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Einer der Berichte war durch einen eingelegten Zettel mit Gladstones Initialen gekennzeichnet, auf dem in behutsamer runder Handschrift vermerkt war: »Könnte für Sie interessant sein.«

Es war der Bericht eines Flüchtlings über Versuche, die angeblich mit sowjetischen Panzern in der Nähe von Gutsweiler angestellt worden waren. Er trug den Vermerk: »Nicht verwenden. Erfindung!« Der Vermerk war mit einer ausführlichen Begründung versehen, aus der hervorging, daß ganze Absätze wortwörtlich von einem 1949 erschienenen sowjetischen Militärhandbuch abgeschrieben waren. Der Verfasser schien einfach jede Zahlenangabe des Originals um rund ein Drittel vergrößert und das Ganze mit einigen eigenen Einfallen gewürzt zu haben. Er hatte sechs sehr verwackelte Fotos beigelegt, die den Eindruck erweckten, als seien sie mit dem Teleobjektiv aus einem fahrenden Zug aufgenommen worden. Auf der Rückseite der Fotos stand in McCullochs sorgfältiger Schrift: »Benützte angeblich Exa Zwei-Kamera. Ostdeutsches Fabrikat, schlechtes Gehäuse. Exakta Tele-Optik. Niedere Verschlußgeschwindigkeit. Negative durch Rütteln des Zuges sehr verwackelt. Sehr zweifelhaft.« Das alles sagte nicht viel. Die gleiche Kameramarke, mehr nicht. Er schloß das Archiv ab und ging nach Hause. Leclerc hatte gesagt, es sei nicht seine Aufgabe, den Beweis zu erbringen, daß Christus wirklich am Weihnachtstag auf die Welt gekommen sei. Noch viel weniger, dachte Haldane, war es seine Aufgabe, den Beweis dafür zu erbringen, daß Taylor wirklich ermordet worden war.

Woodfords Frau gab etwas Soda in ihren Scotch, nur einen Spritzer: mehr aus Gewohnheit, als aus Bedürfnis.

»Du meine Güte, im Büro schlafen!« sagte sie. »Bekommst du Einsatzzulage?«

»Ja, selbstverständlich.«

»Also ist es keine Konferenz, nicht wahr? Eine Konferenz ist kein Einsatz. Außer«, fügte sie kichernd hinzu, »ihr habt sie im Kreml.«

»Also gut, es ist keine Konferenz. Es ist ein Einsatz. Und deshalb die Zulage.«

Sie betrachtete ihn durch den aufsteigenden Rauch der zwischen ihren Lippen steckenden Zigarette mit einem erbarmungslosen Blick ihrer halb geschlossenen Augen. Sie war eine magere, kinderlose Frau. »In Wirklichkeit ist überhaupt nichts los. Du hast das alles erfunden.« Sie begann zu lachen. Es klang hart und böse. »Du armer Dummkopf.« Wieder lachte sie. »Wie geht's dem kleinen Clarkie? Ihr habt alle Angst vor ihm, nicht wahr? Warum sagst du nie etwas gegen ihn? Jimmy Gorton war anders. Der hat ihn durchschaut.«

»Erzähl mir nichts von Jimmy Gorton.«

»Jimmy ist wunderbar!«

»Babs, ich warne dich!«

»Der arme Clarkie.« Sie wurde nachdenklich. »Erinnerst du dich an die Einladung zu diesem netten kleinen Abendessen in seinem Club? Damals, als er sich plötzlich erinnert hatte, daß er sich auch uns gegenüber einmal als Wohltäter erweisen müßte? Steak und Nieren und tiefgekühlte Erbsen.« Sie nippte an ihrem Whisky. »Und warmer Gin.« Plötzlich durchfuhr sie ein Gedanke. »Ich frage mich, ob er jemals eine Frau gehabt hat«, sagte sie. »Herrgott, warum ist mir das nicht schon eher eingefallen!« Woodford kehrte auf festeren Boden zurück. »Also gut, es ist nichts los.« Er stand mit einem dummen Grinsen auf und holte sich Streichhölzer vom Schreibtisch.

»Hier wirst du deine verdammte Pfeife nicht rauchen«, sagte sie automatisch.

»Also es ist nichts los«, wiederholte er zufrieden, zündete seine Pfeife an und sog geräuschvoll daran. »Gott, ich hasse dich!«

Woodford schüttelte, noch immer grinsend, den Kopf. »Mach dir nichts draus«, sagte er. »Mach dir einfach nichts draus. Du hast es gesagt, meine Liebe, und nicht ich. Ich schlafe nicht im Büro. Damit ist alles in Ordnung, nicht wahr? Ich bin auch nicht in Oxford gewesen. Ich war nicht einmal im Ministerium. Ich habe auch kein Auto bekommen, das mich am Abend nach Hause bringt.«

Sie beugte sich vor. Ihre Stimme klang plötzlich drängend und gefährlich. »Was ist los?« stieß sie hervor. »Ich habe ein Recht darauf, es zu erfahren. Ich bin deine Frau, oder nicht? Diesen kleinen Huren im Büro erzählt ihr es ja auch, oder? Also rede!«

»Wir schicken einen Mann über die Grenze«, sagte Woodford. Jetzt war es an ihm, zu triumphieren. »Hier in London habe ich die Sache in der Hand. Es ist eine Krise, vielleicht gibt's sogar einen Krieg. Es handelt sich um eine verdammt heikle Sache.« Das Streichholz war ausgegangen, aber er schwenkte es noch immer mit weit ausholender Armbewegung hin und her, während er sie triumphierend ansah. »Verdammter Lügner«, sagte sie. »Das kannst du jemand anderem erzählen!«

In der Kneipe in Oxford waren fast keine Menschen. Die paar Gäste standen an der Theke, und sie hatten die Tische für sich allein. Leiser nippte an einem White Lady, während der Funker das teuerste Bier bestellt hatte. Es ging auf Rechnung der Organisation. »Nehmen Sie's einfach mit der Ruhe, Fred«, drängte er freundschaftlich. »Mehr brauchen Sie nicht zu tun. Sie sind beim letztenmal großartig gewesen. Wir werden Sie sehr gut hören können. Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Sie sind nur hundert Kilometer hinter der Grenze. Es ist ein Kinderspiel, solange Sie sich an die Regeln erinnern. Lassen Sie sich nur beim Abstimmen Zeit, sonst sind wir alle aufgeschmissen.«

»Werde daran denken. Keine Bange.«

»Sie können ganz unbesorgt sein. Die Jerries werden Sie nicht hören. Sie geben ja keine Liebesbriefe durch, sondern nur eine Handvoll Zahlengruppen. Dann ein neues Rufzeichen und eine andere Frequenz. Die werden's nie herausfinden, nicht in der kurzen Zeit, die Sie drüben sind.«

»Vielleicht können sie es doch, heutzutage«, sagte Leiser. »Womöglich haben sie seit dem Krieg dazugelernt.«

»Die müssen sich mit allen möglichen Arten von Funkverkehr herumschlagen. Seefahrt, Militär, Luftsicherung, Gott weiß was noch. Die sind auch keine Übermenschen, Fred. Die sind wie wir. Ein träger Haufen. Keine Bange.«

»Ich habe keine Bange. Im Krieg haben sie mich auch nicht gefaßt. Lange nicht.«

»Passen Sie auf, Fred. Was halten Sie davon: noch einen Drink und dann schleichen wir uns hier und machen uns eine gemütliche Stunde mit Frau Hartbeck? Ohne Licht, hm? Sie ist schüchtern, hat's lieber im Dunkeln. Dann haben wir's ganz sicher, ehe wir uns langlegen. Und morgen machen wir blau.« Dann setzte er fürsorglich hinzu: »Schließlich ist morgen Sonntag, nicht wahr?«

»Ich möchte schlafen. Kann ich nicht mal etwas schlafen, Jack?«

»Morgen, Fred. Morgen können Sie sich hübsch ausruhen.« Er drückte Leisers Ellbogen. »Jetzt sind Sie verheiratet, Fred. Da kann man nicht immer schlafen, wissen Sie? Sie haben nun mal den Schwur geleistet. Das pflegten wir früher immer zu sagen.«