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»Wir werden wohl einen Mann hineinschicken müssen. Das scheint die einzige Möglichkeit zu sein.«

»Diese Organisation hier?« fragte Haldane voll Unglauben. »Einen Mann hineinschicken? Das Ministerium wird so was niemals zulassen. Du meinst damit doch sicher, daß du das Rondell darum bitten wirst?«

»Ich habe dir die Lage bereits erklärt, Adrian. Du willst doch nicht etwa behaupten wollen, daß wir es nicht machen könnten?« Er sah sich herausfordernd in der Tischrunde um. »Jeder von uns hier, ausgenommen der junge Avery, ist seit zwanzig Jahren in diesem Geschäft. Du persönlich hast schon mehr über Agenten vergessen, als die meisten Leute im Rondell jemals gewußt haben.«

»Hört! Hört!« rief Woodford.

»Denk an deine eigene Abteilung, Adrian, denk an die Auswertung: während der letzten fünf Jahre muß es ein halbes Dutzend Gelegenheiten gegeben haben, bei denen das Rondell zu dir gekommen ist, um deinen Rat einzuholen, von deinen Einrichtungen und Erfahrungen zu profitieren. Es könnte der Tag kommen, da sie sich auch auf unsere Agenten stützen! Das Ministerium hat uns eine Überfliegung genehmigt. Weshalb nicht auch einen Agenten?«

»Du hast noch einen dritten Hinweis erwähnt. Ich habe nicht verstanden. Was war das?«

»Taylors Tod«, sagte Leclerc.

Avery stand auf, nickte grüßend und ging auf den Zehenspitzen zur Tür. Haldane beobachtete ihn, während er den Raum verließ.

 

5. Kapitel

 

Carol hatte einen Zettel auf seinen Schreibtisch gelegt: »Ihre Frau hat angerufen.« Er ging in ihr Büro, wo sie vor ihrer Schreibmaschine saß, ohne zu schreiben. »Sie würden nicht so über den armen Wilf Taylor sprechen, wenn Sie ihn besser gekannt hätten«, sagte sie.

»Nicht wie? Ich habe überhaupt nicht von ihm gesprochen.«

Er glaubte, sie trösten zu müssen. Manchmal berührten sie einander, und er glaubte, sie erwarte das jetzt. Er beugte sich vor, bis er ihre Haarspitzen auf seiner Wange fühlte. Als er seinen Kopf an ihre Schläfe lehnte, spürte er ihre Haut, die sich leicht über den flachen Schädelknochen spannte. Einen Augenblick verharrten sie in dieser Stellung: Carol saß mit steifem Rücken und schaute gerade vor sich hin. Ihre Hände lagen zu beiden Seiten der Schreibmaschine, während Avery sich ungeschickt vorneigte. Er dachte daran, seine Hand unter ihren Arm zu schieben und ihre Brust zu berühren, aber er tat es nicht. Beide zogen sich sanft zurück, trennten sich und waren wieder allein. Avery stand auf.

»Ihre Frau hat angerufen«, sagte sie. »Ich sagte ihr, Sie seien in der Konferenz. Sie möchte Sie dringend sprechen.«

»Danke. Ich bin schon unterwegs.«

»John, was ist los? Was soll das Ganze mit dem Rondell? Was hat Leclerc vor?«

»Ich dachte, Sie wüßten es. Er sagte, er habe Sie auf die Liste gesetzt.«

»Das meine ich nicht. Warum lügt er Sie wieder an? Er hat ein Memorandum für Control diktiert, in dem von irgendeinem Trainingsplan die Rede ist, und daß Sie ins Ausland fahren. Pine hat es abgeliefert. Leclerc hat sich wie ein Verrückter wegen der Pension von Mrs. Taylor aufgeführt, nach Präzedenzfällen gesucht, und der Himmel weiß, was noch alles. Sogar das Gesuch ist streng geheim. Er baut wieder eines seiner Kartenhäuser, John, ich weiß es. Wer, zum Beispiel, ist Leiser?«

»Sie dürfen es nicht wissen. Er ist ein Agent, ein Pole.«

»Arbeitet er fürs Rondell?« Sie wechselte ihre Spur. »Also warum fahren Sie? Das ist ein anderer Punkt, den ich nicht verstehe. Warum mußte Taylor wegen dieser Sache fahren? Wenn das Rondell in Finnland Kuriere hat, warum haben wir sie nicht von allem Anfang an benützen können? Warum den armen Taylor schicken? Sogar jetzt noch könnte das AA die Sache bereinigen. Ich bin sicher, daß sie das könnten. Er will dem Rondell einfach nicht die Möglichkeit dazu geben: Er versteift sich darauf, Sie zu schicken.«

»Sie verstehen das nicht«, sagte Avery kurz. »Was anderes«, fragte sie, als er sich zum Gehen wandte. »Warum haßt Adrian Haldane Sie so sehr?« Er besuchte die Buchhaltung und nahm dann ein Taxi zum Rondell. Leclerc hatte gesagt, er könne es verrechnen. Er war darüber verärgert, daß ihn Sarah gerade in einem solchen Augenblick zu erreichen versuchte. Er hatte ihr verboten, ihn jemals im Büro anzurufen. Leclerc war der Meinung, das sei ein Sicherheitsrisiko.

»Was haben Sie in Oxford studiert? Es war Oxford, nicht wahr?« fragte Smiley und bot ihm eine ziemlich zerdrückte Zigarette aus einem Zehnerpaket an. »Sprachen.« Avery klopfte seine Taschen nach einem Streichholz ab. »Deutsch und Italienisch.« Als Smiley nichts sagte, fügte er hinzu: »Deutsch im Hauptfach.« Smiley war ein kleiner, zerstreuter Mann mit dicken Fingern. Er hatte eine düstere, ausweichende Art, als fühle er sich unbehaglich. Was immer Avery erwartet hatte - das war es nicht.

»Na ja, na ja.« Smiley nickte sich selbst zu, ein sehr persönlicher Kommentar. »Ich glaube, es handelt sich um einen Kurier in Helsinki. Sie wollen ihm einen Film übergeben. Es ist ein Trainingskurs.«

»Ja.«

»Das ist eine höchst ungewöhnliche Bitte. Sind Sie sicher... wissen Sie, wie lang der Film ist?«

»Nein.« Lange Pause.

»Sie sollten versuchen, das in Erfahrung zu bringen«, sagte Smiley freundlich. »Ich halte es für möglich, daß der Kurier ihn verstecken möchte, wissen Sie.«

»Tut mir leid.«

»Ach, das macht nichts.«

Das Ganze erinnerte Avery an Sitzungen mit seinem Lehrer in Oxford, bei denen er seine Aufsätze vorlas.

»Vielleicht«, sagte Smiley nachdenklich, »kann ich Ihnen das eine sagen. Ich bin überzeugt, daß Leclerc es schon von Control erfahren hat. Wir wollen Ihnen jede Unterstützung geben, zu der wir fähig sind - jede mögliche Unterstützung.« Mit der seltsamen Unaufrichtigkeit, die allen seinen Äußerungen anzuhaften schien, murmelte er: »Es gab eine Zeit, in der sich unsere Organisationen Konkurrenz gemacht haben. Ich habe das immer sehr schmerzlich empfunden. Aber ich dachte mir, Sie könnten mir vielleicht ein wenig erzählen, nur ein klein wenig... Control war so erpicht darauf zu helfen. Es wäre uns furchtbar unangenehm, aus Unwissenheit etwas Falsches zu tun.«

»Es ist eine Schulungsübung. Mit voller Ausrüstung. Ich weiß selbst nichts Genaues darüber.«

»Wir wollen helfen«, wiederholte Smiley. »Gegen welches Land ist die Aktion gerichtet, gegen welches angenommene Land?«

»Ich weiß nicht. Ich spiele nur eine kleine Rolle. Es handelt sich um eine Übung.«

»Aber wenn es sich um eine Übung handelt, warum dann soviel Heimlichkeit?«

»Nun ja - Deutschland«, sagte Avery.

»Danke.«

Smiley schien verlegen zu sein. Er betrachtete seine vor ihm auf dem Schreibtisch leicht gefalteten Hände und fragte Avery, ob es noch immer regne. Avery sagte, ja leider.

»Es tut mir leid, das von Taylor gehört zu haben«, sagte Smiley. Avery erwiderte, Taylor sei ein guter Mann gewesen.

»Wissen Sie, wann Sie Ihren Film haben werden? Heute abend? Morgen? Leclerc dachte wohl eher an heute abend, nehme ich an.«

»Ich weiß nicht. Hängt davon ab, wie es läuft. Ich kann es im Augenblick einfach nicht sagen.«

»Nein.« Es folgte eine lange, grundlose Pause. Er ist wie ein alter Mann, dachte Avery, er vergißt, daß er nicht allein ist. »Nein, man muß mit so vielen Imponderabilien rechnen. Haben Sie diese Art Arbeit schon einmal gemacht?«