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»Wieso geben sie ihm Landeerlaubnis?« fragte Taylor.

»Sie könnten ihn doch weiterschicken, nach Süden! Der Platz hier ist viel zu klein, warum schicken sie ihn nicht zu einem größeren Flugplatz?« Der Barkeeper schüttelte unbeteiligt den Kopf. »So schlecht ist der Platz gar nicht«, sagte er mit einer Kopfbewegung in Richtung zum Rollfeld. »Außerdem ist er spät dran. Vielleicht hat er keinen Sprit mehr.« Dann sahen sie die Maschine. Sie kam tief auf den Platz zu, und ihre Positionslampen leuchteten abwechselnd über der Kette der Markierungsfeuer auf, während ihre Scheinwerfer grelle Lichtstreifen auf die Rollbahn warfen. Dann war sie auf dem Boden und sicher gelandet, und sie hörten das Dröhnen ihrer gedrosselten Motoren, als die Maschine über die Landebahn bis zum Standplatz vor dem Gebäude heranzurollen begann.

Die Bar hatte sich geleert. Taylor war der einzige Gast. Er bestellte einen Drink. Er kannte seine Rolle: einfach in der Bar sitzen bleiben, hatte Leclerc gesagt. Lansen werde ihn an der Bar treffen. Er wird einige Zeit brauchen, mußte ja seinen Papierkram erledigen, die Kameras wegräumen. Taylor hörte, wie die Kinder unten sangen. Eine Frauenstimme führte sie. Warum, zum Teufel, mußten Kinder und Weiber um ihn sein? Was er hier gerade zu tun im Begriff war, war schließlich Männersache. Oder nicht? Mit fünftausend Dollar und einem falschen Paß in der Tasche. »Jetzt gibt es keine Flüge mehr«, sagte der Barkeeper. »Sie haben den Flugplatz für heute gesperrt.« Taylor nickte. »Ich weiß. Es ist verdammt scheußlich da draußen. Scheußlich.«

Der Barkeeper war im Begriff, die Flaschen wegzuräumen. »Es bestand keine Gefahr«, sagte er besänftigend. »Kapitän Lansen ist ein ausgezeichneter Pilot.«

Er zögerte, weil er nicht wußte, ob er auch den Steinhäger wegräumen sollte.

»Natürlich war es ganz ungefährlich«, brauste Taylor auf. »Wer hat was von Gefahr gesagt?«

»Noch einen Drink?« fragte der Barkeeper.

»Nein, aber nehmen Sie sich einen. Nur zu, gießen Sie sich einen ein.«

Der Barkeeper füllte sich widerstrebend ein Glas und sperrte die Flasche weg.

»Trotzdem, wie machen sie das?« fragte Taylor. Er hatte einen versöhnlichen Ton angeschlagen, um mit dem Barkeeper wieder Frieden zu schließen. »Bei einem solchen Wetter können sie doch nicht die Hand vor den Augen sehen.« Er zeigte das Lächeln des Kenners. »Du sitzt in der Führerkanzel und könntest deine Augen genausogut zumachen - so viel helfen sie dir. Ich hab's erlebt«, sagte Taylor, wobei er seine Hände locker vor sich hielt, als lägen sie um den Steuerknüppel. »Ich kenn' mich da aus. In der Kanzel ist man der erste, der's abbekommt, wenn mal wirklich was schiefgeht.« Er schüttelte den Kopf. »Die Jungs sind nicht zu beneiden«, erklärte er. »Ich gönn' ihnen jeden Pfennig, den sie verdienen. Besonders in einem derartigen Drachen: Diese Dinger sind ja mit Draht zusammengebunden. Mit Draht.« Der Barkeeper nickte zerstreut, leerte sein Glas, wusch es aus, trocknete es ab und stellte es in das Regal unter der Theke. Er knöpfte seine weiße Jacke auf.

Taylor rührte sich nicht.

»Tja«, sagte der Barkeeper mit freudlosem Lächeln, »jetzt müssen wir nach Hause gehen.« Taylor riß die Augen auf und warf den Kopf zurück. »Wieso wir? Was soll das heißen?« Jetzt hätte er es mit jedem aufgenommen: Lansen war gelandet. »Ich muß schließen.«

»Nach Hause ist gut. Gießen Sie uns noch einen ein, kommen Sie. Sie können nach Hause, wenn Sie wollen. Aber ich lebe in London.« Seine Stimme klang jetzt streitlustig, halb im Scherz, halb ärgerlich, mit steigender Lautstärke. »Und solange Ihre Gesellschaften nicht in der Lage sind, mich vor morgen früh nach London oder zu irgendeinem anderen verdammten Ort zu bringen, ist Ihr Vorschlag, dorthin zu gehen, ziemlich dumm. Oder nicht, alter Junge?« Er lächelte noch, aber es war das dünne, ärgerliche Lächeln eines nervösen Mannes, der im Begriff war, seine Beherrschung zu verlieren. »Und wenn Sie sich das nächstemal einen Drink von mir bezahlen lassen, Freundchen, werde ich von Ihnen soviel Höflichkeit...«

Die Tür öffnete sich und Lansen kam herein. So war es nicht geplant gewesen. Dies war alles andere als der Vorgang, den man ihm beschrieben hatte. Leclerc hatte ihm gesagt: Bleibe in der Bar an einem Ecktisch sitzen, bestell einen Drink, lege Hut und Mantel auf den anderen Stuhl, als würdest du auf jemanden warten. Lansen geht immer noch auf ein Bier, wenn er Feierabend hat. Er ist gern unter Leuten; so ist er eben. Die Bar wird sehr voll sein. Es ist zwar ein kleiner Ort, aber auf diesen Flugplätzen ist immer was los. Er wird sich nach einem Platz umsehen - ganz offen und unverhohlen -, dann wird er zu dir kommen und dich fragen, ob der Stuhl besetzt ist. Du antwortest, daß du einen Freund erwartest, der noch nicht erschienen sei. Lansen wird fragen, ob er Platz nehmen darf. Er wird ein Bier bestellen und dann fragen: >Freund - oder Freundin?< Du wirst darauf sagen, er sollte nicht so indiskret sein. Ihr werdet beide lachen und ins Gespräch kommen. Frage ihn nach zwei Dingen: Höhe und Fluggeschwindigkeit. Die Jungs von der Auswertung müssen Höhe und Fluggeschwindigkeit wissen. Steck das Geld in die Außentasche deines Mantels. Er wird deinen Mantel aufheben, den seinen daneben legen und ganz ruhig, ohne das geringste Aufsehen zu erregen, hineinfassen, den Umschlag herausnehmen und den Film in deine Manteltasche gleiten lassen. Du trinkst dann aus, gibst ihm die Hand - die Geschichte ist erledigt. Am Morgen fliegst du nach Hause. So einfach hatte es Leclerc dargestellt.

Lansen schlenderte quer durch den leeren Raum auf sie zu - eine hochgewachsene, kräftige Gestalt in einem blauen Regenmantel und einer Kappe. Er sah Taylor kurz an und sagte an ihm vorbei zum Barkeeper: »Jens, gib mir ein Bier.« Zu Taylor gewandt, fragte er: »Was nehmen Sie?«

Taylor lächelte dünn. »Das hiesige Gesöff.«

»Gib ihm, was er haben will. Einen Doppelten.«

Der Barkeeper knöpfte seine Jacke wieder zu, schloß das Regal auf und goß einen doppelten Steinhäger ein. Lansen gab er ein Bier aus dem Kühlschrank.

»Kommen Sie von Leclerc?« erkundigte sich Lansen kurz. Jeder hätte es hören können.

»Ja.« Viel zu spät fügte er matt hinzu: »Leclerc und Company, London.«

Lansen nahm sein Bier und ging damit zum nächsten Tisch hinüber. Seine Hand zitterte. Sie setzten sich. »Dann verraten Sie mir, welcher verdammte Narr mir diese Anweisungen gab«, sagte er wütend. »Ich weiß nicht.« Taylor war bestürzt. »Ich weiß nicht einmal, welche Instruktionen Sie bekommen haben. Ich kann nichts dafür. Ich soll den Film abholen, das ist alles. Übrigens ist diese Art Aufträge gar nicht meine Arbeit. Ich bin im >offenen< Dienst. Kurier.« Lansen beugte sich vor, seine Hand lag auf Taylors Arm. Taylor merkte, wie sie zitterte. »Ich war auch im >offenen< Dienst. Bis heute. In dieser Maschine waren Kinder. Fünfundzwanzig deutsche Schulkinder auf Winterferien. Eine ganze Ladung Kinder.«

»Ja.« Taylor zwang sich zu einem Lächeln. »Ja, das Empfangskomitee saß im Warteraum.« Lansen platzte heraus: »Was haben wir gesucht? Das ist es, was ich nicht verstehe. Was ist an Rostock so aufregend?«

»Ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich nichts damit zu tun habe.« Dennoch fügte er hinzu: »Leclerc sagte, daß es sich nicht um Rostock drehte, sondern um das Gebiet südlich davon.«

»Das südlich gelegene Dreieck: Kalkstadt, Langdorn, Wolken. Sie brauchen mir nicht zu sagen, welches Gebiet gemeint war.«

Taylor sah beunruhigt auf den Barkeeper. »Ich glaube, wir sollten nicht so laut sprechen«, sagte er. »Der Bursche scheint mir verdächtig.« Er trank von seinem Steinhäger.

Lansen machte eine Handbewegung, als wische er etwas vor seinem Gesicht weg. »Es ist Schluß«, sagte er »Ich will nicht mehr. Es ist Schluß. Es war in Ordnung, solange wir auf dem normalen Kurs blieben und dabei fotografierten, was immer es da gab. Aber verdammt noch mal, das ist zuviel, verstehen Sie? Das ist verflucht zuviel, alles in allem.« Sein Akzent war schwer und klobig, als hätte er einen Sprachfehler. »Haben Sie Aufnahmen machen können?« fragte Taylor. Er mußte den Film bekommen. Dann wollte er gehen.