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»Erzählen Sie keinerlei Einzelheiten«, hatte Haldane gesagt. »Lassen Sie sich die Post nach Coventry schicken, postlagernd. Wir werden sie dort für Sie abholen.« Leiser war erfreut, als er hörte, daß es Oxford war.

Leclerc und Woodford hatten verzweifelt nach jemandem gesucht, der während Leisers Abwesenheit die Garage leiten könnte, und plötzlich fiel ihnen McCulloch ein. Leiser gab ihm eine Rechtsvollmacht und verbrachte einen Vormittag damit, ihm hastig alles zu zeigen. »Wir werden Ihnen eine Art Bürgschaft dafür leisten«, sagte Haldane.

»Das ist nicht nötig«, antwortete Leiser, und er erklärte ganz ernsthaft: »Ich arbeite ja für englische Gentlemen.«

Freitag abend hatte Leiser am Telefon seine Zustimmung erteilt, und bis Mittwoch waren die Vorbereitungen so weit fortgeschritten, daß Leclerc die Sonderabteilung zu einer Sitzung einberufen konnte, bei der er seine Pläne umriß. Avery und Haldane sollten mit Leiser nach Oxford gehen. Beide sollten am nächsten Abend reisen, da Haldane bis dahin den Lehrplan fertig zusammengestellt haben würde. Leiser würde etwa ein bis zwei Tage später in Oxford ankommen, sobald er eben seine eigenen Angelegenheiten geregelt hatte. Haldane war als Leiter des Trainings vorgesehen, Avery als sein Assistent. Woodford würde in London bleiben. Zu seinen Aufgaben würde es auch gehören, mit Hilfe des Ministeriums (und von Sandfords Auswertungsabteilung) Anschauungsmaterial über die äußeren Merkmale von Kurz- und Mittelstreckenraketen zusammenzustellen. Damit ausgerüstet, sollte er dann ebenfalls nach Oxford kommen. Leclerc war unermüdlich. Bald war er im Ministerium, um von den gemachten Fortschritten zu berichten, dann im Schatzamt, um sich wegen der Pension für Taylors Witwe herumzustreiten, dann wieder versuchte er mit Woodfords Hilfe ehemalige Instruktoren für Funk und Morse, Fotografie und unbewaffneten Nahkampf zu gewinnen.

Die ihm verbleibende Zeit widmete Leclerc Mayfly-Null - dem Augenblick, an dem Leiser nach Ostdeutschland eingeschleust werden würde. Zunächst schien er keine feste Vorstellung davon zu haben, wie das bewerkstelligt werden sollte. Er sprach in ungenauen Wendungen von einer See-Operation von Dänemark aus, wobei ein kleines Fischerboot eine Rolle spielen sollte und ein Gummi-Schlauchboot, das vom Radar nicht erfaßt werden konnte. Er diskutierte mit Sandford verschiedene Möglichkeiten des illegalen Frontübertritts und telegrafierte an Gorton die Bitte um Auskunft über das Grenzgebiet im Raum von Lübeck. In verhüllter Form holte er sogar im Rondell Ratschläge ein. Control war bemerkenswert hilfreich. All dies vollzog sich in der optimistischen Atmosphäre erhöhter Aktivität, die Avery bei seiner Rückkehr aus Finnland aufgefallen war. Selbst jene Personen, die angeblich nichts von dem Unternehmen wußten, ließen sich von der Krisenstimmung anstecken. In der kleinen Stammtischrunde, die sich täglich zum Mittagessen an einem Ecktisch im >Cadena< einfand, summte es von Gerüchten und Vermutungen. So hieß es zum Beispiel, daß ein Mann namens >Jack< Johnson, der sich im Krieg als Morselehrer einen Namen gemacht hatte, in die Reihen der Organisation aufgenommen worden sei. Von der Buchhaltung waren ihm Spesen ausbezahlt worden und sie hatte den Auftrag erhalten - das war das erstaunlichste daran -, einen Dreimonatsvertrag auszustellen und vom Schatzamt bestätigen zu lassen. Wer hatte je von einem Dreimonatsvertrag gehört? fragten sie sich. Johnson hatte im Krieg mit den Fallschirmeinsätzen in Frankreich zu tun gehabt, eine Sekretärin, die schon lange im Amt war, erinnerte sich daran. Berry, der Verschlüsselungsmann, hatte Mr. Woodford gefragt, für welchen Zweck Johnson verwendet werden wolle - Berry war immer recht naseweis -, und Mr. Woodford hatte gegrinst und ihm gesagt, er solle sich gefälligst um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, aber - so hatte er gesagt - er sei für ein Unternehmen vorgesehen, ein sehr geheimes, das sie in Europa starten würden, in Nordeuropa, und vielleicht interessiere es Berry zu erfahren, daß der arme Taylor nicht umsonst gestorben war.

Durch die vordere Einfahrt strömten jetzt in nicht abreißender Folge Wagen und Amtsboten. Pine forderte eine Hilfskraft an, und erhielt auch von einer anderen Behörde einen Untergebenen zugeteilt, den er mit überlegener Brutalität herumkommandierte. Er hatte irgendwo aufgeschnappt, daß das Unternehmen gegen Deutschland gerichtet war, und dieses Wissen spornte seinen Eifer an.

Unter den Geschäftsleuten in der Nachbarschaft ging sogar das Gerücht um, daß das Amtsgebäude verkauft werde, man nannte die Namen von privaten Interessenten und setzte große Hoffnungen darauf, sie als Kunden zu bekommen. Zu allen Tages- und Nachtzeiten ließ man sich Imbisse in das Haus bringen, in dem die Lichter nie mehr erloschen. Der Haupteingang, der bisher aus Sicherheitsgründen immer versperrt gewesen war, war nun geöffnet, und in der Blackfriars Road wurde Leclerc, mit steifem Hut und Aktentasche in seinen schwarzen Humber steigend, ein vertrauter Anblick.

Gleich einem Verletzten, der seine eigenen Wunden nicht sehen möchte, übernachtete Avery in den vier Wänden seines kleinen Büros, die dadurch zu den Grenzen seines Daseins geworden waren. Einmal schickte er Carol aus, ein Geschenk für Anthony zu kaufen. Sie kam mit einem Milchauto zurück, dessen Plastik-Kannen man öffnen und mit Wasser füllen konnte. Sie probierten es am Abend aus und schickten es dann mit dem Humber in Averys Wohnung nach Battersea.

Als alles fertig war, reisten Haldane und Avery mit einem amtlichen Freifahrschein erster Klasse nach Oxford. Beim Mittagessen hatten sie im Speisewagen einen Tisch für sich allein. Haldane bestellte sich eine halbe Flasche Wein, die er leerte, während er das Kreuzworträtsel in der Times löste. Sie sprachen kein Wort miteinander - Haldane, weil er beschäftigt war, und Avery, weil er es nicht wagte, ihn dabei zu stören. Plötzlich bemerkte Avery Haldanes Schulkrawatte, und noch ehe er Zeit gefunden hatte, es sich zu überlegen, sagte er: »Mein Gott, ich hatte ja keine Ahnung, daß Sie Cricket spielen!«

»Haben Sie erwartet, daß ich es Ihnen sage?« fragte Haldane spitz. »Im Büro könnte ich sie doch schwerlich tragen.«

»Entschuldigung.«

Haldane sah ihn streng an. »Sie sollten sich nicht dauernd entschuldigen«, bemerkte er. »Sie tun das beide.« Er goß sich Kaffee ein und bestellte einen Cognac. Kellner waren ihm gegenüber immer sehr aufmerksam. »Beide?«

»Sie und Leiser. Bei ihm ist es eine natürliche Folgerung.«

»Mit Leiser wird es wohl anders sein, nicht?« sagte Avery schnell. »Er ist ein Profi.«

»Leiser ist keiner von uns. Täuschen Sie sich nicht. Wir sind nur lange mit ihm in Verbindung, das ist aber auch alles.«

»Wie ist er? Was für ein Mensch?«

»Er ist ein Agent. Er ist ein Mensch, den man steuert, nicht einer, den man kennt.« Er wandte sich wieder seinem Kreuzworträtsel zu. »Er muß aber doch loyal sein«, sagte Avery, »weshalb sonst hätte er einwilligen sollen?«

»Sie haben gehört, was der Direktor über die beiden Schwüre sagte. Der erste wird oft leichtfertig geleistet.«

»Und der zweite?«

»Oh, das ist was anderes. Wenn es so weit ist, daß er ihn leisten muß, werden wir ihm schon behilflich sein.«

»Aber weshalb hat er das erstemal zugestimmt?«

»Ich mißtraue Begründungen. Ich mißtraue Worten wie Loyalität oder Treue. Und vor allem mißtraue ich Motiven«, erklärte Haldane. »Wir steuern einen Agenten, damit ist das Rechnen erledigt. Sie haben doch Deutsch studiert, nicht wahr? Am Anfang war die Tat.« Kurz vor ihrer Ankunft wagte Avery noch eine Frage. »Weshalb hat man den Paß ablaufen lassen?« Haldane hatte eine besondere Art, den Kopf auf die Seite zu neigen, wenn er angesprochen wurde. »Das Auswärtige Amt pflegte uns immer eine Reihe von Paß-Nummern zuzuteilen, die wir für Einsätze verwenden konnten. Diese Abmachung lief jeweils ein Jahr. Vor sechs Monaten erklärte das Auswärtige Amt plötzlich, sie würden uns ohne Empfehlung des Rondells keine mehr zuteilen. Anscheinend hat Leclerc unsere Ansprüche nicht genügend hart vertreten, so daß ihn Control aus dem Rennen drängen konnte. Taylors Paß war einer aus der alten Serie. Man hat die ganze Serie drei Tage vor seiner Abreise für ungültig erklärt. Es war keine Zeit mehr, noch irgendwas dagegen zu unternehmen. Vielleicht wäre es ja auch niemandem aufgefallen. Im Rondell hat man sich sehr hinterhältig benommen.« Eine Pause. »In der Tat kann ich nicht ganz verstehen, was Control nun eigentlich wirklich vorhat.«