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»Ein- oder zweimal.«

Wieder sagte Smiley nichts und schien die Pause nicht zu bemerken.

»Wie geht es denn in der Blackfriars Road? Haldane - kennen Sie den überhaupt?« Auf eine Antwort legte Smiley offenbar keinen Wert. »Er leitet jetzt die Auswertung.«

»Natürlich. Ein guter Kopf. Ihre Auswertung genießt einen recht guten Ruf, wissen Sie. Wir selbst haben uns mehr als einmal an sie gewandt. Haldane und ich studierten zur selben Zeit in Oxford. Während des Krieges arbeiteten wir dann eine Zeitlang zusammen. Er hat den B. A. mit Auszeichnung gemacht. Wir hätten ihn nach dem Krieg hierher holen sollen. Ich erinnere mich, daß sich die Ärzte um seine Lunge Sorgen machten.«

»Ich habe nichts darüber gehört.«

»Darüber hatten Sie nichts gehört?« Er zog seine Augenbrauen auf eine komische Art in die Höhe. »In Helsinki gibt es ein Hotel namens >Prinz von Dänemark<. Gegenüber dem Hauptbahnhof. Kennen Sie es zufällig?«

»Nein. Ich war noch nie in Helsinki.«

»Tatsächlich nicht?« Smiley betrachtete ihn beunruhigt. »Es ist eine sehr seltsame Geschichte. Dieser Taylor: war er auch im Training?«

»Ich weiß nicht. Aber ich werde das Hotel finden«, sagte Avery mit leichter Ungeduld. »Gleich hinter der Eingangstür werden Zeitschriften und Ansichtskarten verkauft. Es gibt nur den einen Eingang.« Er hätte vom Haus nebenan sprechen können. »Und Blumen. Ich glaube, es wäre für Sie am besten, wenn Sie dorthin gingen, sobald Sie den Film haben. Bitten Sie die Leute im Blumenkiosk, ein Dutzend roter Rosen an Mrs. Avery ins Hotel Imperial nach Torquay zu schicken. Oder ein halbes Dutzend würde auch genügen, wir wollen doch kein Geld verschwenden, nicht wahr? Blumen sind dort oben so teuer. - Reisen Sie unter Ihrem eigenen Namen?«

»Ja.«

»Hat das einen besonderen Grund?« Dann fügte er hastig hinzu: »Ich möchte ja nicht neugierig sein, aber unser Dasein ist ohnehin schon so kurz. - Ich meine, bevor es zu Ende ist.«

»Es dauert wohl ziemlich lang, einen falschen Paß zu bekommen. Das Auswärtige Amt.« Er hätte nicht antworten sollen. Er hätte ihn auffordern sollen, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. »Entschuldigen Sie«, sagte Smiley und runzelte die Stirn, als habe er eine Taktlosigkeit begangen. »Sie können immer zu uns kommen, wissen Sie, wegen Pässen, meine ich.« Das war freundlich gemeint. »Also schicken Sie die Blumen. Bevor Sie das Hotel verlassen, vergleichen Sie Ihre Uhr mit der des Hotels. Nach einer halben Stunde kehren Sie zum Haupteingang zurück. Ein Taxifahrer wird Sie erkennen und seinen Wagenschlag öffnen. Steigen Sie ein, fahren Sie herum, geben Sie ihm den Film. Ach, und zahlen Sie bitte. Einfach den üblichen Fahrpreis. Die kleinen Dinge vergißt man so leicht. - Welche Art Schulung ist das eigentlich?«

»Was ist, wenn ich den Film nicht bekomme?«

»In diesem Fall unternehmen Sie nichts. Gehen Sie nicht in die Nähe des Hotels. Fahren Sie gar nicht nach Helsinki. Vergessen Sie's.« Avery wurde plötzlich bewußt, daß diese Anweisungen bemerkenswert klar waren.

»Als Sie Deutsch studierten, haben Sie da zufällig das 17. Jahrhundert berührt?« erkundigte sich Smiley hoffnungsvoll, als Avery schon gehen wollte. »Gryphius, Lohenstein und diese Leute?«

»Das war ein Spezialfach. Leider nein.«

»Spezialfach«, brummte Smiley. »Was für ein dummes Wort. Ich nehme an, man wollte damit sagen, daß es etwas abseitig sei. Eine sehr unpassende Auffassung.«

Erst an der Tür sagte er: »Haben Sie eine Aktentasche oder so etwas?«

»Ja.«

»Wenn Sie diesen Film haben, stecken Sie ihn in die Manteltasche. Behalten Sie die Aktentasche in der Hand. Wenn man Ihnen folgen sollte, wird man es vor allem auf die Aktentasche abgesehen haben. Das ist ganz natürlich. Wenn Sie sich der Aktentasche einfach irgendwo entledigen, wird man vielleicht nach ihr, statt nach Ihnen suchen. Ich halte die Finnen für keine sehr komplizierten Menschen. Das ist natürlich nur ein Schulungshinweis. Aber ich mache mir keine Sorgen. Ich habe immer das Gefühl, daß es ein Fehler ist, sich auf die Technik zu verlassen.« Er begleitete Avery an die Tür und ging dann nachdenklich den Korridor hinunter zum Zimmer von Control. Während Avery die Treppen zu seiner Wohnung hinaufstieg, überlegte er, wie Sarah reagieren würde. Jetzt tat es ihm leid, daß er nicht doch telefoniert hatte, denn er haßte es, sie in der Küche zu überraschen, während Anthonys Spielsachen über den Wohnzimmerteppich verstreut waren. Es war niemals gut, ohne Anmeldung nach Hause zu kommen. Sie schien zu erwarten, daß er etwas Schreckliches getan hatte, so sehr erschrak sie. Er hatte nie einen Schlüssel bei sich, denn Sarah war immer zu Hause. Soviel er wußte, hatte sie keine eigenen Freunde; sie ging niemals zu Kaffeekränzchen oder fuhr allein zu Einkäufen in die Stadt. Sie schien keinerlei Talent dazu zu haben, sich selbst ein Vergnügen zu gönnen. Er läutete und hörte, wie Anthony >Mami, Mami< rief, und horchte auf ihren Schritt. Die Küche war am anderen Ende des Ganges, aber diesmal kam sie aus dem Schlafzimmer, so leise, als sei sie barfuß. Sie öffnete die Tür, ohne ihn anzusehen. Sie trug ein Baumwollnachthemd und eine Strickjacke. »Du hast dir ganz schön Zeit gelassen«, sagte sie, drehte sich um und ging unsicher in das Schlafzimmer zurück. »Irgendwas nicht in Ordnung?« fragte sie über die Schulter. »Ist noch jemand umgebracht worden?«

»Was ist los, Sarah? Fühlst du dich nicht wohl?« Anthony tobte herum, weil sein Vater nach Hause gekommen war. Sarah kletterte ins Bett zurück. »Ich habe den Arzt angerufen. Ich weiß nicht, was es ist«, sagte sie, als sei Krankheit nicht ihr Fach. »Hast du Fieber?«

Sie hatte eine Schüssel mit kaltem Wasser und den Waschlappen aus dem Badezimmer neben das Bett geholt. Er drückte den Waschlappen aus und legte ihn auf ihre Stirn. »Du wirst dich hier nützlich machen müssen«, sagte sie. »Ich fürchte nur, daß es nicht so aufregend ist wie Spionage. Willst du mich nicht fragen, was mir fehlt?«

»Wann kommt der Arzt?«

»Er hat bis zwölf Ordination. Danach wird er kommen, nehme ich an.« Er ging in die Küche, wobei Anthony ihm folgte. Das Frühstücksgeschirr stand noch auf dem Tisch. Er rief ihre Mutter in Reigate an und bat sie, sofort herzukommen.

Kurz vor eins kam der Arzt. Ein Fieber, sagte er, irgendein Virus.

Avery hatte erwartet, daß sie bei der Mitteilung von seiner Reise weinen würde. Sie nahm es zur Kenntnis, überlegte eine Weile und schlug ihm dann vor, packen zu gehen.

»Ist es wichtig?« fragte sie plötzlich. »Natürlich. Sehr wichtig.«

»Für wen?«

»Für dich, für mich. Für uns alle, nehme ich an.«

»Auch für Leclerc?«

»Ich habe dir gesagt: für uns alle.«

Er versprach Anthony, ihm etwas mitzubringen.

»Wohin fährst du?« fragte Anthony.

»Mit dem Flugzeug.«

»Wohin?«

Er wollte ihm gerade sagen, daß das ein großes Geheimnis sei, als ihm Taylors kleine Tochter einfiel. Er küßte Sarah, trug seinen Koffer in das Vorzimmer und stellte ihn auf den Läufer. Sarah zuliebe waren an der Tür zwei Schlösser angebracht, die man gleichzeitig aufschließen mußte. Er hörte sie sagen: »Ist es auch gefährlich?«

»Ich weiß nicht. Ich weiß nur, daß es äußerst wichtig ist.«

»Du bist davon wirklich überzeugt, nicht wahr?« Fast verzweifelt rief er: »Schau, wie weit voraus soll ich denn denken? Das ist keine Frage der Politik, sondern eine Frage der Tatsachen, verstehst du das nicht? Kannst du mir denn nicht glauben? Kannst du mir nicht einmal im Leben sagen, daß ich etwas Nützliches tue?« Er ging zurück ins Schlafzimmer. Sarah hielt sich ein Taschenbuch vor das Gesicht und tat so, als ob sie lese. »Du weißt ganz genau, daß wir alle dort unser Leben abschirmen müssen. Es hat doch keinen Sinn, mich dauernd zu fragen: >Bist du überzeugt?< Es ist genauso, als fragtest du mich immer wieder, ob wir wirklich Kinder haben sollten, ob wir hätten heiraten sollen. Das hat einfach keinen Sinn.«