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Ein paar von uns versuchten, die Hände auf die Ohren zu legen, um die Stimmen draußen zu halten, aber es funktionierte nicht. Wir hörten sie nicht mit den Ohren.

Wir ließen die Stimmen hinter uns, ihre hinterhältigen Schreie zogen sich in die Ferne zurück und danach gab es nur noch Stille und den Abstieg und das Gefühl von etwas wirklich Schlimmem, das langsam immer näher kam. Als wir ankamen, gab es kein Gefühl des Stoppens. Die Aufzugtüren glitten einfach auseinander und das gewöhnliche, farblose Licht strahlte hinaus auf eine furchtbar düstere Ebene. Keiner von uns rührte sich. Es fühlte sich nicht sicher an. Was wir von der Welt draußen sehen konnten, war dunkel und jämmerlich, die einzige Beleuchtung war von einem dunklen, öden Violett, wie eine Prellung. Ich tat widerwillig einen Schritt nach vorn und trat aus dem Aufzug heraus. Die anderen folgten mir einer nach dem anderen. In dem Moment, in dem ich das beruhigend normale Licht des Aufzugs verließ, legte sich ein schrecklicher, nervenzerreißender Druck auf mein Gemüt, als trüge ich mit einem Mal alle Last der Welt auf meinen Schultern. Nirgendwo war ein Geräusch zu hören, wie man es kannte, aber so etwas wie nicht enden wollender Donner grollte trotzdem auf irgendeine Weise in der Luft. Man vernahm ihn wie einen langen Basston, den man nur mit der Seele vernehmen konnte; wie ein drohendes Gewitter, von dem man schon seit Ewigkeiten weiß, dass es kommen wird.

Wir standen alle zusammen und hielten uns dicht beieinander, um uns gegenseitig den Trost lebender Gesellschaft in einer toten oder sterbenden Welt zu spenden. Wir gehörten nicht an einen Ort wie diesen, und das wussten wir alle. Dann schlossen sich die Aufzugtüren und schnitten das helle, gesunde Licht ab. Wir wirbelten gerade rechtzeitig herum, um zu sehen, wie der Aufzug in den steinigen Boden sank. Er ließ uns allein an diesem schrecklichen Ort, an den er uns gebracht hatte. Eine schmutzig-purpurfarbene Ebene, die sich in jede Richtung, in die ich auch sah, endlos bis zum Horizont erstreckte.

Ich fühlte mich, als sei ich am Ende der Welt angekommen. Eine düstere Ebene in endloser Nacht. Über uns hing ein niedriger, blutroter Mond am Himmel, an dem die Sterne einer nach dem anderen ausgingen. Es gab bereits große, dunkle Lücken in den unbekannten Sternbildern. Die endlose Ebene bestand aus nacktem Stein und ab und an einem großen Krater, langen gezackten Spalten und tiefen Rissen. Es wirkte wie der Boden eines Ozeans, nachdem das Wasser verkocht war. In der Nähe lag eine Felsspalte; eine langer, gezackter Riss mit bröckligen Kanten und ich ging hinüber, um hineinzuschauen. Der Abgrund schien bodenlos zu sein. Ich gab irgendein Geräusch von mir, aber Molly war schon da, um mich am Arm zurückzuziehen. Als ob der Klang meiner Stimme etwas ausgelöst hatte, kroch auf einmal eine fremdartige, verdrehte Pflanze mit rauen Kriecharmen und großen, dunklen Blättern, die mit pulsierenden roten Adern überzogen waren, langsam aus dem Abgrund. Molly und ich traten zurück. Die zuckenden Pflanzen versuchten, uns zu folgen, aber sie verrotteten schon und zerfielen. Lebendig und tot gleichzeitig, als ob sie nicht weit genug entwickelt waren, um eine Form ordentlich beizubehalten.

In anderen Rissen und Spalten befand sich träge siedendes, feuerrotes Magma. Aber auch wenn sie nicht sonderlich tief waren, kam die Hitze der Lava nicht an die Oberfläche, als ob sie nicht die Kraft hätte, so weit zu reichen. Die Luft selbst war dünn und seltsamerweise fehlte jeglicher Geruch darin. Ich klatschte fest in die Hände, aber es hallte nicht. Ich war sicher, dass Geräusche ebenfalls nicht weit kamen. Wir blieben dicht beieinander und sahen uns immer wieder um, auch wenn wir die einzigen lebendigen Wesen in einer sterbenden Welt waren.

»Das ist der Ort, an dem Missionen ins Leere laufen«, sagte U-Bahn Ute leise. »Wo die Liebe immer unerwidert bleibt, wo Versprechen gebrochen werden und nur die schlechten Träume in Erfüllung gehen.«

»Und wie sollen wir dann verdammt noch mal Erfolg bei unserer Mission haben?«, fragte der Seneschall. Er klang, als wolle er eigentlich ärgerlich sein, das dann aber zu anstrengend finden.

»Wir haben etwas von unserem Universum mitgebracht«, sagte Molly. »Genug, um eine Chance im Kampf zu haben. Aber je länger wir hierbleiben, desto schneller wird sich dieser Effekt verlieren. Wir müssen uns wirklich beeilen.«

»Das ist eine gebrochene Welt«, sagte Ute schon fast hypnotisiert. »Das minderwertige Land, das verlassene Territorium …«

»Schon gut«, sagte ich. »Du gehst mir langsam auf die Nerven, Ute. Das hier ist ein mieser Ort, ich hab's verstanden. Jetzt komm damit klar, und sag mir gefälligst, in welche Richtung wir gehen sollen.«

Sie sah mich mit großen, verschleierten Augen an. »Sag den Namen, Eddie Drood. Sag den Namen des Ortes, zu dem du gehen willst.«

»Tu's einfach, Eddie«, flüsterte Molly in mein Ohr. »Sie ist mit dieser Welt eher auf einer Wellenlänge, als ich es bin. Sie versteht die geheimen Wege, sie reden mit ihr.«

»Wir müssen ins Innere von Trumans Basis unter Stonehenge«, verkündete ich und sprach dabei laut und deutlich in die Stille hinein. Dabei kam ich mir ein wenig dumm vor. Meine Worte hatten kein Echo. Sie schienen einfach matt und leblos in die stille Luft zu fallen.

»Da!«, sagte U-Bahn Ute und wies mit ausgestrecktem Finger auf eine Seite. »Das ist unsere Richtung.«

In der Ferne flammte auf einmal ein Licht in den sterbenden Himmel auf, wie ein Scheinwerfer. Es war hell und klar und glänzend und ganz sicher kein natürlicher Teil dieser Welt. Es schien wie die Hoffnung, wie ein Versprechen und wie ein Weg hinaus.

»Das ist eine sterbende Welt«, sagte Giles Todesjäger ganz unerwartet. »Wo die Entropie regiert.«

»Fang du nicht auch noch an«, sagte ich bestimmt.

Ich habe keine Ahnung, wie lange wir unter diesem blutigen Mond und den erlöschenden Sternen hergingen und über diese verdorrte und verfluchte Ebene wanderten. Die Nacht endete nicht, es gab nur wenige Landmarken in großem Abstand voneinander und wir entdeckten schon bald, dass unsere Uhren nicht funktionierten. Aber es fühlte sich an, als würde es ewig dauern. Ich tat mein Bestes, stetig voranzugehen, die anderen zu führen, die tiefen Krater herumzugehen und über die Sprünge und Risse im Boden zu springen. Der Boden war festgetreten und gab unter meinen Füßen nicht nach, aber seltsamerweise hatte man nicht das Gefühl, als würde man auf etwas treten, egal, wie fest man auftrat. Wir machten kein Geräusch beim Gehen und unsere paar kurzen Gespräche schienen nirgendwohin zu führen, bis wir in der überwältigenden Stille sogar den Impuls verloren zu reden. Also trotteten wir über die endlose Ebene, während sich die nervenzerreißende Stille in unsere Gedanken, Gefühle und Pläne fraß. Bis nur noch langsame, verbissene Hartnäckigkeit mich vorwärts trieb, die einfache Weigerung, von diesem schrecklichen Ort besiegt zu werden.

Irgendwann kamen wir an einer langen Reihe von überwältigend hohen Strukturen vorbei, die vielleicht einmal Gebäude gewesen waren. Groß wie Wolkenkratzer, aus einem schwach schimmernden, unbekannten Stein errichtet. Sie ragten über uns auf wie brütende Riesen, fremdartige, beunruhigende Formen mit tiefen Hohlräumen in den Seiten, die aussahen wie eine Vielzahl wachsamer, dunkler Augen. Die unteren Abschnitte waren mit langen Reihen verschnörkelter und unleserlicher Schriftzeichen bedeckt. Drohungen vielleicht oder Warnungen, oder vielleicht hieß es auch nur Vergesst uns nicht. Wir lebten hier und haben dies trotz der Natur unserer Welt gebaut.