»Umso besser«, meinte Mr. Stich. »Ich bin dabei.«
»Da kommt etwas rein!«
Der Ruf hallte durch den ganzen Lärm im Lageraum und wir sahen uns alle sofort nach dem um, der ihn ausgestoßen hatte. Einer vom Kommunikationsstab stand über seiner Arbeitskonsole und wies mit zitterndem Finger darauf. Sein Vorgesetzter war sofort an seiner Seite, schubste ihn wieder in seinen Stuhl, um dann über seine Schulter auf das zu sehen, was da über den Bildschirm zuckte. Der Rest des Kommunikationsstabs kontrollierte panisch die eigenen Computer, Kristallkugeln und Wahrsagebecken und alle redeten fieberhaft aufeinander ein. Ein heulender Alarm ging plötzlich los und die Matriarchin befahl, ihn sofort abzustellen. »Ich kann mich selbst ja nicht einmal mehr denken hören«, sagte sie scharf. »Ah ja, das ist besser. Also, was ist hier los? Redet mit mir, Leute! Was ist es denn genau, was hier reinkommt?«
»Wird das Herrenhaus angegriffen?«
»Sieht so aus«, sagte der Kommunikationsoffizier. Es war Howard Drood, effizient wie immer. Er war aus dem Einsatzraum an die Spitze des Lageraums versetzt worden, um die Angriffe auf die Nester zu koordinieren. »Etwas versucht, sich in unsere Realität zu drängen, genau hier, durch alle Schutzschilde des Herrenhauses hindurch. Was ich für unmöglich gehalten hätte, wenn es nicht gerade jemand versuchte.«
»Könnte es Truman sein, oder die Eindringlinge?«, fragte ich. »Die einen Präventivschlag gegen uns loslassen?«
»Ja. Nein. Vielleicht. Ich weiß es nicht! Die Bildschirme können nichts mit dem anfangen, was da passiert.« Howards sonst schon finsterer Gesichtsausdruck verstärkte sich noch, als er die Monitore studierte. »Ich habe solche Daten noch nie gesehen. Was auch immer das ist, es kommt wie ein geölter Blitz auf uns zu. Es hat sich schon durch die äußeren Verteidigungen geboxt und es kommt direkt auf uns zu.«
Ich ging im Geist schnell die Attacken durch, die es bereits aufs Herrenhaus gegeben hatte, als das Herz noch hier gelebt hatte. Wir hatten nie wirklich herausgefunden, was dahintersteckte. Hatten die Unbekannten sich diesen Moment ausgesucht, um wieder anzugreifen, wenn wir am schwächsten und verletztlichsten waren?
»Seltsam, sag was«, meinte ich. »Weißt du, wer oder was das ist?«
»Nein, Eddie.« Seine Stimme in meinem Kopf war überraschend angespannt. »Es kommt aus einer Richtung, die ich nicht orten kann. Es kommt von außerhalb allem, was ich als Realität bezeichnen würde. Es ist nicht sehr groß, aber es scheint sehr entschlossen. Und nein, Eddie, ich kann es nicht aufhalten.«
Giles Todesjäger hatte sein Langschwert gezogen und sah sich nach einem Feind um. Um nicht zurückzustehen, zog der Seneschall mit jeder Hand eine Pistole.
»Steckt das weg!«, bellte die Matriarchin sofort. »In meinem Lageraum trägt keiner eine Waffe! Wer weiß, was ihr mit dem Equipment anstellt.«
Giles steckte sein Schwert in die Scheide und verbeugte sich. Der Seneschall ließ seine Waffen wieder verschwinden, verschränkte fest die Arme vor der Brust und setzte eine entschiedene »Seht-ihr-ich-schmolle-nicht-obwohl-ich-Grund-dazu-hätte«-Miene auf. Die Matriarchin seufzte hörbar.
»Steh da nicht rum, Seneschall! Aufrüsten, los! Jeder rüstet auf!«
Sie hatte recht. Wir alle sprachen leise die aktivierenden Worte und - schwupps - war der Lageraum voller glänzender goldener Gestalten. Es fühlte sich gut an, wieder das Gold zu tragen, sich stark zu fühlen und schnell und gefährlich. Manchmal fühlt sich das Aufrüsten an, als wache man aus einem langen Nickerchen wieder auf. Jeder, der nicht an einer Arbeitskonsole saß, spähte misstrauisch um sich herum, bereit, zuzuschlagen, goldene Klingen und andere Waffen schossen aus goldenen Fäusten hervor. Eine wachsende Spannung war im Lageraum zu spüren, ein starkes Gefühl von etwas Kommendem, das sich unerbittlich näher heranschob. Wir konnten es alle fühlen, es drang von allen Seiten auf uns ein. Molly stand dicht neben mir, ihre Arme wie für eine Beschwörung erhoben und bereit, wirklich grässliche Magie auf alles zu werfen, das nur im Entferntesten bedrohlich war. Mr. Stich sah … höflich interessiert aus. Und der Waffenmeister, nicht überraschend, hatte eine wirklich fies aussehende Waffe aus dem Nichts gezogen und schwang sie auf der Suche nach einem Ziel hin und her, während jeder andere versuchte, ihm möglichst schnell aus dem Weg zu gehen.
Der Himmel möge allen helfen, die es wagen, die Droods auf ihrem eigenen Territorium anzugreifen.
Ein Stimmengewirr erhob sich im Lageraum, als Techniker verschiedener Couleur zu verstehen versuchten, was da vor sich ging. Was auch immer da kam, es schlug sich durch eine Schicht der Verteidigungen nach der anderen und die Spannung in der Luft tat beinahe körperlich weh. Martha Drood, die ebenfalls das erste Mal, seit ich mich erinnern konnte, aufgerüstet hatte, ging von Station zu Station, spähte über Schultern und ließ hier ein Wort der Warnung, dort ein unterstützendes Murmeln hören, wie es gerade gebraucht wurde. Wenn es so weit kam, dass sie die Truppen anführte, dann saßen wir wirklich in der Tinte. Ein anschwellender Ton war jetzt von draußen zu hören, scharf und deutlich, als käme er von unschätzbar weit weg näher.
»Es ist hier«, rief Howard. »Es materialisiert!«
»Wo?«, fragte Martha. »Wo genau im Herrenhaus?«
»Hier!«, schrie Howard. »Direkt hier in diesem verdammten Lageraum!«
Der anschwellende Ton wurde noch schriller, eine zitternde Vibration, die in unseren Köpfen widerhallte, trotz der schützenden Rüstung. Wir alle hielten uns mit unseren nutzlosen Händen die Ohren zu und taumelten hin und her, und dann fuhren wir alle zurück, als die Welt selbst sich mitten im Lageraum spaltete - und Janitscharen Jane hereinstolperte. Sie warf sich durch den Spalt, ihr Tarnanzug angekokelt und schmutzig und stellenweise sogar noch qualmend. Explosionen und grelle Lichter und wütend erhobene Stimmen kamen aus dem Riss hinter ihr her und wurden plötzlich abgeschnitten, als der Riss sich mit einem Ruck schloss. Die Spannung in der Luft war sofort verschwunden und wir alle rüsteten etwas verlegen ab, während Janitscharen Jane zitternd und atemlos vor uns aufstand. Sie schluchzte heftig und sah aus, als hätte sie ihren Weg durch die Hölle selbst gekämpft, nur um zu uns zu gelangen. Sie hob ein zerschlagenes Gesicht, schnüffelte und unterdrückte ihre Tränen und sah mich triumphierend an. Dann setzte sie sich urplötzlich, als wäre mit einem Mal alle Kraft aus ihren Beinen verschwunden.
»Okay!«, schrie ich und sah mich um. »Beruhigt euch alle wieder. Das ist kein Notfall. Ich weiß, wer das ist. Richtet eure Aufmerksamkeit darauf, den Verteidigungswall wieder aufzubauen und stellt sicher, dass ihr keiner gefolgt ist - wo zur Hölle auch immer sie herkam.« Ich kniete neben Janitscharen Jane nieder. Sie zitterte jetzt heftig und atmete schwer. Ihre Augen konnten keinen Fokus halten. »Jane?«, fragte ich. »Ich bin's, Eddie. Bist du okay?«
Sie sah ziemlich schlimm aus. Ihr Kampfanzug war stellenweise verbrannt und mit Blut aus einem Dutzend hässlicher Wunden getränkt. Teile ihrer Kampfbewaffnung sahen halb geschmolzen aus. Ihr Gesicht wurde immer wieder schlaff, als würden Schmerz, Anstrengung und Erschöpfung sie überwältigen. Wenn das letzte bisschen Adrenalin in ihr sich abbaute, würde sie zusammenbrechen, und das vollständig. Ich musste die Antworten also aus ihr herauskriegen, solange ich noch konnte. Ich packte sie an den Schultern, zwang sie, mich anzusehen und nannte sie wieder beim Namen. Ihr Kopf schoss hoch, als hätte ich sie aus einem tiefen Schlaf geweckt.
»Eddie, ich hab es geschafft. Ich bin wieder da. Verdammt …«
»Ich habe den Zettel gefunden, den du mit einem Messer an deine Tür gepinnt hast«, sagte ich und bemühte mich um einen leichten Ton. »Also, hast du für uns eine richtig große Kanone gefunden?«
»Die größte«, meinte Jane und versuchte sich vergeblich an einem Lächeln. »Erinnerst du dich, Eddie, dass ich dir vom letzten Dämonenkrieg erzählt habe, bei dem ich dabei war? Der eine, wo ein paar verdammte Idioten aus Versehen ein Tor zur Hölle öffneten und eine Armee von Dämonen rauskam?«