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»Was meinst du mit >kümmern<? Taylor ist tot.«

Betretenes Schweigen.

Dann erwiderte Leclerc: »Du weißt genau, daß Taylor unter falschem Namen unterwegs war. Jemand muß seine Habseligkeiten abholen, den Film aufstöbern.

Avery fährt als nächster Verwandter. Das Ministerium hat es schon genehmigt. Es war mir nicht klar, daß ich auch deine Zustimmung brauche.«

»Um die Leiche zu übernehmen?«

»Den Film zu bekommen«, zischte Leclerc.

»Das ist eine Einsatz-Arbeit. Avery hat keine Übung.«

»Im Krieg waren sie alle jünger, als er ist. Er kann sehr gut auf sich selbst aufpassen.«

»Taylor konnte es nicht. Was wird er unternehmen, sobald er den Film hat: ihn in seinem Waschbeutel nach Hause bringen?«

»Können wir das anschließend besprechen?« meinte Leclerc und wandte sich wieder an die anderen, wobei er ihnen geduldig zulächelte, als wolle er damit sagen, daß man eben Rücksicht auf den alten Adrian nehmen müsse.

»Bis vor zehn Tagen war das alles, auf das wir uns stützen konnten. Dann aber gab es den zweiten Hinweis. Das Gebiet um Kalkstadt war zum Sperrgebiet erklärt worden.« Aufgeregtes, sehr interessiertes Murmeln. »Im Umkreis von - soweit wir feststellen können - dreißig Kilometern. Völlig abgeschlossen, gesperrt für jeden Verkehr. Sie zogen sogar Grenzschutzeinheiten zusammen.« Er überflog die Gesichter in der Runde. »Zu diesem Zeitpunkt informierte ich den Minister. Nicht einmal Ihnen hier kann ich alle Zusammenhänge erklären. Aber lassen Sie mich eines erwähnen.«

Den letzten Satz hatte er schnell hervorgestoßen, wobei er mit einer ruckartigen Bewegung die kleinen Hörner seines graumelierten Haares, die über seinen Ohren wuchsen, zurückstrich. Haldane war vergessen.

»Was uns von Anfang an wunderte« - er wies mit dem Kopf auf Haldane, eine entgegenkommende Geste im Augenblick des Sieges, die Haldane aber nicht zur Kenntnis nahm -, »war die Abwesenheit sowjetischer Truppen. Sie haben Einheiten in Rostock, Wismar, Schwerin.« Sein Finger wies auf die Fähnchen. »Aber keine - und das wird von anderen Agenturen bestätigt - in der unmittelbaren Umgebung von Kalkstadt. Wenn es dort wirklich Waffen gibt, Waffen von hoher Zerstörungskraft, weshalb sind dann nicht auch sowjetische Truppen dort?« McCulloch äußerte eine Vermutung: Könnten nicht Techniker dort sein, sowjetische Ingenieure in Zivil?

»Das halte ich für unwahrscheinlich.« Ein zurückhaltendes Lächeln. »In vergleichbaren Fällen, bei denen taktische Waffen transportiert wurden, haben wir immer mindestens eine sowjetische Einheit identifiziert. Andererseits: vor etwa fünf Wochen sind tatsächlich einige russische Soldaten in Gutsweiler gesehen worden. Das liegt etwas weiter südlich.« Er stand wieder an der Landkarte. »Sie blieben für eine Nacht in einem Gasthaus. Ein paar hatten Artillerie-Abzeichen, manche hatten nicht einmal Schulterstücke. Am nächsten Morgen zogen sie sehr früh ab, Richtung Süden. Man könnte den Schluß daraus ziehen, daß sie etwas gebracht hatten, das sie bei ihrem Abmarsch dort ließen.«

Woodford wurde unruhig. Worauf sollte das alles hinauslaufen, wollte er wissen, was hielt man im Ministerium davon? Für das Lösen von Rätseln hatte er keine Geduld.

Leclerc schaltete auf seinen belehrenden Ton um, der keinen Widerstand duldete: Tatsachen sind Tatsachen, und über Tatsachen läßt sich nicht streiten. »Die Auswertung hat großartig gearbeitet. Die Gesamtlänge der auf diesen Bildern gezeigten Objekte - und so etwas können sie sehr genau feststellen - entspricht den Maßen der sowjetischen Mittelstreckenraketen. Auf Grund der vorliegenden Informationen« - er klopfte mit den Knöcheln leicht auf die Karte, was sie in seitwärts schwingende Bewegung versetzte, »hält es das Ministerium nicht für ausgeschlossen, daß wir es mit sowjetischen Raketen zu tun haben, die Ostdeutschland zur Verfügung gestellt worden sind.« Schnell setzte er hinzu: »Unsere Auswertung ist nicht bereit, so weit zu gehen. Nun, wenn sich die Ansicht des Ministeriums durchsetzen würde, das heißt, wenn sie recht hätten, dann stünden wir vor einer Situation wie« - das war sein großer Augenblick - »in Kuba! Die gleiche Situation wie in Kuba, nur« - er versuchte seiner Stimme einen Entschuldigung heischenden Unterton zu geben, um es möglichst nebensächlich klingen zu lassen -»noch viel gefährlicher.« Damit hatte er sie gefangen.

»In diesem Stadium«, erklärte Leclerc, »fühlte sich das Ministerium berechtigt, eine Überfliegung des Gebietes zu genehmigen. Wie Sie wissen, hat sich unsere Organisation während der letzten vier Jahre mit Luftaufnahmen begnügen müssen, die auf den offiziellen zivilen und militärischen Luftverkehrsstrecken gemacht worden waren. Sogar dazu brauchten wir die Erlaubnis des Auswärtigen Amtes.« Er schweifte ab: »Ja, es war wirklich zu schade.« Seine Augen schienen etwas zu suchen, das nicht mehr innerhalb dieses Raumes lag. Die anderen beobachteten ihn gespannt, sie warteten, daß er fortfuhr.

»Diesmal war das Ministerium bereit, die Entscheidungsgewalt abzugeben. Und ich bin froh, Ihnen sagen zu dürfen, daß die Aufgabe, dieses Unternehmen durchzuführen, unserer Organisation übertragen wurde. Wir wählten den besten Piloten, den es in unseren Listen gibt: Lansen.« Jemand in der Runde sah erstaunt auf. Die Namen von Agenten wurden nie in dieser Form ausgesprochen. »Lansen nahm es gegen Honorar auf sich, während eines Charterfluges von Düsseldorf nach Finnland vom Kurs abzuweichen. Taylor wurde entsandt, den Film entgegenzunehmen. Er starb auf dem Flugplatz. Ein Verkehrsunfall, wie es scheint.«

Von draußen kam das Geräusch der im Regen vorbeifahrenden Autos herein, und es klang wie das Rascheln von im Wind bewegtem Papier. Das Feuer war erloschen. Nur der Rauch war geblieben und hing wie eine Wolke über dem Tisch.

Sandford hatte die Hand gehoben. Welche Art Rakete sollte das angeblich sein?

»Eine Sandal, mittlere Reichweite. Die Auswertung sagte mir, sie sei öffentlich zum erstenmal im November 1962 auf dem Roten Platz gezeigt worden. Seither hat sie eine gewisse Berühmtheit erlangt. Es waren Sandal-Raketen, die von den Russen in Kuba installiert wurden. Die Sandal ist außerdem« - ein kurzer Blick zu Woodford -»ein direkter Nachkomme der im Krieg von den Deutschen benützten V 2.« Er holte von seinem Schreibtisch einige andere Fotos und legte sie auf den Tisch.

»Hier ist ein Foto der Sandal-Rakete aus unserer Auswertungsabteilung. Man sagte mir, ihr typisches Merkmal sei das, was man als Zackengürtel bezeichnen könnte« - er deutete auf ein Gebilde am unteren Ende des Geschosses - »und die kleinen Flossen. Sie ist rund zwölf Meter lang. Wenn Sie es genau betrachten, können Sie die Rillen neben der Führungsleiste sehen - genau hier -, durch die der Schutzüberzug in seiner richtigen Lage festgehalten wird. Ironischerweise haben wir kein Foto zur Verfügung, das die Sandal in ihrem Schutzüberzug zeigt. Vielleicht haben die Amerikaner eines, aber ich sehe mich im augenblicklichen Stadium nicht in der Lage, sie daraufhin anzusprechen.«

Woodford reagierte schnell und pflichtete ihm bei: natürlich nicht.

»Der Minister war besorgt, daß wir sie nicht voreilig alarmieren. Die Amerikaner reagieren ja schon beim kleinsten Hinweis auf Raketen in der härtesten Weise. Ehe wir überhaupt wissen, wo sie sind, werden sie schon ihre U 2 über Rostock fliegen lassen.« Vom Gelächter der anderen ermutigt, fuhr Leclerc fort: »Der Minister machte noch eine Bemerkung, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Das Land, das von den Raketen am meisten bedroht ist, könnte - da sie eine Reichweite von zwölfhundert Kilometern haben - sehr wohl unser eigenes sein. Sicherlich aber ist es nicht Amerika. Politisch gesehen, wäre es jetzt ein sehr ungünstiger Augenblick, unsere Köpfe in den Schürzenzipfel Amerikas zu verstecken. Schließlich haben wir - es der Minister ausdrückt - noch immer ein oder zwei eigene Zähne.«

Haldane sagte sarkastisch: »Das ist ein köstlicher Vergleich«, und Avery wandte sich ihm mit dem bisher unterdrückten Zorn zu.

»Sie waren schon witziger«, sagte er und fügte beinahe hinzu: Haben Sie doch etwas Mitleid! Haldanes Blick hielt Avery einen Augenblick gefangen, ehe er ihn freigab: dieser Verstoß war ihm nicht vergeben, nur die Sühne war auf später vertagt. Jemand fragte, was als nächster Schritt geplant sei, falls Avery den Film Taylors nicht finden würde. Angenommen, er war einfach nicht mehr vorhanden? Könnten sie das Gebiet noch einmal überfliegen lassen? »Nein«, sagte Leclerc. »Noch eine Überfliegung steht außerhalb jeder Debatte. Viel zu gefährlich. Wir werden etwas anderes versuchen müssen.« Weiter schien er noch nicht gehen zu wollen, aber Haldane fragte: »Und was zum Beispiel?«