»Hast du denn deine Medikamente mal wieder nicht genommen, Callan?«, fragte der Blaue Elf. »Du kannst gern welche von mir haben. Die muntern einen wirklich auf.«
»Mit mir ist gar nichts verkehrt!«, sagte Callan ärgerlich. »Die Ghoulstädte sind das Verkehrte! Und man muss sich auf sie vorbereiten, auf alles, was einem da begegnen kann. Oder wir werden diese verdammten Türme nie erreichen.«
»Die Rüstung wird helfen«, sagte der Waffenmeister brummig, der jetzt mit seiner Verkabelung an Merlins Spiegel fertig war. »Vertraut auf die Rüstung und euer Training und ihr werdet alles schon hinkriegen. Lampenfieber ist normal vor so einer Mission. Als ich noch ein Frontagent war, habe ich mir jedes Mal die Seele aus dem Leib gekotzt, bevor ich über die Berliner Mauer nach Ostdeutschland bin. Ich schwöre, ich habe einmal in die Toilette geguckt und da meine eigene Niere im Becken schwimmen sehen.«
»Vielen Dank, Onkel Jack«, sagte ich.
»Ein Organ, dachte ich, das kann doch nicht wirklich mein eigenes Organ sein, oder doch?«
»Vielen Dank, Onkel Jack!«
Er schnüffelte und sah Merlins Spiegel mit professioneller Zustimmung an. »Was man auch immer über die Satansbrut Merlin sagen kann - und es sind ganze Bücher über ihn geschrieben worden -, damit hat er gute Arbeit geleistet.«
»Die Drohnen können uns nicht sehen und hören?«, fragte Mr. Stich. »Sie haben keine Ahnung, dass wir ihnen zusehen?«
»Gar keine«, sagte der Waffenmeister heiter. »Ich habe euch das perfekte Überraschungsmoment ermöglicht. Also macht was draus.«
Giles Todesjäger zog sein großes Schwert und beinahe sofort wichen alle ein wenig zurück, um ihm ein wenig Raum zu geben.
»Es ist Zeit«, sagte er. »Lasst uns loslegen.«
»Er ist ja nicht gerade El Cid, oder?«, meinte der Blaue Elf. »Wann hatten wir das letzte Mal eine wirklich feurige Motivationsrede? Ich fühle mich ganz entschieden so, als könnte ich ein wenig Inspiration gebrauchen. Genau jetzt.«
Giles sah ihn an. »Versau es nicht, oder ich zieh' dir das Fell über die Ohren.«
»Ein echter Drood«, meinte der Blaue Elf.
Ich befahl Merlins Spiegel, ein Portal in die vier Hauptnester zu öffnen und einer nach dem anderen erwachten die großen Bildschirme zum Leben und zeigten die Ghoulstädte; die Verbindungen des Waffenmeisters funktionierten. Ich sah mich einmal um, sagte im Stillen Auf Wiedersehen und Gott befohlen, und dann ging Giles mitten in Merlins Spiegel hinein in die dahinterliegende Ghoulstadt. Zweihundert goldene Gestalten folgten ihm durch den Lageraum hindurch. Dann gingen Roger und Harry hindurch, gefolgt von ihrer eigenen Kampfgruppe, und so weiter und so weiter. Es dauerte bei Weitem nicht so lange, wie ich gedacht hatte, all die Führer und ihre Kampfgruppen durchzuschleusen, auch wenn meine Stimme dabei heiser wurde, dass ich Merlins Spiegel immer wieder anbrüllte, sich zu neuen Orten zu öffnen. Das Stampfen und Klappern der gerüsteten Beine im Lageraum war ohrenbetäubend und ich musste schreien, um es zu übertönen. Alle Bildschirme waren nun hochgefahren und liefen. Einer nach dem anderen zeigten sie, wie Kampfgruppe auf Kampfgruppe auf nichtsahnende Drohnen traf. Und dann war auch der letzte Drood hindurch, und es gab nichts weiter zu tun, als zuzusehen.
Die unterschiedlichen Angriffe auf die Nester geschahen gleichzeitig, verteilt auf die verschiedenen Bildschirme. Man konnte sie selbst dann nicht alle verfolgen, wenn man es versuchte. Zu vieles geschah gleichzeitig. Aber hier ist Schlacht für Schlacht das, was passierte, erzählt von den Überlebenden.
Das erste, was der Waffenmeister tat, war, Molly zu helfen, Merlins Spiegel zu versiegeln, damit zwar noch Droods, aber keine Drohnen mehr hindurchkamen. Wir konnten keinem der Abscheulichen erlauben, zu entkommen. Sie würden ausnahmslos sterben müssen. Auch wenn alles, was den Drohnen passierte, nicht ihre Schuld war, denn sie hatten ja nicht darum gebeten, infiziert zu werden. Nein, es war unser Fehler, der der Droods, die die Abscheulichen zuerst in unsere Realität gebracht hatten.
Es war unser Müll, den wir aufräumen mussten.
Giles Todesjägers Ghoulstadt war früher eine kleine Stadt namens Heron's Reach in Neuseeland gewesen. Eine sehr kleine Stadt, umgeben von Schafweiden, so weit von jeder Straße entfernt, dass bisher niemandem aufgefallen war, dass sie fehlte. Wir aber wussten es. Wir sind Droods, wir wissen alles. Heron's Reach sah aus, als sei es ursprünglich ein hübscher Ort gewesen. Jetzt strömten infizierte Drohnen unter einem fremdartigen Licht, das so grell war, dass es keine Schatten warf, durch die engen Straßen wie Maden in einer Wunde. Viele der Drohnen waren deformiert, verzerrt und verbogen durch die andersdimensionalen Kräfte, die sich in ihr Fleisch gebrannt hatten und alle bewegten sich mit der geisterhaften Symmetrie eines Vogelschwarms.
Sie alle unterbrachen das, was sie gerade taten, in genau dem Moment, in dem Giles und seine Kampfgruppe aus dem Nichts erschienen, die nächsten Drohnen umrannten und sie ohne eine Sekunde zu zögern gnadenlos niedersäbelten. Die Drohnen drangen einheitlich nach vorn und warfen sich der Invasionsmacht entgegen. Einige hatten Klauen oder spitze Finger. Einige hielten auch Äxte, um sie als Waffen zu benutzen. Sie alle trugen den gleichen, fremdartigen Ausdruck auf den Gesichtern, als sie die golden gerüsteten Gestalten überrannten und versuchten, sie durch ihre schiere Überzahl zu erdrücken.
Giles führte seinen Trupp an und schwang das lange Schwert mit beeindruckendem Können und Kraft. Die schwere Klinge hieb Köpfe ab, drang in Brustkörbe und schnitt durch Fleisch und Knochen, ohne auch nur langsamer zu werden. Er zerschnitt Drohnen oder stieß sie beiseite, immer nach vorn stürmend, dabei mit blutigen Stiefeln über Leichen trampelnd. Golden gerüstete Männer und Frauen stürmten hinter ihm her, schlugen die Drohnen mit schweren Fäusten oder ausgefahrenen goldenen Klingen nieder. Blut spritzte durch die Luft, Innereien platschten auf die Straße. Die Drohnen schrien nicht, wenn sie fielen, und sie baten auch nicht um Gnade. Sie kamen nur immer weiter, bis ihre Körper ihnen den Dienst versagten. Selbst dann versuchten sie, nach goldenen Beinen und Füßen zu greifen, bis sie endgültig starben. Giles hackte und schnitt und stach und schwang sein großes Schwert in tödlichen Bögen, so als hätte es kein Gewicht. Er lachte und schrie glücklich auf, während er tötete. Blut tränkte seine Rüstung und spritzte auf sein grinsendes Gesicht. Der Todesjäger war ein Krieger. Er tat, wozu er geboren worden war und liebte jede Minute davon.
Nicht alle in seiner Kampfgruppe empfanden das genauso. Obwohl die meisten mit den im Training erworbenen professionellen Fähigkeiten kämpften und sich auf das Ziel der Mission konzentrierten - einige brachten es einfach nicht über sich. Sie waren einfach keine Killer und kein noch so intensives Training hätte sie dazu machen können. Sie taten, was sie konnten und wandten sich dann von der Metzelei ab und kamen nach Hause. Keiner sagte etwas, als sie durch den Spiegel zurückgeschlichen kamen. Die Sanitäter standen schon bereit und brachten sie auf die Krankenstation. Wir verstanden das.