neben sich ab.

»Wenn Sie mit Gift arbeiten, Rafe, dann müssen Sie den Tee viel stärker machen, um den Geschmack zu überdecken. Und Sie sollten genug Strychnin pro Tasse nehmen, um ein Dutzend normaler Menschen zu töten. Aber ich bin schon seit Langem nicht mehr so leicht zu töten. Für meinesgleichen ist Gift sowieso wie Muttermilch. Warum, Rafe? Ist es wegen Penny? War sie eine Freundin von Ihnen? Oder vielleicht sogar mehr?«

Rafe stand abrupt auf und warf seine Tasse weg. Er stand drohend über Mr. Stich, für einen langen Moment, und seine Hände waren an der Seite zu Fäusten geballt. Mr. Stich stand gelassen auf, um ihm auf Augenhöhe zu begegnen. Rafe brachte zunächst kein Wort heraus, sein Atem ging zu schwer. Sein Gesicht war vor Hass und Verachtung verzerrt.

»Wir standen uns nie nahe«, sagte Rafe heiser. »Aber vielleicht wäre es so weit gekommen. Sie wusste nie, was sie mir bedeutet. Und jetzt wird sie es dank Ihnen nie wissen. Soll Ihre Seele zur Hölle fahren!«

»Das ist schon geschehen«, sagte Mr. Stich.

Rafe griff ihn an. Er warf sich gegen den ruhigen und ungerührt dastehenden Unsterblichen. Er schlug mit seinen Fäusten auf Mr. Stich ein, während heiße Tränen seine Wangen herunterliefen und Mr. Stich stand nur da und nahm es hin. Rafe rüstete hoch und seine goldenen Fäuste hämmerten auf Mr. Stichs leidenschaftsloses Gesicht ein. Die gerüstete Stärke hinter den Schlägen musste furchtbar sein, aber Mr. Stich schien keinen Schaden davonzutragen. Und wenn die Hiebe ihn schmerzten, zeigte er es nicht. Schließlich stand Rafe mit schwer herabhängenden Armen und schweiß- und tränenüberströmtem Gesicht vor Mr. Stich und rüstete ab. Mr. Stich sah ihn an.

»Weinen Sie nur, Junge«, meinte er. »Das ist in Ordnung. Ich würde es auch tun, wenn ich könnte.«

In diesem Moment kam William Drood herbei, um zu sehen, was es mit all dem Lärm auf sich hatte und nahm die Szene einen Moment in sich auf. Er sah Mr. Stich böse an, der sofort einen Schritt zurückwich und William nahm Rafe mit sich fort. Mr. Stich stand sehr still und sah nicht einmal auf, bis William wieder allein zurückkam. Ich ließ Mr. Stichs Gesicht die ganze Zeit nicht aus den Augen. Er verzog die ganze Zeit keinen Muskel. Ich hatte keine Idee, was er dachte oder fühlte. Wenn er überhaupt etwas fühlte. Es gab Zeiten, … in denen ich wünschte, ich könnte genauso sein und die Dinge nicht fühlen müssen, die mir so wehtaten. William bedeutete Mr. Stich, sich zu setzen und er folgte. William ließ sich ihm gegenüber nieder. Er sah traurig auf das benutzte Teegeschirr.

»Trinken Sie den Tee nicht«, sagte Mr. Stich ruhig.

»Das habe ich mir zusammengereimt«, sagte William trocken. »Es tut mir leid. Er ist jung. In diesem Alter nimmt man die Dinge so persönlich. Dennoch, es war nichts, was Sie nicht erwartet oder schon erlebt hätten, denke ich. Was wollten Sie hier?«