Выбрать главу

Als er ins Zimmer zurückkam, bemerkte er, daß es mit dem Geruch verkohlten Papiers erfüllt war. Er ging schnell zum Fenster und öffnete es. Ein eisiger Windstoß fuhr gegen seine nackten Beine. Er zog gerade den Bademantel fester um sich herum, als es an der Tür klopfte. Er starrte von Furcht gelähmt auf die Tür, hörte es wieder klopfen, rief schließlich >Ja< und sah, wie sich die Klinke bewegte. Es war der Mann von der Rezeption. »Mr. Avery?«

»Ja?«

»Verzeihung. Wir brauchen Ihren Paß. Für die Polizei.«

»Polizei!«

»Es ist hier so üblich.«

Avery hatte sich vor das Waschbecken gestellt. Die Vorhänge flatterten wild vor dem geöffneten Fenster. »Darf ich das Fenster schließen?« fragte der Mann. »Mir war nicht gut. Ich wollte ein bißchen frische Luft herein lassen.«

Er fand seinen Paß und gab ihn dem Mann, der - wie Avery bemerkte - auf das Waschbecken starrte, auf den braunen Fleck und die kleinen schwarzen Flocken, die im Becken zurückgeblieben waren. Sehnlicher als je zuvor wünschte er, wieder daheim in England zu sein.

Die Villen längs der Western Avenue wirken wie eine Reihe rosafarbener Gräber auf einem grauen Feld, ein steingewordenes Bild beginnenden Alters. Einförmigkeit ist die Folge widerspruchslosen Alterns, des sanften Sterbens und des erfolglosen Lebens. Diese Villen sind Häuser, denen es besser geht als ihren Bewohnern: sie tauschen sie nach Belieben aus, ohne sich selbst zu ändern. Möbelwagen gleiten respektvoll wie Leichenwagen zwischen ihnen hindurch, um diskret die Toten abzuholen und die Lebenden zu liefern.

Manchmal wird einer der Besitzer seine Hand rühren, um einige Töpfe Farbe auf Balken und Türen zu verteilen oder den Garten zu verschönern, aber seine Anstrengungen verändern das Haus nicht mehr, als ein Strauß Blumen das Krankenzimmer in einer Klinik verändert. Und das Gras wird auch in Zukunft auf seine eigene Art wachsen, wie das Gras auf einem Grab. Haldane stieg aus und schickte den Wagen weg, um zu Fuß in den Weg nach South Park Gardens einzubiegen, das gute fünf Minuten von der Avenue entfernt war: eine Schule, ein Postamt, vier Läden und die Filiale einer Bank. Er ging gebeugt, an seiner Hand baumelte eine Aktentasche. Er schritt gemessen über das Pflaster. Hinter den Häusern wurde der Turm einer modernen Kirche sichtbar, eine Uhr schlug sieben. An der Ecke ein Lebensmittelgeschäft, neue Fassade, Selbstbedienung. Er schaute auf den Namen: Smethwick. Im Laden war ein jüngerer Mann in braunem Overall gerade dabei, eine aus Büchsen errichtete Pyramide zu vollenden. Haldane klopfte an die Scheibe. Der Mann schüttelte den Kopf und stellte eine weitere Büchse auf den Turm. Haldane klopfte noch einmal, heftiger. Der Mann kam zur Tür. »Ich darf Ihnen nichts mehr verkaufen«, rief er durch das Glas, »wozu also das Geklopfe?« Dann sah er die Aktentasche und fragte: »Oder sind Sie Vertreter?« Haldane griff in die Brusttasche und hielt etwas gegen die Scheibe - eine Karte in einer Zellophanhülse, die aussah wie eine Dauerkarte. Der junge Mann starrte darauf, dann drehte er langsam den Schlüssel. »Ich möchte mit Ihnen privat sprechen«, sagte Haldane und trat in den Laden.

»So ein Ding habe ich noch nie gesehen«, bemerkte der junge Mann zögernd. »Ich nehme an, daß es in Ordnung ist?«

»Es ist ganz in Ordnung. Nachforschung von Amts wegen. Jemand namens Leiser, ein Pole. Soviel ich weiß, hat er vor ziemlich langer Zeit hier gearbeitet.«

»Da muß ich Vater holen«, sagte der junge Mann. »Ich war damals noch ein Kind.«

»Ich verstehe«, sagte Haldane in einem Ton, als sei ihm Jugend zuwider.

Es war schon fast Mitternacht, als Avery das Gespräch mit Leclerc bekam. Er war sofort am Apparat. Avery konnte sich genau vorstellen, wie er aufrecht in dem Eisenbett saß, die Militärdecken stellen, wie er aufrecht in dem Eisenbett saß, die Militärdecken zurückgeworfen hatte und mit seinem schmalen, hellwachen Gesicht auf die Neuigkeiten wartete. »Hier ist John«, sagte er vorsichtig. »Jaja, ich weiß schon, wer Sie sind.« Leclerc schien ärgerlich darüber, daß er seinen Namen erwähnt hatte.

»Ich fürchte, das Geschäft ist geplatzt, sie haben kein Interesse. Negativ. Sie sollten dem Mann, mit dem ich gesprochen habe, dem kleinen Dicken, sagen, daß wir die Hilfe seines Freundes hier nicht brauchen werden.«

»Ich verstehe. Macht nichts.« Er schien überhaupt kein Interesse zu haben.

Avery wußte nicht, was er sagen sollte. Er hatte einfach keine Ahnung. Dabei wünschte er so sehr, noch länger mit Leclerc zu sprechen. Er hätte so gerne berichtet, wie verächtlich er von Sutherland behandelt worden, und daß der Paß nicht in Ordnung gewesen war. »Die Leute hier, die Leute, mit denen ich verhandle, sind über das ganze Geschäft ziemlich beunruhigt.« Er wartete.

Er hätte Leclerc gerne mit seinem Namen angeredet, hatte aber für ihn keinen Namen. Es war in der Organisation nicht üblich, einander mit Mister anzureden.

Die Älteren redeten sich einfach mit ihren Familiennamen an und gebrauchten gegenüber den Jüngeren deren Vornamen. Es gab keine Regel dafür, wie man seinen Vorgesetzten anzusprechen hatte. So sagte Avery nur: »Sind Sie noch da?« Und Leclerc antwortete »Natürlich. Wer ist beunruhigt? Was ist schiefgegangen?« Avery dachte, ich hätte ihn mit Direktor ansprechen können, aber das hätte wohl gegen die Sicherheitsvorschriften verstoßen. »Der Vertreter hier, der Mann, der sich um unsere Interessen kümmert... er hat das ganze Geschäft durchschaut«, sagte er. »Er hat sich's wohl zusammengereimt.«

»Sie haben betont, daß es streng vertraulich ist?«

»Ja, natürlich.« Wie hätte er nur die Angelegenheit mit Sutherland erklären können?

»Gut. Wir können gerade jetzt keinen Ärger mit dem Auswärtigen Amt brauchen.« Mit veränderter Stimme fuhr Leclerc fort: »Hier läuft alles ausgezeichnet, John, ausgezeichnet. Wann kommen Sie zurück?«

»Ich muß mich um die ... es ist nicht so leicht, unseren Freund heimzubringen, wie Sie geglaubt haben. Man muß einen Haufen Formalitäten erledigen.«

»Wann werden Sie fertig sein?«

»Morgen.«

»Ich werde Sie mit dem Wagen in Heathrow abholen lassen. In den letzten Stunden hat sich hier viel verändert, viele Fortschritte. Wir brauchen Sie dringend. Und - gut gemacht, John, wirklich gut gemacht.«

»In Ordnung.«

Er hatte erwartet, in dieser Nacht tief zu schlafen, aber nach einer Zeitspanne, die ihm wie eine Stunde schien, fuhr er hellwach und gespannt aus dem Schlaf. Er sah auf seine Uhr. Es war zehn nach eins. Nachdem er aus dem Bett gestiegen war, ging er zum Fenster und blickte auf die schneebedeckte Landschaft hinaus, durch die sich als dunkles Band die zum Flughafen führende Straße zog. Er glaubte, die kleine Erhebung sehen zu können, auf der Taylor gestorben war.