Dennoch vermittelten diese handfesten Zeichen von Leben keinen Trost, am Ende blieb nur ein Gefühl von kalter Bosheit um sie herum, als wenn das, was auch immer an üblem Ungeziefer in diesen hässlichen Strukturen gelebt hatte, unsere Gegenwart zurückwies, unseren Zweck, unser Leben. Wir gingen weiter und ließen die Steinstrukturen tatsächlich hinter uns.
»Ist das die Hölle?«, fragte ich Molly irgendwann.
»Nein«, sagte sie. »Die Hölle ist lebendiger als das hier.«
Als ob er erst vom Klang unserer Stimmen dazu ermutigt worden wäre, verkündete Mr. Stich plötzlich: »Wir werden beobachtet.«
Ich hielt an und die anderen taten es mir nach. Wir sahen uns um. Nur Felsspalten und Risse und Krater.
»Bist du sicher?«, fragte Molly und schauderte.
»Er hat recht«, sagte der Seneschall. Je mehr wir redeten, desto leichter fiel uns die Kommunikation. »Ich spüre schon seit Ewigkeiten, dass uns wachsame Augen folgen. Ich habe allerdings nichts gesehen.«
»Wir werden ganz sicher beobachtet«, sagte Mr. Stich. Seine Stimme war völlig ruhig und leicht, als ob er vorschlüge, den Tee auf dem Rasen einzunehmen.
»Ja«, sagte U-Bahn Ute. »Da ist etwas in unserer Nähe, ich kann es fühlen. Ich habe euch gesagt, dass etwas gekommen ist, um hier zu leben, und dass es sich von Reisenden ernährt. Deswegen benutzt niemand mehr den Weg der Verdammnis.«
»Vielleicht hätte man einfach nur den Namen ändern sollen«, sagte ich. »Werbung ist heutzutage alles.«
»Nicht jetzt, Eddie«, meinte Molly.
Giles Todesjäger zog sein Langschwert und drehte sich einmal langsam im Kreis. »Sie sind hier. Nah. Nah und tödlich.«
»Aber wer zur Hölle würde an so einem Ort leben wollen?«, fragte Molly.
Wir bildeten Schulter an Schulter einen Kreis, die Gesichter nach außen gewandt. Mir kam es vor als sei ich plötzlich wachsamer und aufmerksamer, als ob ich ein langes Nickerchen abschüttelte. Ich starrte hinaus in die endlose Ebene, den öden und langweiligen violetten Stein, aber nichts bewegte sich irgendwo. Was auch immer hier war, es musste ziemlich mächtig und ziemlich gefährlich sein. Nach allem, was U-Bahn Ute erzählt hatte, hatten einige erfahrene Leute diese Route benutzt und waren am anderen Ende nicht wieder aufgetaucht. Ich hielt nach etwas Großem Ausschau, etwas Beeindruckendem und ganz offensichtlich Tödlichem - aber ich hätte es besser wissen müssen. Immerhin war das hier eine sterbende Welt. Und was ziehen Tote und sterbende Körper an? Aasfresser, Parasiten und Schmarotzer.
Sie kamen aus den Spalten und Kratern, kriechend und krabbelnd, auf zwei Beinen oder allen Vieren bewegten sie sich über den toten Boden auf uns zu. Sie waren überall um uns herum, rennend, mit großen Schritten, eine Welle nach der anderen, sich windend wie Maden in einer offenen Wunde. Ich wusste nicht, ob dieser Ort ihre Heimat war oder ob sie von woanders herkamen, aber die Natur dieser Existenzebene war in sie übergegangen. Sie sahen aus, als hätten sie sich bemüht, menschlich auszusehen, aber es nicht geschafft. Sie sahen grob aus, unfertig, die Details ihrer Körper waren ungenau oder missgebildet oder fehlten ganz. Sie hatten nicht einmal Gesichter, nur phosphoreszierende, verfaulende Augen und runde Münder mit scharfen Zähnen wie Neunaugen.
Sie drangen von allen Seiten her auf uns ein, und sie schienen zahllos zu sein. Ich sprach leise die Worte, um aufzurüsten, aber nichts passierte. Ich versuchte es wieder, aber meine Rüstung antwortete nicht. Ich wandte mich zum Seneschall um, und sein schockierter Gesichtsausdruck war alles, was ich wissen musste. Er griff mit seinen Händen ins Leere, offenbar versuchte er, seine Waffen zu ziehen, aber nichts passierte. Molly hob ihre Arme, als wolle sie etwas beschwören, aber dann sah sie mich verdutzt an, als nichts passierte.
»Es ist diese Welt«, sagte U-Bahn Ute. »Komplizierte Magie kann hier nicht wirken. Oder komplizierte Wissenschaft. Die desintegrierenden Gesetze dieser Realität können sie nicht unterstützen. Das ist der Grund, warum so viele erfahrene Leute es nicht hier herausgeschafft haben. Wir sind hilflos. Ohne Schutz.«
»Für dich gilt das vielleicht«, sagte Giles. Er schwang sein Langschwert vor sich hin und her. »Ein starker rechter Arm, eine gute Klinge und ein aufrechtes Herz werden immer funktionieren.«
»In der Tat«, meinte Mr. Stich und hielt plötzlich sein langes Messer in der Hand.
Molly griff nach unten in ihre Stiefelschäfte und zog zwei schlanke, silberne Dolche heraus. »Athamen«, sagte sie knapp. »Hexendolche. Ich benutze sie meist für Rituale, aber sie sind trotzdem scharf und gefährlich genug für sowas hier.«
Sie gab mir einen. Es fühlte sich überraschend schwer an für etwas, das so zierlich aussah. Der Seneschall zog ein langes Messer mit gezackter Klinge aus seinem Ärmel.
»Ein Albanischer Stoßdolch«, sagte er. »Ist immer gut, so eine kleine Überraschung in Reserve zu haben. Wenn man etwas Lebendiges, dass einen ärgert, unbedingt töten muss.«
»Messer werden nicht funktionieren«, meinte U-Bahn Ute hohl. »Schwerter werden nicht funktionieren. Es sind einfach zu viele. Wir werden hier alle sterben. Wie jeder andere.«
»Ich glaube, du bist schon zu lange auf dieser Welt«, sagte Molly. »Bleib hinter mir und alles wird gut.«
»In der Überzahl zu sein, ist keine Garantie für einen Sieg«, sagte Giles. »Jeder erfahrene Soldat weiß das. Behaltet euren Boden, sorgt dafür, dass jeder Streich trifft, erinnert euch an die Übungen und alles wird gut. Ein geübter Soldat mit einer Klinge ist jedem unbewaffneten Mob gewachsen.«
Wir standen Schulter an Schulter, unsere Waffen gezückt. U-Bahn Ute setzte sich plötzlich im Inneren des Kreises auf den Boden und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Die Schmarotzer rannten von allen Seiten gleichzeitig mit großen Schritten über den rissigen Boden auf uns zu. Eine Welle nach der anderen, zu viele, als dass man sie hätte zählen können. Wenn es einen Ort gegeben hätte, zu dem ich hätte fliehen können, ich hätt's getan. Aber die helle Lichtsäule schien so weit weg wie nur je und wir waren umzingelt. Also blieb uns nur übrig, zu bleiben und zu kämpfen und - wenn es nötig wurde - gut zu sterben.
Hoffentlich konnte jemand anderes noch rechtzeitig einen Weg zum Turm finden und ihn zerstören. Ich wünschte … na ja. Es gab so vieles, von dem ich mir wünschte, es noch getan oder gesagt zu haben. So viele Dinge, die ich noch tun wollte - aber ich vermute, das will man immer, auch wenn man gerade nicht stirbt. Ich warf einen kurzen Blick auf Molly und wir tauschten ein letztes, süßes und wildes Lächeln. Und dann waren die Schmarotzer da.
Sie erreichten Giles zuerst und er hieb sie mit müheloser Leichtigkeit nieder. Sein Langschwert schwang vor und zurück, als wäre es schwerelos, die unglaublich scharfe Klinge fuhr durch Fleisch und Knochen gleichermaßen. Dunkles Blut sprudelte und die Schmarotzer fielen, ohne ein Geräusch von sich zu geben. Giles lachte glücklich; er tat, was er am besten konnte und war dabei in seinem Element. Mr. Stich benutzte sein Messer beinahe beiläufig und durchschnitt mit elegantem Können Kehlen, stach in Bäuche und Augen. Er lächelte ebenfalls, aber in seinen Augen lag keine Emotion, nur ein dunkles, verzweifeltes Bedürfnis, das nie befriedigt werden konnte. Der Seneschall stampfte und warf sich mit brutaler Effizienz in den Kampf und tötete alles, was ihm zu nahe kam. Er runzelte dabei die Stirn, als sei er mit etwas Notwendigem, aber Abscheulichem beschäftigt.
Molly und ich kämpften Seite an Seite, hackten und stachen auf die schrecklich unfertigen Kreaturen ein, die nach wie vor auf uns eindrangen. Die Schmarotzer hatten keinen Sinn für Taktik oder gar Selbstschutz. Sie gingen einfach mit zu Klauen geformten Händen auf uns los, die brüchig wie tote Zweige waren; glühende, verfaulende Augen schauten blicklos, und dunkler Speichel, troff aus ihren runden Mäulern. Ihnen war nichts außer der Gier zu töten und zu fressen geblieben. Sie versuchten, uns herabzuziehen und auseinanderzureißen, ohne zu wissen oder sich auch nur darum zu kümmern, was sie da zu zerstören suchten.