»Ich habe die Personenbeschreibung eines Mannes notiert, der bei uns beschäftigt ist. Nehmen wir an, er hat seinen Wohnsitz in Magdeburg. Er ist einer der Leute, die im Training stehen. Glauben Sie, daß man für ihn Dokumente herstellen könnte, Personalausweis, Parteibuch und was noch in Frage kommt? Alles, was nötig ist.«
»Der Mann wird sie unterschreiben müssen«, sagte Smiley. »Dann überstempeln wir seine Unterschrift. Wir würden natürlich auch Fotos brauchen. Außerdem müßte er darüber unterrichtet werden, was die Papiere im einzelnen bedeuten und wie sie zu verwenden sind. Hyde könnte das vielleicht an Ort und Stelle mit Ihrem Agenten erledigen?«
Ein kurzes Zögern. »Ohne Zweifel. Ich habe ihm einen Decknamen gegeben. Er ähnelt ziemlich weitgehend seinem eigenen. Wir halten das für eine nützliche Verfahrensweise.«
»Da das Ganze eine derart ausgeklügelte Übung ist«, sagte Smiley mit komisch gerunzelter Stirn, »möchte ich nur der Form halber darauf hinweisen, daß falsche Papiere von recht beschränktem Wert wären. Damit meine ich, daß ein Telefonanruf an die Meldebehörde von Magdeburg ausreicht, um die beste Fälschung wie ein Windei platzen zu lassen...«
»Ich glaube, das wissen wir. Wir wollen ihnen beibringen, wie man sich tarnt, Verhöre übersteht. Sie kennen das ja.«
Smiley nippte an seinem Ciaret. »Ich wollte nur darauf hinweisen. Man wird so leicht von der reinen Methode hypnotisiert. Ich wollte damit nicht unterstellen. wie geht's übrigens Haldane? Er hat in Oxford den B.A. mit Auszeichnung gemacht, wußten Sie das? Wir haben zusammen studiert.«
»Adrian geht's gut.«
»Ihr Avery gefiel mir«, sagte Smiley freundlich. Sein dickliches kleines Gesicht zog sich schmerzhaft zusammen. »Wissen Sie«, fragte er eindringlich, »daß sie das Barock noch immer nicht in den deutschen Lehrplan aufgenommen haben? Sie bezeichnen es als Spezialgebiet.«
»Ein anderes Problem ist die Nachrichtenübermittlung durch Geheimfunk. Wir haben seit dem Krieg nicht viel Gebrauch davon gemacht. Soviel ich weiß, ist das alles inzwischen viel komplizierter geworden. Man übermittelt mit hohen Geschwindigkeiten und so. Wir möchten da gern mit der Entwicklung Schritt halten.«
»Ja. Ja, ich glaube die Nachricht wird mit einem winzigen Tonbandgerät auf Band genommen und innerhalb von Sekunden überspielt.« Er seufzte. »Aber niemand erzählt uns wirklich viel. Die Techniker lassen sich nicht in die Karten sehen.«
»Ist das eine Methode, die unseren Leuten mit Erfolg innerhalb, na, sagen wir einem Monat beigebracht werden kann?«
»Um sie unter einsatzmäßigen Bedingungen anzuwenden?« fragte Smiley erstaunt. »Geradewegs nach einem Monat Training?«
»Manche sind technisch begabt, verstehen Sie. Leute mit Funkerfahrung.«
Smiley beobachtete Leclerc ungläubig. »Erlauben Sie... wird er, werden sie in diesem Monat außerdem auch noch andere Dinge lernen müssen?« forschte er. »Für manche ist es nur ein Auffrischungskurs.«
»Aha.«
»Was meinen Sie?«
»Nichts, nichts«, sagte Smiley unbestimmt und setzte dann hinzu: »Ich glaube fast, daß unsere Leute von der Technik nicht sehr von der Idee erfreut sein werden, derartige Geräte abzutreten. Es sei denn.«
»Es sei denn, es wäre ihr eigenes Trainingsprogamm?«
»Ja.« Smiley errötete. »Ja, das wollte ich sagen. Sie sind da komisch, wissen Sie? Eifersüchtig.« Leclerc verfiel in Schweigen, während er mit seinem Weinglas leicht auf die polierte Tischplatte klopfte. Plötzlich lächelte er, als sei es ihm gelungen, eine Depression zu überwinden. »Na gut. Werden wir eben nur ein konventionelles Gerät verwenden. Sind die Peilmethoden seit dem Krieg ebenfalls verfeinert worden? Das Abhören und Ausfindigmachen von Schwarzsendern?«
»O ja. Ja, natürlich!«
»Wir werden das berücksichtigen müssen. Wie lange kann man auf der Welle bleiben, ohne daß sie den Standort finden?«
»Zwei oder drei Minuten, vielleicht. Das hängt davon ab. Oft ist es eine Frage des Glücks, wie schnell sie ihn hören. Man kann ihn nur festnageln, solange er sendet. Es hängt auch viel von der Frequenz ab. So sagt man mir jedenfalls.«
»Im Krieg«, sagte Leclerc, sich erinnernd, »gaben wir den Agenten mehrere Kristalle mit. Jeder schwingt in einer ganz bestimmten Frequenz. In regelmäßigen Abständen wechselte man den Kristall. Gewöhnlich bot diese Methode genügend Sicherheit. Wir könnten es wieder so machen.«
»Ja. Ja, ich kann mich daran erinnern. Es war nur immer ein Jammer mit der Neueinstellung des Senders. Womöglich mußte die Spule gewechselt werden, entsprechend dann auch die Antenne.«
»Nehmen wir einmal an, der Mann sei mit dem konventionellen Gerät schon vertraut. Sie sagen, die Gefahr, abgefangen zu werden, sei jetzt größer als während des Krieges? Sie sagen, zwei oder drei Minuten Sendezeit kann man riskieren?«
»Oder weniger«, sagte Smiley, der ihn beobachtete. »Es hängt von so vielen Dingen ab. Glück, Empfangsbedingungen, Dichte des Funkverkehrs, Bevölkerungsdichte.«
»Angenommen, er wechselte jedesmal nach zweieinhalb Minuten Sendezeit die Frequenz. Das würde doch sicher genügen?«
»Unter Umständen kann das sehr lang sein.« Smileys trauriges, ungesund aussehendes Gesicht hatte sich besorgt gerunzelt. »Sie sind ganz sicher, daß es sich wirklich nur um eine Übung handelt?«
»Soweit ich mich erinnere«, sagte Leclerc, beharrlich seine Gedanken ausspinnend, »sind diese Kristalle nicht größer als eine kleine Streichholzschachtel. Wir könnten ihnen mehrere mitgeben. Es sollen ja nur ein paar Sendungen gemacht werden, vielleicht nur drei oder vier. Würden Sie meinen Vorschlag für durchführbar halten?«
»Das ist kaum mein Fach.«
»Was soll ich sonst tun? Ich habe Control gefragt, und er sagte, ich solle mit Ihnen sprechen. Er sagte, Sie würden mir raten, würden mir mit der Ausrüstung helfen. Was kann ich denn noch tun? Darf ich mit Ihren Technikern sprechen?«
»Tut mir leid. Control war mit der Technik ziemlich einig, daß wir jede mögliche Hilfe leisten, aber keinerlei neues Gerät aufs Spiel setzen wollen. Ich meine, das Risiko eingehen, es aufs Spiel zu setzen. Schließlich ist es ja nur eine Übung. Ich glaube, er fand, wenn Sie nicht über ausreichendes Material verfügen, sollten Sie.«
»- die Verantwortung an ihn abtreten?«
»Nein, nein«, protestierte Smiley, aber Leclerc unterbrach ihn.
»Diese jetzt im Training stehenden Männer würden im Ernstfall gegen militärische Ziele eingesetzt werden«, sagte er ärgerlich. »Rein militärische. Control hat das zur Kenntnis genommen!«
»Oh, sicher.« Smiley schien sich damit abzufinden. »Und wenn Sie ein konventionelles Gerät wollen, können wir ohne Zweifel eines auftreiben.« Der Kellner brachte eine Karaffe mit Portwein. Leclerc sah Smiley dabei zu, wie er sich etwas in sein Glas goß und die Karaffe dann vorsichtig über den polierten Tisch zu ihm herüberschob.
»Er ist recht gut, aber leider bald alle. Wenn dieser hier zu Ende ist, werden wir an die jüngeren gehen müssen. Ich spreche morgen als erstes mit Control. Ich bin sicher, daß er nichts dagegen haben wird. Gegen die Dokumente, meine ich. Und die Kristalle. Wir könnten Sie wegen der Frequenzen beraten. Bestimmt. Control hat es eigens erwähnt.«
»Control war sehr zuvorkommend«, gestand Leclerc.
Er war etwas angetrunken. »Manchmal verwirrt mich das.«
12. Kapitel
Zwei Tage später traf Leiser in Oxford ein. Sie erwarteten ihn ungeduldig auf dem Bahnsteig. Haldane spähte in die Gesichter der Vorbeihastenden. Seltsamerweise war es Avery, der ihn zuerst entdeckte: Eine reglose Gestalt in einem Kamelhaarmantel hinter dem Fenster eines leeren Abteils. »Ist er das?« fragte Avery.
»Das ist erster Klasse. Er muß die Differenz aus der eigenen Tasche bezahlt haben.« Haldane schien das als eine Beleidigung aufzufassen. Leiser ließ das Fenster herunter und reichte zwei schweinslederne Autokoffer heraus, deren Farbe zu sehr ins Rötliche spielte, um natürlich zu sein. Sie begrüßten sich lebhaft und schüttelten sich vor aller Augen die Hände. Avery wollte das Gepäck zum Taxi tragen, aber Leiser zog es vor, es selbst zu nehmen - in jeder Hand ein Stück, als gehöre das zu seinen Pflichten. Er ging etwas abseits von ihnen, mit zurückgezogenen Schultern, und starrte auf die Vorbeieilenden. Das Gedränge verwirrte ihn. Bei jedem Schritt wippte sein langes Haar.