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»Gott, wer will schon so einen verdammten Polen?« Er machte keine Bewegung. »Sie wollen.«

»Es war jemand in der Bank, um sich nach dir zu erkundigen, mußt du wissen. Sie haben alle zusammen in Mr. Dawnays Büro gesessen. Du bist in Schwierigkeiten, nicht wahr?«

Er nahm ihren Mantel und half ihr mit sehr korrekt angewinkelten Ellbogen hinein.

Sie sagte: »Um Gottes willen nur nicht wieder dieses neue Lokal mit den stinkfeinen Keimern.«

»Aber es ist doch nett dort, oder nicht? Ich dachte, du hättest es gern gehabt. Man kann auch tanzen. Du magst das doch. Wohin willst du denn gehen?«

»Mit dir? Ja Himmelherrgott irgendwohin, wo's ein bißchen lebendig ist, mehr nicht!«

Er starrte sie an, während er die Tür für sie aufhielt.

Plötzlich lächelte er.

»Okay, Bett. Wie du willst. Es ist dein Abend. Laß schon mal den Wagen an. Ich werde einen Tisch bestellen.« Er gab ihr die Schlüssel. »Ich kenn was, ein wirklich tolles Lokal.«

»Was, zum Teufel, hat dich gebissen?«

»Du kannst fahren. Diese Nacht hauen wir uns um die Ohren.« Er ging zum Telefon.

Es war kurz vor elf, als Haldane ins Büro zurückkam. Leclerc und Avery erwarteten ihn. Carol tippte im Sekretariat.

»Ich dachte, du würdest früher zurück sein«, sagte Leclerc.

»Es hat nicht geklappt. Er sagt, daß er nicht mitspielt. Den nächsten probierst du wohl besser selbst aus. Ich bin dem nicht mehr gewachsen.« Es schien ihn nicht weiter zu berühren. Er setzte sich. Sie starrten ihn ungläubig an.

»Hast du ihm Geld geboten?« fragte Leclerc schließlich. »Wir können bis fünftausend Pfund gehen.«

»Natürlich habe ich Geld geboten. Er ist einfach nicht interessiert, kann ich euch verraten. Er war eine einmalig unerfreuliche Erscheinung.«

»Tut mir leid.« Leclerc sagte nicht, weshalb. Sie konnten das Klappern von Carols Schreibmaschine hören. »Was nun?« fragte Leclerc. »Ich habe keine Ahnung.« Haldane sah unruhig auf seine Uhr.

»Es muß doch noch andere geben.«

»Nicht in unserer Kartei. Nicht mit seinen Qualifikationen. Wir haben Belgier, Schweden, Franzosen, aber Leiser war der einzige deutsch sprechende mit technischen Erfahrungen. Auf dem Papier jedenfalls ist er der einzige.«

»Der noch jung genug ist - meinst du das?«

»So nehme ich an. Es muß ein alter Hase sein. Wir haben weder genügend Zeit noch Möglichkeiten, einen Neuen auszubilden. Besser wär's, wir fragten das Rondell. Die haben sicher jemanden.«

»Das können wir nicht machen«, sagte Avery. »Was für eine Sorte Mensch war er?« beharrte Leclerc, der sich einfach weigerte, schon alle Hoffnung aufzugeben.

»Ordinär, von der slawischen Sorte. Klein. Er spielt den >Rittmeister<. Höchst abstoßend.« Haldane suchte in seinen Taschen nach der Rechnung. »Er putzt sich wie ein Buchmacher heraus, aber das tun sie alle, nehme ich an. Gebe ich die Rechnung dir oder der Buchhaltung?«

»Sicherheitsrisiko?«

»Wüßte nicht, weshalb.«

»Und hast du darüber gesprochen, wie dringend es ist? Über seine Loyalität als neuer Staatsbürger - und derartiges Zeug?«

»Er fand die alte Loyalität reizvoller.« Haldane legte die Rechnung auf den Tisch. »Und Politik? Manche sind besonders...«

»Über Politik haben wir auch gesprochen. Zu der Sorte von Exilleuten gehört er nicht. Er betrachtet sich als integriert, ein naturalisierter Engländer. Was erwartest du von ihm? Daß er nochmals den Treueid auf das polnische Königshaus ablegt?« Wieder sah er auf seine Uhr.

»Du wolltest ihn überhaupt nicht anwerben!« rief Leclerc, den Haldanes Gleichgültigkeit plötzlich erboste. »Du bist ganz zufrieden, Adrian, ich kann's dir ja vom Gesicht ablesen! - Guter Gott, was ist mit unserer Organisation, hat das gar nichts für ihn bedeutet? Du glaubst ja schon selbst nicht mehr an uns, dir ist das alles egal! Du lachst ja über mich!«

»Wer von uns glaubt denn?« fragte Haldane höhnisch. »Du selbst sagst immer: wir erledigen unseren Job.«

»Ich glaube«, erklärte Avery.

Haldane wollte gerade etwas sagen, als das grüne Telefon läutete.

»Das ist das Ministerium«, sagte Leclerc. »Also, was sage ich ihnen?« Haldane beobachtete ihn. Er nahm den Hörer auf, legte ihn ans Ohr und reichte ihn dann über den Tisch. »Die Zentrale. Wieso um alles in der Welt sind die über Grün gekommen? Jemand, der nach Captain Hawkins fragt. Das bist doch du, oder?«

Haldane lauschte, sein hageres Gesicht war ausdruckslos. Schließlich sagte er: »Ich denke wohl. Wir werden schon jemanden finden. Das sollte keine Schwierigkeit machen. Morgen um elf. Seien Sie bitte pünktlich«, und legte auf. Das Licht in Leclercs Zimmer schien durch das Fenster zu versickern, dessen dünner Vorhang es nicht zurückhalten konnte. Draußen regnete es unablässig. »Das war Leiser. Er will den Job übernehmen. Möchte nur wissen, ob wir jemanden haben, der sich um seine Garage kümmert, solange er weg ist.« Leclerc sah ihn zutiefst überrascht an. Langsam breitete sich ein komischer Ausdruck der Freude auf seinem Gesicht aus. »Du hattest es erwartet!« rief er. Er streckte seine kleine Hand Haldane entgegen. »Entschuldige, Adrian. Ich habe dir Unrecht getan. Ich gratuliere dir aus vollem Herzen.«

»Wieso hat er angenommen?« fragte Avery erregt. »Was hat ihn doch noch dazu bewegen?«

»Warum tun Agenten überhaupt etwas? Warum irgend jemand von uns?« Haldane setzte sich wieder. Er sah alt aus, aber auch verletzlich, wie ein Mann, dessen Freunde bereits alle gestorben sind. »Warum willigen sie ein, warum widersetzen sie sich, warum lügen sie oder sagen die Wahrheit? Warum tut das irgend jemand von uns?« Er begann wieder zu husten. »Vielleicht fehlt ihm etwas in seinem Beruf. Vielleicht ist es wegen der Deutschen: Er haßt sie. Das jedenfalls sagt er. Ich nehme das nicht so ernst. Außerdem sagte er, daß er uns nicht enttäuschen wolle. Ich nehme an, daß er das selbst glaubt.« Zu Leclerc gewandt, fügte er hinzu: »Die gleichen Vorschriften wie im Krieg - das war doch richtig, oder nicht?«

Aber Leclerc wählte schon die Nummer des Ministeriums.

Avery ging ins Sekretariat hinüber. Carol stand auf. »Was geht hier vor?« fragte sie schnell. »Warum diese Aufregung?«

»Es ist wegen Leiser.« Avery schloß hinter sich die Tür. »Er hat sich einverstanden erklärt.« Er streckte ihr die Arme entgegen, um sie zu umarmen. Es würde das erste Mal sein.

»Warum?«

»Haß gegen die Deutschen, sagt er. Ich glaube eher, daß es wegen der Bezahlung ist.«

»Wäre das denn gut?«

Avery grinste wissend. »Solange wir ihm mehr bezahlen als die anderen.«

»Sollten Sie nicht zu Ihrer Frau fahren?« sagte sie scharf. »Ich glaube nicht, daß Sie unbedingt hier schlafen müssen.«

»Wir sind im Einsatz.« Avery ging in sein Zimmer. Carol sagte nicht gute Nacht.

Leiser legte den Telefonhörer auf. Es war plötzlich so still. Das Licht auf dem Dach erlosch und ließ das Zimmer im Dunkeln. Leiser lief eilig die Treppe hinunter. Er schnitt ein Gesicht, als konzentriere er alle seine Gedanken auf die Aussicht, ein zweitesmal zu Abend zu essen.

11. Kapitel

 

Sie entschieden sich für Oxford, wie sie es schon im Kriege getan hatten. Unter den hier lebenden Angehörigen der verschiedensten Nationalitäten und Berufe, durch das ständige Kommen und Gehen der Gäste der Universität war es ihnen leicht, ihre Anonymität zu wahren, und dies entsprach ebenso wie die Nähe des offenen Landes genau ihren Bedürfnissen. Außerdem war es eine Gegend, in der sie sich auskannten. Am Morgen nach Leisers Anruf fuhr Avery los, ein Haus zu suchen. Am darauffolgenden Tag rief er Haldane an, um ihm mitzuteilen, daß er etwas im Norden der Stadt gefunden habe, ein großes viktorianisches Haus mit vier Schlafzimmern und einem Garten, das er für einen Monat gemietet habe. Es war sehr teuer. Innerhalb der Organisation wurde es Mayfly-Haus genannt und als Betriebsunkosten abgebucht. Sobald Haldane davon erfahren hatte, verständigte er Leiser. Auf dessen Vorschlag hin kam man überein, Leiser solle herumerzählen, er fahre zu einem Kurs in die Mildlands.