»Ich bezweifle, dass wir das je erfahren werden«, antwortete ich. »Es war ein ganz schöner Schuss ins Blaue. Aber wie auch immer, wir können uns nicht auf sie verlassen, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen, also kommt's jetzt auf uns an.«
»Es gibt einen Eingang zu dem unterirdischen Bunker, nicht weit von hier«, verkündete Mr. Stich auf einmal. Er wies zuversichtlich in die Dunkelheit. Als er bemerkte, dass wir ihn alle anstarrten, lächelte er kurz. »Ich habe viele Fähigkeiten«, sagte er ruhig. »Ich verrate sie nur nicht unnötig. Sollen wir gehen?«
»Auf alle Fälle«, meinte ich. »Bitte nach Ihnen.«
Er nickte, schritt über die weite Ebene und wir alle folgten ihm. Ich war froh, dass er die Führung übernommen hatte. Ohne den Seneschall wollte ich Mr. Stich nicht hinter mir wissen. Er war vielleicht ein Teil der Mission, aber ich würde ihm nie wieder vertrauen. Nicht nach der Sache mit Penny.
Plötzlich hielt er an und starrte herunter auf ein Stück Wiese, dass sich nicht vom Rest unterschied. Dann stampfte er zwei Mal fest auf den Boden und trat zurück. Ein großes Stück des Rasens hob sich langsam und gab einen dunklen Tunnel frei, der nach unten führte. Mr. Stich wollte ihn betreten, doch ich hielt ihn zurück und übernahm nach einem bedeutungsvollen Blick auf Molly wieder die Führung. Wenn das wirklich ein Weg in Trumans Bunker war, wollte ich nicht, dass Mr. Stich voran ging und Entscheidungen für uns alle traf. Molly konnte ihn im Auge behalten.
Elektrische Lichter flammten auf, als wir den Tunnel betraten, wahrscheinlich ausgelöst durch einen versteckten Sensor. Die Wände bestanden aus gewölbtem Stahl und schimmerten dumpf. Truman hatte es mit Stahl. Persönlich war ich der Ansicht, dass er einfach zu viele James-Bond-Filme gesehen hatte. Aber das hatte ich auch. Wir gingen den Stahlkorridor entlang, bis er auf einen anderen traf, genauso breit, genauso nackt und schlicht. Unsere Schritte hallten laut auf dem geriffelten Boden und ich erwartete fast, dass jeden Moment bewaffnete Wachleute auftauchten. Aber niemand kam, um zu sehen, was los war. Kein Alarm, keine erhobenen Stimmen - nichts. Der ganze Ort war unnatürlich still. Molly stupste mich in die Seite, sah sich finster um und blieb jetzt so dicht bei mir, dass ich die Spannung in ihr ebenfalls spüren konnte.
»Da stimmt was nicht«, sagte sie leise. »In Trumans letzter Basis wimmelte es nur so von Leuten. Wo sind die alle?«
»Gute Frage«, erwiderte ich. »Wir dürfen nicht vergessen, dass das hier nicht nur ein Quartier des Manifesten Schicksals, sondern auch ein Nest der Abscheulichen ist.«
Sie sah mich nicht an. Sie musste wissen, was ich dachte. Sie hatte einen Abscheulichen in sich, der wuchs und größer wurde. Wer wusste schon, was das Ding tat, jetzt, wo es sich endlich unter seinesgleichen befand.
Ich begann zu hoffen, dass wir bald auf ein paar bewaffnete Wachen träfen. Ich hatte wirklich den Eindruck, ich müsste meine angestaute Frustration an einer ganzen Meute von armen, hilflosen, bewaffneten Wachen auslassen.
Aber als wir um eine letzte Stahlecke bogen und endlich in den ersten offenen Raum in diesem Bunker spähten, fiel auf einmal ein massives Stahlschott von der Decke und versperrte den Korridor. Es blockierte unseren Weg mit bestimmt zwei Tonnen Stahl und traf mit einem so lauten Knall auf den Boden, dass ich tatsächlich das Gesicht verzog. Aber immer noch wurde kein Alarm ausgelöst, kein Stimmengewirr war zu hören, das zu wissen verlangte, was zur Hölle hier los war. Wo zum Teufel waren die alle? Was machte Truman hier unten nur?
Ich sprach leise die aktivierenden Worte und boxte dann vor Freude in die Luft, als die goldene Rüstung glatt über mich hinwegfloss. Es war ein gutes Gefühl, sie wieder zu haben. Ich schlug auf das Stahlschott und legte meine ganze gerüstete Kraft hinein. Meine goldene Faust sank knapp zehn Zentimeter in den Stahl, aber das war's auch schon. Ich musste meine Hand Zentimeter für Zentimeter wieder herauszerren. Ich kauerte mich hin und rammte beide Hände in den unteren Teil des Schotts, grub meine goldenen Finger tief hinein und strengte mich mit aller Kraft an, das massive Schott zu heben. Es zitterte ein wenig, aber hob sich kaum mehr als ein paar Zentimeter vom Boden. Ich konnte einfach nicht genug Hebelwirkung aufbringen. Meine goldenen Finger glitten langsam durch den Stahl wie durch dicken Schlamm und waren nicht in der Lage, ihn ordentlich zu fassen zu bekommen. Ich zog meine Hände wieder heraus und trat einen Schritt zurück, um das Schott böse anzufunkeln, verblüfft und frustriert.
»Ich habe eine Strahlwaffe«, sagte Giles Todesjäger schüchtern.
»Nein«, sagte ich sofort. »Keiner weiß, welche Arten von Verteidigung oder Fallen Truman da drin installiert hat. Lasst uns die Dinge nicht schlimmer machen, als sie schon sind.«
Molly schnaubte und stieß mir ihren Ellbogen in die Seite. »Männer«, sagte sie verächtlich. »Wenn ihr's nicht zerschlagen oder erschießen könnt, dann wisst ihr nicht weiter.«
Sie stach mit dem Zeigefinger herrisch nach der Stahlplatte, sagte zwei sehr alte und kraftvolle Worte der Macht und das Schott schüttelte sich tatsächlich einmal kräftig durch, bevor es sich widerwillig wieder zurück in seinen Schacht an der Decke hob. Molly grinste Giles und mich herablassend an, zweifellos lag ihr schon etwas sehr Bissiges auf der Zunge, doch da gingen auf einmal die Maschinengewehre los.
Giles schnappte Molly und warf sie auf den Boden und bedeckte ihren Körper mit seinem. Er ignorierte ihre erstaunlichen Flüche. Ich beeilte mich, den Flur zu blockieren und jeden mit meiner goldenen Uniform zu schützen. Kugeln sprühten durch den ganzen Gang, aber die goldene Rüstung absorbierte sie einfach. Ich spürte nicht einmal die Einschläge, während ich langsam mitten in den Kugelhagel hineinging. Ich bemerkte schnell, dass es gar keine Wachen gab, nur zwei automatische Maschinengewehre, die dorthin gesetzt worden waren, um das Ende des Korridors unter Feuer halten zu können, schwangen langsam und methodisch auf ihren Halterungen hin und her. Es sah so aus, als hätten sie ihre Munition bald verschossen, aber ich war in der Stimmung, etwas kaputtzumachen, also riss ich sie aus ihren Verankerungen und zerknüllte sie in meinen goldenen Händen. Beide gaben zufriedenstellende Quiekgeräusche von sich und ich warf sie beiseite. Eine wunderbare Stille breitete sich im Gang aus. Nur Molly war immer noch damit beschäftigt, Giles nach Leibeskräften zu beschimpfen, als er ihr aufhalf.
»Ich kann mich selbst beschützen, besten Dank!«, schnaubte sie. »Ich muss nicht von einer übereifrigen und viel zu muskulösen Drama Queen auf den Boden geworfen werden!«
»Von mir aus«, meinte Giles. »Das nächste Mal lasse ich dich mit Freuden sterben.«
»Sollte ich vielleicht auch tun«, fügte ich hinzu. »Wäre auf lange Sicht weniger Arger.«
»Mir geht es übrigens gut«, sagte Mr. Stich.
»Das hab ich nie bezweifelt«, erwiderte ich, ohne mich umzudrehen.
Wir gingen weiter, durch das Innere von Trumans unterirdischer Basis. Alles war chaotisch: Umgeworfene Möbel, herumfliegendes Papier, offene Türen zu Sicherheitsbereichen. Nirgendwo waren Leute. Nur leere Räume und verlassene Korridore. Die Hälfte der Lichter arbeitete nicht und seltsame Schatten schienen überall zu lauern. Als wir weiter vordrangen, fanden wir Arbeitskonsolen, an denen Computer und andere Technologie herausgerissen und ausgeweidet worden waren. In den Stahlwänden fanden wir jetzt große Risse vor, lang und gezackt, als hätten Klauen hineingeschlagen, Draht und Kabel hingen dabei wie Eingeweide aus offenen Wunden heraus. Und die einzigen Geräusche, die wir in der gesamten Basis hören konnten, waren die, die wir selbst mitbrachten.
Endlich, als wir uns dem Operationszentrum näherten, fanden wir allmählich Leichen, die man achtlos aufgehäuft hatte, als wären sie einfach zusammengezerrt und aus dem Weg geräumt worden. Jetzt gab es Anzeichen von Kämpfen, offenbar waren die Leute nicht freiwillig in den Tod gegangen. Kugellöcher in den Wänden, verkohlte Einschläge von Granaten, die Überreste von improvisierten Barrikaden. Sie hatten einen Kampf geliefert, nur um wie ihre Computer zu enden: zerrissen, aufgeschlitzt, ausgeweidet. Aufgebrochen, um an die Teile zu kommen. Ganze Organe fehlten, und Hände und Augen. Blut und Eingeweide lagen überall herum, dampften immer noch und stanken in der kalten, stillen Luft.