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Haldane sah von seiner Zeitung auf und sagte scharf: »Seien Sie still, Johnson. Bienenhonig ist absolut korrekt.«

Leisers Höflichkeit hatte etwas Unterwürfiges, seine Streitigkeiten mit Johnson erinnerten an den Hinterhof. Von derartigen Zusammenstößen abgesehen, entwickelten die beiden jedoch wie alle Männer, die täglich an einer gemeinsamen Aufgabe zusammenarbeiten müssen, eine zunehmende Abhängigkeit von den gleichen Hoffnungen, Stimmungen und Depressionen. Hatte es beim Unterricht keine Schwierigkeiten gegeben, so verlief die folgende Mahlzeit in fröhlicher Stimmung. Die beiden warfen sich dann nur für Eingeweihte verständliche Bemerkungen über den Zustand der Ionosphäre, das Überwechseln auf eine andere Frequenz oder einen ungewöhnlichen Instrumentenausschlag zu, der sich während des Abstimmens ergeben hatte. Wenn der Unterricht schlecht verlaufen war, sprachen sie wenig oder überhaupt nicht, und alle außer Haldane schlangen hastig ihr Essen hinunter, da sie nichts zu sagen hatten. Manchmal fragte Leiser, ob er nicht einen Spaziergang mit Avery machen könne, aber Haldane schüttelte dann den Kopf und sagte, dafür sei keine Zeit. Avery, ein schuldbewußter Liebhaber, machte keine Anstalten, ihm zu Hilfe zu kommen.

Als die zwei Wochen ihrem Ende entgegengingen, erhielt das Mayfly-Haus den Besuch verschiedener Spezialisten aus London. Ein großer Mann mit tiefliegenden Augen unterwies Leiser im Gebrauch einer überkleinen Miniaturkamera mit Wechseloptik, und ein Arzt - gütig und vollkommen uninteressiert - lauschte endlos lange auf Leisers Herzschlag. Auf diesem Besuch hatte das Schatzamt bestanden, da es um die Frage der Hinterbliebenenrente ging. Leiser erklärte zwar, keine Angehörigen zu besitzen, aber um das Schatzamt zufriedenzustellen, wurde er dennoch untersucht.

Die Pistole übte eine sehr beruhigende Wirkung auf Leiser aus. Avery hatte sie ihm nach der Rückkehr von seinem freien Wochenende gegeben. Er bevorzugte ein Achselhalfter - der Schnitt seiner Jacke ließ die Ausbuchtung kaum erkennen -, und am Ende eines langen Tages pflegte er die Waffe hervorzuholen und mit ihr zu spielen, indem er durch ihren Lauf blickte, sie hob und senkte wie damals im Schießstand. »Es gibt keine bessere Pistole«, sagte er dann, »zumindest nicht in diesem Kaliber. Nicht geschenkt möchte ich eine von den Typen, die sie auf dem Festland verwenden. Das sind Waffen für Weiber. Wie ihre Autos. Ich kann Ihnen versichern, John, die Drei-Acht ist die Beste.«

»Man nennt sie jetzt Neun-Millimeter.« Die Ablehnung, die Leiser unverhohlen gegenüber Fremden zeigte, erreichte ihren unerwarteten Höhepunkt, als Hyde zu Besuch kam, ein Mann aus dem Rondell. Es war ein Vormittag, an dem alles schiefging. Leiser hatte nach der Stoppuhr geprobt, vierzig Gruppen entschlüsselt und dann gesendet. Eine Funkbrücke verband sein Schlafzimmer mit dem Johnsons, über die sie hinter verschlossenen Türen Meldungen austauschten. Johnson hatte ihm eine Reihe international üblicher Kode-Abkürzungen beigebracht: QRJ - Ihre Zeichen sind zu schwach, QRW - bitte schneller, QSD - Sie morsen schlecht, QSM - letzte Meldung wiederholen, QSZ - bitte jedes Wort zweimal senden, QRU - ich habe nichts für Sie. Obwohl Johnsons Bemerkungen über die zunehmend ungleichmäßiger werdenden Morsezeichen Leisers derart verschlüsselt waren, verwirrten sie Leiser noch mehr, bis er schließlich mit einem Fluch sein Gerät abschaltete und zu Avery hinunterging. Johnson folgte ihm.

»Hat keinen Sinn, aufzugeben, Fred.«

»Lassen Sie mich in Ruhe!«

»Schauen Sie, Fred: Sie haben es ganz verkehrt gemacht. Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollten die Anzahl der kommenden Gruppen vor jeder Meldung senden. Sie können sich aber auch gar nichts merken!«

»Und ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen mich in Ruhe lassen!« Er wollte gerade noch etwas hinzusetzen, als die Türglocke läutete. Es war Hyde. Mit ihm kam ein Assistent, ein dicker Mensch, der irgendein Mittel gegen die Folgen des schlechten Wetters lutschte. Beim Mittagessen wurden keine Tonbänder abgespielt. Ihre Gäste saßen nebeneinander und kauten mürrisch, als hätten sie jeden Tag das gleiche Essen, das sie nur wegen des Nährwertes zu sich nahmen. Hyde war ein magerer, dunkelhäutiger Mann ohne den geringsten Anflug von Humor. Er erinnerte Avery an Sutherland. Er war gekommen, um Leiser eine neue Identität zu geben. Er hatte Papiere mitgebracht, die Leiser unterschreiben mußte Ausweise, eine Art Lebensmittelkarten, einen Führerschein, einen Erlaubnisschein, der zum Betreten des Grenzgebietes innerhalb eines gewissen Abschnittes berechtigte -, sowie ein altes Hemd, das er aus der Aktentasche zog. Nach dem Essen breitete er alles auf dem Tisch im Salon aus, während der Assistent seine Kamera fertig machte.

Leiser mußte das Hemd anziehen, und sie fotografierten ihn von vorn, so daß seine beiden Ohren entsprechend den ostdeutschen Vorschriften zu sehen waren. Dann zeigten sie ihm, wie er zu unterschreiben hatte.

Er wirkte nervös.

»Wir werden Sie Freiser nennen«, sagte Hyde, als sei die Angelegenheit damit erledigt. »Freiser? Das klingt ja wie mein richtiger Name.«

»Eben. Das soll es auch. Ihre Leute wollten es so haben. Für die Unterschriften und so - damit's keine Schwierigkeiten damit gibt. Besser, Sie versuchen es vorher ein paarmal, ehe Sie unterschreiben.«

»Ich hätte es lieber anders. Ganz anders.«

»Wir werden bei Freiser bleiben, glaube ich«, sagte Hyde. »So ist es auf höherer Ebene entschieden worden.« Hyde war ein Mann, der sich ganz auf passive Verbalformen verließ. Eine ungemütliche Stille folgte. »Ich will's anders. Mir gefällt Freiser nicht, und ich möchte es anders.« Auch Hyde gefiel ihm nicht, und er war drauf und dran, das ebenfalls zu sagen. Haldane mischte sich ein. »Sie haben sich den Anweisungen zu fügen. Die Organisation hat die Entscheidung getroffen. Von Änderungen kann keine Rede sein.«

Leiser war sehr blaß geworden. »Dann kann man diese Anweisungen verdammt einfach durch neue ersetzen. Ich will einen anderen Namen, weiter nichts. Das ist doch nicht viel, Herrgott, oder? Ich will nicht mehr als einen anderen Namen. Einen anständigen, nicht so eine halbseidene Imitation.«

»Ich verstehe nicht«, sagte Hyde. »Es ist doch nur für eine Übung, nicht?«

»Sie brauchen gar nichts zu verstehen, Sie sollen es nur ändern. Mehr nicht. Wer, zum Teufel, glauben Sie eigentlich zu sein, daß Sie hier einfach reinkommen und mich herumkommandieren? «

»Ich werde mit London sprechen«, sagte Haldane und ging in sein Zimmer hinauf. Während sie warteten, bis er wieder herunterkam, herrschte peinliches Schweigen.

»Sind Sie mit >Hartbeck< zufrieden?« fragte Haldane. Seine Stimme war nicht ohne Sarkasmus. Leiser lächelte. »Hartbeck. Das ist gut.« Er breitete seine Arme in einer Entschuldigung heischenden Geste aus. »Hartbeck ist gut.«

Leiser übte die Unterschrift zehn Minuten, dann unterzeichnete er die Papiere, wobei er jedesmal zuerst eine kleine Bewegung machte, als müsse er Staub entfernen.

Hyde erklärte ihnen die Dokumente. Er brauchte sehr lange dazu. In Ostdeutschland, sagte er, gebe es derzeit kein richtiges Rationierungssystem, aber man lasse sich bei bestimmten Geschäften einschreiben und erhalte eine Bestätigung darüber. Er erklärte das Prinzip der Reisegenehmigungen und die Voraussetzungen, unter denen man welche bekomme. Er sprach lange darüber, daß Leiser seinen Personalausweis jedesmal ungefragt vorlegen müsse, wenn er eine Fahrkarte kaufen oder ein Hotelzimmer nehmen wolle. Leiser begann mit ihm zu streiten, und Haldane versuchte, die Sitzung abzubrechen. Hyde achtete nicht auf ihn. Erst als er fertig war, nickte er ihnen zu und ging, gemeinsam mit seinem Fotografen, nachdem er noch das alte Hemd zusammengelegt und in seiner Aktentasche verstaut hatte, als gehöre es zu seiner Ausrüstung.

Der Ausbruch Leisers schien Haldane sehr zu beschäftigen. Er rief in London an und befahl seinem Assistenten Gladstone, in Leisers Akte nach irgendeinem Hinweis auf den Namen Freiser zu suchen. Er ließ in allen Namenslisten nachsehen - ohne Erfolg. Als Avery andeutete, Haldane messe dem Zwischenfall wohl zuviel Bedeutung bei, schüttelte der andere den Kopf. »Wir warten auf den zweiten Schwur«, sagte er.