Ich hätte es besser wissen müssen.
Callan und der Blaue Elf brachten ihre Kampfgruppe in eine kleine Siedlung nördlich von San Francisco. Theoretisch war der Blaue Elf als Freiwilliger dabei, um Callan zu unterstützen und ihm den Rücken zu decken. Praktisch hatte ich ein stilles Gespräch mit Callan gehabt und ihm gesagt, dass er auf den Blauen Elf aufpassen müsse. Ich war immer noch nicht bereit, Blue zu vertrauen.
Ihre Ghoulstadt war einmal ein wichtiger Bestandteil der Hippiezeit in den Sechzigern gewesen, ein Sammelbecken für mehr Sex-, Drogen- und Rock 'n' Roll-Magie, als jede Wirklichkeit gut ausgehalten hätte. Heutzutage, wo alles viel verkopfter und materialistischer war, war die Kleinstadt Lud's Drum einfach nur noch ein Zufluchtsort für schäbige, alt gewordene Hippietypen und ausgebrannte Opfer des Drogenkrieges. Eine ganze Industrie hatte sich entwickelt, die darauf basierte, die unrühmliche Vergangenheit der Stadt zu vermarkten. Nur Leute wie wir hielten noch ein wachsames Auge auf Lud's Drum, weil die dimensionalen Barrieren in und um die Stadt gefährlich schwach geworden waren, seit Timothy Leary dort einen heldenhaften LSD-und-Peyote-Trip geschmissen und versucht hatte, einen Fernexorzismus des Pentagon abzuhalten. Als Ergebnis seiner Geschichte hatten die Abscheulichen die Stadt ohne die geringste Anstrengung übernehmen können. Lud's Drum war einer der wenigen Orte, wo Drohnen offen herumlaufen konnten, ohne Verdacht zu erregen. Jetzt war Lud's Drum eine Ghoulstadt und eines der letzten Überbleibsel des Traums der Sechziger war zu einem lebendigen Albtraum geworden.
Callan führte seine Kampfgruppe durch die grell erleuchteten Straßen und schnitt Drohnen mit kalter, beinahe klinischer Präzision in Stücke. Er gestattete sich nicht, von den zusammenbrechenden, bonbonfarbenen Häusern abgelenkt zu werden, den weichen, wogenden Straßen oder den endlosen Wellen von Drohnen, die mit teuflischer und bösartiger Schadenfreude über seine Leute herfielen. Er schnitt sich einen Pfad mitten durch sie hindurch, mit sturer Entschlossenheit in Richtung des beinahe vollendeten Turms im Zentrum der Stadt vorrückend. Callan hatte vielleicht ein freches Mundwerk und keinen Respekt vor Autoritäten, aber nichts lenkte ihn von seinem Ziel ab, wenn er draußen im Feld war.
Der Blaue Elf hielt sich in seiner Nähe und bewachte Callans Rücken mit überraschendem Können und ebensolcher Entschiedenheit. Er hatte kein Schwert oder Pistole, nur einen schlanken Zauberstab, den er aus dem Nichts heraus hergezaubert hatte. Ach, dieses alte Ding, hatte er leichthin gesagt. Ist schon lange in der Familie. In der Ghoulstadt hatte er bisher eine ganze Reihe kleiner, aber erstaunlich effektvoller magischer Tricks angewandt, die die Drohnen auf Armeslänge von ihm fernhielten. Es hätte mich nicht sonderlich überraschen sollen, dass Blue wusste, wie man kämpft. Er konnte diese ganzen Jahre bei der Art von Feinden, die er sich gemacht hatte, ohne ein paar entsprechende Fähigkeiten nicht überlebt haben.
Callan führte seine Leute durch sein Beispiel immer weiter nach vorn, er ließ einfach nicht zu, dass er von irgendetwas, was die Dämonen ihm entgegenwerfen konnten, aufgehalten oder auch nur gebremst wurde. Seine goldenen Klingen hoben sich und fielen wieder und Blut flog durch die Luft. Er kam hartnäckig immer weiter voran, brachte sie alle durch reine Kriegskunst und beinahe brutale Entschlossenheit dichter und dichter an den Turm heran. Ihm zuzusehen machte mich stolz, ein Drood zu sein. Dazu waren wir da: Den guten Kampf zu kämpfen und die bösen Jungs im Namen der Menschheit fertigzumachen.
Die Drohnen besaßen auch hier ihre glühenden Schwerter, aber auch andere ähnlich schreckliche Waffen, doch der Blaue Elf sorgte dafür, dass sie alle nicht nahe genug herankamen, um den Droods Schaden zuzufügen. Er fuchtelte mit seinem Zauberstab in der Luft herum - ein schlanker Stab aus Elfenbein, in den elbische Zeichen geschnitzt waren - und wohin er auch zeigte, sah es für die Drohnen übel aus. Wieder und immer wieder. Blue runzelte grimmig die Stirn und konzentrierte sich, sprang hierhin und dorthin, um sicherzugehen, dass er selbst nicht einmal in die Nähe der Gefahr kam, aber ich hatte das Gefühl, dass er dennoch das alles genoss.
Immerhin war er ein Halbelb, mit dem den Elben angeborenen Talent für Tod und Zerstörung.
Ohne Verluste schafften sie es bis an den Fuß des Turms, bevor alles schiefzugehen begann. Der Turm erhob sich über ihnen, wie ein zerfetzter Blitz aus unirdischer Technologie und organischen Komponenten, mit göttlicher Kraft in den Boden gerammt. Seine Form ergab keinen Sinn, weil er mehr räumliche Dimensionen aufwies als das menschliche Gehirn verarbeiten konnte. Wieder war da das eindeutige Gefühl, dass das Ding auf irgendeine Art lebendig und wachsam war, und wusste, dass wir kamen. Callan platzierte die Bombe am Fundament des Turms. Der Blaue Elf sah ihm dabei über die Schulter, während die gerüstete Truppe eine Barriere bildete, um die herankommenden Drohnen fernzuhalten.
Callan stellte den Timer ein, stand auf und nickte dem Blauen Elf zu. Und dann erstarrte jedes einzelne Mitglied der Kampftruppe, brach zusammen und lag still da. Keine Warnung, kein ersichtlicher Grund, keine Drohne mit einer Waffe. Einfach so lagen zweihundert gerüstete Droods bewegungslos auf dem Boden. Ich konnte nicht einmal sagen, ob sie tot oder lebendig waren. Callan sah ihn böse an und schwang seine goldenen Klingen hier- und dorthin. Doch der Blaue Elf tippte Callan mit seinem Zauberstab nur elegant auf die Schulter und Callan ging in die Knie.
»Tut mir leid, Alter«, sagte der Blaue Elf. »Aber ich war nie sehr gut darin, mit anderen zusammenzuspielen. Und du hast etwas, das ich brauche.«
Wir alle sahen hilflos zu, als Blue seinen Zauberstab auf Callans Nacken legte und dann irgendwie … Callan den Torques wegnahm. Sein Mund öffnete sich weit zu einem Schrei, aber kein Ton war zu hören. Er kniete immer noch, aber er war jetzt wieder nur ein einfacher Mensch, ohne seine gestohlene Rüstung. Der Blaue Elf sah auf den Reif in seiner Hand und betrachtete ihn von allen Seiten. Dann wandte er sich auf dem Bildschirm direkt zu uns und lächelte beinahe traurig.
»Ich weiß Eddie, du hast mir vertraut. Das war ja wirklich sehr nett und alles, aber dieser Torques wird mir ermöglichen, vor den Elbenrat zu treten. Ich hab's dir gesagt, am Ende ist es die Familie, die bleibt. Und nie, niemals darfst du einem Elben vertrauen. Wir haben immer eigene Pläne.«
Er drehte sich so lange um sich selbst, bis er verschwunden war. Alle Droods wurden auf der Stelle wieder lebendig, außer Callan, der zusammengebrochen war und krampfend auf dem Boden lag. Die Drohnen drangen vor.
Irgendwie brachten die Droods Callan da raus. Sie kämpften sich aus Lud's Drum hinaus, aber die Drohnen zwangen sie, um jeden Zentimeter zu kämpfen. Die ganze Zeit tickte die Bombe. Sie kamen durch Merlins Spiegel wieder zurück, brachten den bewusstlosen Callan mit und ich schlug die Tür in genau dem Moment zu, als die Bombe losging. Für einen Augenblick kam ein Licht hindurch, das so grell war, dass ich es fühlen konnte und das den ganzen Lageraum erzittern ließ, aber das Portal schloss sich gerade noch rechtzeitig, um uns zu schützen. Lud's Drum war vernichtet und mit ihm das Nest und der Turm.
Sie brachten Callan in die Krankenstation. Schock, meinten sie. Gott weiß, wie es sich anfühlte, wenn einem der Torques weggerissen wurde. Ich fragte Seltsam, ob die Elben den Torques für sich dazu bringen konnten zu funktionieren und er fragte: Was sind Elben? Was die Sache nicht gerade klärte. Wir würden uns später am Blauen Elfen rächen. Keiner bestiehlt die Droods und lebt lange, um damit anzugeben.
Nach all diesem Drama ging eigentlich alles wie geplant. Die Kampfgruppen eroberten eine Ghoulstadt nach der anderen. Sie verwendeten dabei alle die Taktik, die wir entwickelt hatten: Ein Nest nach dem anderen wurde zusammen mit den Türmen zerstört. Alle Bomben des Waffenmeisters explodierten und wir verloren keinen einzigen weiteren Drood an die Drohnen. Keine üblen Überraschungen mehr, keine beängstigenden Waffen, nur Droods, die ihren Job taten und die Welt sicherten. Die Stunden vergingen langsam, ständig gingen und kamen goldene Gestalten durch Merlins Spiegel. Die Drohnen kämpften weiterhin wie wild und wir mussten um jeden Sieg ringen. Aber immer noch, Schritt für Schritt, gewannen wir. Frische Männer und Frauen kamen, um die Droods zu ersetzen, die von zu vielen Angriffen ermüdet waren, und weiter ging's. Die ganze Familie war bereit, zu kämpfen, wenn das nötig war. Die Krankenstation wurde gut damit fertig. Wir hatten sogar schon das Ende vor Augen, als schon wieder alles zu Rattenscheiße wurde.