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Smiley sagte: »Ja, Sie sind ein sehr guter Techniker, Adrian. Sie fühlen keinen Schmerz mehr. Sie haben die Technik zu Ihrem Lebensstil gemacht. Wie eine Hure. Technik anstelle von Liebe.« Er zögerte. »Kleine Fähnchen... der alte Krieg läutet den neuen ein. All das war da, nicht wahr? Und dazu der Mann... Ihr müßt euch berauscht haben an ihm. Beruhigen Sie sich, Adrian, Sie waren nicht auf der Höhe.« Er straffte seinen Rücken und erklärte: »Ein in England naturalisierter vorbestrafter Pole flieht über die Grenze nach Ostdeutschland. Einen Auslieferungsvertrag gibt es nicht. Die Deutschen werden sagen, er sei ein Spion, und als Beweis seine Ausrüstung vorlegen. Wir werden erklären, daß man ihm die Ausrüstung untergeschoben hat, und darauf hinweisen, daß sie fünfundzwanzig Jahre alt ist. Ich nehme an, daß er sich eine Geschichte zurechtgelegt hat. Er will an einem Kurs in Coventry teilgenommen haben. Das ist leicht widerlegt: es gibt keine derartigen Kurse. Die Schlußfolgerung ist, daß er aus England fliehen wollte. Wir werden zu verstehen geben, daß er in Geldschwierigkeiten war. Er hielt ein junges Mädchen aus, wie Sie wissen. Sie arbeitete in einer Bank. Das paßt alles sehr gut zusammen. Mit dem Vorstrafenregister, meine ich, da wir es ohnehin erst erfinden müssen.« Er nickte vor sich hin. »Wie ich schon sagte, ist es kein schöner Vorgang. Bis dahin werden wir alle schon wieder in London sein.«

»Und er wird senden«, sagte Avery, »und niemand wird ihm zuhören!«

»Im Gegenteil«, erwiderte Smiley bitter. »Viele werden ihm zuhören.«

Haldane fragte: »Auch Control, ohne Zweifel. Habe ich nicht recht?«

»Schluß!« schrie Avery plötzlich. »Hört um Gottes willen auf! Wenn irgend etwas wichtig, irgend etwas ehrlich ist auf dieser Welt, dann müssen wir ihn jetzt anhören! Und wenn es nur aus. aus.«

»Nun?« fragte Haldane spöttisch. »Liebe wäre. Jawohl, Liebe. Nicht Ihre, Haldane, sondern meine! Smiley hat recht! Sie haben mich angestiftet, es für Sie zu tun. Ich sollte ihn lieben! Sie konnten so etwas schon nicht mehr! Ich habe ihn zu Ihnen gebracht, habe ihn in Ihrem Haus festgehalten, brachte ihn dazu, daß er zur Musik Ihres verdammten Krieges tanzte! Ich habe dazu aufgespielt, aber jetzt habe ich keinen Atem mehr. Er ist das letzte Opfer des Rattenfängers, Haldane, das allerletzte, die letzte Liebe - die Musik ist aus!«

Haldane sah Smiley an. »Aber bringen Sie Control meine Glückwünsche«, sagte er. »Danken Sie ihm in meinem Namen, bitte. Dank für die Hilfe, die technische Hilfe, Smiley, für die Ermunterung, Dank für den Strick! Auch für die freundlichen Worte, und daß er Sie als Überbringer der Blumen hergeliehen hat. So gut gemacht, das alles!«

Aber Leclerc schien von der äußerlich netten Form beeindruckt. »Sei nicht so hart zu Smiley, Adrian. Er tut nur seine Pflicht. Wir müssen alle nach London zurück. Außerdem ist da der Fielden-Bericht. Ich würde mich freuen, wenn Sie ihn sich mal anschauen wollten, Smiley. Truppenverschiebungen in Ungarn: etwas ganz Neues.«

»Und ich würde mich freuen, ihn sehen zu dürfen«, antwortete Smiley höflich.

»Er hat recht, wissen Sie, Avery«, wiederholte Leclerc. Seine Stimme war sehr eindringlich. »Sie sind Soldat. So ist nun mal der Krieg, halten Sie sich an die Regeln! Bei unserem Spiel gelten die Regeln des Krieges. Bei Ihnen, Smiley, muß ich mich wohl entschuldigen, auch bei Control, fürchte ich. Ich hatte geglaubt, die alte Eifersucht sei immer noch wach. Ich habe mich geirrt.« Er senkte den Kopf. »Sie müssen einmal mit mir essen, in London. Mein Club ist nicht ganz Ihr Niveau, ich weiß, aber es ist ruhig dort. Sehr gut geführt. Wirklich gut. Haldane muß mitkommen. Adrian, ich lade dich ein!«

Avery hatte sein Gesicht mit den Händen bedeckt. »Dann gibt's da noch etwas, das ich mit dir besprechen möchte, Adrian - Sie werden nichts dagegen haben, Smiley, Sie gehören ja praktisch zur Familie -, es ist das Problem des Archivs. Unser jetziges System der Archiv-Akten ist wirklich veraltet. Bruce hat mich deshalb schon angesprochen - gerade als ich wegfuhr. Die arme Miss Courtney kann kaum noch zurechtkommen. Ich fürchte, wir müssen in Zukunft zusätzliche Kopien machen. Originalblatt für den Sachbearbeiter, Durchschläge für die Informationen. Es gibt jetzt eine neue Maschine für billige Fotokopien, das Stück kommt nur auf dreieinhalb Pence, scheint mir nicht teuer in diesen Zeiten. Ich muß mit den Leuten mal darüber reden. im Ministerium. die erkennen sofort, was brauchbar ist. Vielleicht.« Er unterbrach sich. »Es wäre schön, Johnson, wenn Sie weniger Krach machen würden. Wir sind noch immer im Einsatz, wissen Sie.« Er sprach wie jemand, der auf sein Auftreten sehr bedacht und sehr traditionsbewußt ist.

Johnson war zum Fenster gegangen. Er stützte sich auf das Fensterbrett, lehnte sich weit hinaus und begann mit gewohnter Präzision die Antenne einzuholen. Er hielt eine Spule in der linken Hand und drehte sie gemächlich hin und her wie ein spinnendes altes Weib ihre Spindel, während er den Draht einzog. Avery schluchzte wie ein kleines Kind. Niemand beachtete ihn.

 

23. Kapitel

 

Der grüne Lieferwagen rollte langsam die Straße entlang. Er überquerte den Bahnhofsplatz mit dem leeren Brunnen. Auf dem Dach des Wagens drehte sich die Ringantenne hierhin und dorthin, wie eine Hand, die die Windrichtung prüft. Dahinter, in engem Abstand, kamen zwei Lkw. Der Schnee blieb jetzt liegen. Sie fuhren mit Standlicht, zwanzig Meter hintereinander, jeder in den frischen Radspuren des vorausfahrenden Wagens.

Der Hauptmann saß im Laderaum des Lieferwagens. Er hatte ein Mikrofon, durch das er mit dem Fahrer sprechen konnte, und neben ihm saß, in seine Erinnerungen versunken, der Unteroffizier. Der Feldwebel hockte vor dem Empfänger, seine Hand drehte unermüdlich an dem Skalenknopf, während er die zitternde Linie auf dem kleinen Bildschirm beobachtete. »Jetzt hat er aufgehört«, sagte er plötzlich. »Wieviele Gruppen haben Sie bis jetzt aufgenommen?« fragte der Unteroffizier. »Ein Dutzend. Zuerst immer wieder das Rufzeichen, dann ein Teil einer Durchgabe. Ich glaube nicht, daß er eine Antwort bekommt.«

»Fünf Buchstaben oder vier?«

»Immer noch vier.«

»Hat er das Schlußzeichen gesendet?«

»Nein.«

»Welche Frequenz hat er benützt?«

»Drei sechs fünf null.«

»Suchen Sie im Nebenbereich weiter. Zweihundert nach jeder Seite.«

»Da ist aber nichts.«

»Suchen Sie!« sagte der Unteroffizier scharf. »Tasten Sie das ganze Band ab. Er hat den Kristall gewechselt. Er wird ein paar Minuten zum Abstimmen brauchen.«

Der Funker begann, den großen Skalenknopf langsam weiterzudrehen, während er das Öffnen und Schließen des in der Mitte des Gerätes sitzenden grünen Auges beobachtete und einen Sender nach dem anderen abtastete. »Da ist er! Drei acht sieben null. Ein anderes Rufzeichen, aber dieselbe Handschrift. Schneller als gestern, besser.« Neben seinem Ellbogen drehten sich eintönig die Spulen des Tonbandgerätes. »Er arbeitet mit verschiedenen Kristallen«, sagte der Unteroffizier. »Wie sie es im Krieg gemacht haben. Es ist der gleiche Trick!« Er war verwirrt: ein älterer Mann, der plötzlich seiner eigenen Vergangenheit wiederbegegnet. Der Feldwebel hob langsam den Kopf. »Hier sind wir«, sagte er. »Null. Wir sind genau auf ihm drauf.« Die beiden Männer stiegen leise aus dem Wagen. »Warten Sie hier«, sagte der Unteroffizier zu dem Feldwebel. »Hören Sie ihm weiter zu. Sobald er unterbricht - und wenn's nur einen Augenblick ist - dann lassen Sie den Fahrer die Scheinwerfer ausmachen. Haben Sie verstanden?«