„Es wäre besser, wenn wir geradeaus liefen“, sagte Klapaucius schnaufend. „Nicht weit von hier liegt eine kleine Ortschaft… Wie sie heißt, weiß ich nicht mehr… Jedenfalls finden wir dort… Uff!!! Schutz…“Sie rannten geradeaus und erblickten bald die ersten Häuser vor sich. Um diese Tageszeit waren die Straßen fast leer. Sie liefen ein gut Stück Weges, ohne auch nur eine lebende Seele anzutreffen, da kündete entsetzlicher Lärm, wie wenn eine Steinlawine auf den Rand der Siedlung niedergegangen wäre, daß auch die Maschine angelangt war.
Trurl schaute sich um und stöhnte.“Du lieber Himmel! Sieh nur, Klapaucius, sie reißt die Häuser ein!“
In der Tat raste die Maschine, die ihnen hartnäckig nachsetzte, wie ein stählerner Berg durch Häusermauern, und Ziegelschutt zeichnete ihren Weg, über dem weiße Kalkstaubwolken schwebten. Entsetzensschreie Verschütteter hallten wider, auf den Straßen wimmelte es von Menschen. Trurl und Klapaucius hetzten schwer atmend, bis sie an ein großes Rathaus gelangten, wo sie im Nu über die Treppe in den tiefen Keller rannten.“So, hier erreicht sie uns nicht, selbst wenn das ganze Rathaus uns über dem Kopf einstürzen sollte“; schnaufte Klapaucius. „Der Teufel hat mich geritten, dir heute einen Besuch abzustatten… Ich war neugierig, wie dir die Arbeit von der Hand geht, na bitte — ich habe es erfahren…“
„Still“, erwiderte Trurl. „Da kommt wer…“In der Tat öffnete sich die Tür des Gewölbes, und der Bürgermeister mit einigen Ratsherren kam herein. Trurl schämte sich darzulegen, was die außergewöhnliche und zugleich schauderhafte Geschichte verursacht haben mochte, also half Klapaucius ihm aus der Klemme. Der Bürgermeister hörte ihm stumm zu. Plötzlich erbebten die Wände, die Erde schwankte, und in den tief unter ihrer Oberfläche versteckten Keller gelangte durchdringendes Krachen einstürzender Mauern.
„Sie ist schon hier?“ rief Trurl.“Ja“, sagte der Bürgermeister. „Und sie fordert eure Auslieferung, da sie sonst die ganze Stadt zerstören wird…“
Zur gleichen Zeit drangen irgendwo oben ausgesprochene, nasal klingende, einem stählernen Schnattern ähnelnde Worte zu ihnen: „Trurl muß hier irgendwo stecken… Ich spüre Trurl…“„Ihr wollt uns doch nicht etwa ausliefern?“ fragte der, nach dem die Maschine so hartnäckig verlangte, mit zitternder Stimme.
„Wer von euch Trurl heißt, muß den Raum verlassen. Der andere kann bleiben, seine Auslieferung ist keine unabdingbare Bedingung…“„Habt Mitleid!“
„Wir sind machtlos“, sagte der Bürgermeister. „Wenn du übrigens hier bleiben solltest, Trurl, müßtest du dich für den Schaden, den du der Stadt und ihren Einwohnern zugefügt hast, verantworten, denn deinetwegen hat die Maschine sechzehn Häuser niedergerissen und viele hiesige Bürger unter ihren Ruinen begraben. Allein der Umstand, daß du dich im Angesicht des Todes befindest, gestattet mir, dich freizulassen, geh und komm nicht wieder.“Trurl schaute auf die Gesichter der Stadträte, und da er auf ihnen das Urteil geschrieben sah, wandte er sich langsam der Tür zu.
„Warte, ich komme mit!“ rief Klapaucius impulsiv.“Du?“ sagte Trurl mit leiser Hoffnung in der Stimme. „Nein“, fügte er nach einer Weile hinzu. „Bleib hier, es ist besser so… Warum solltest du unnötig umkommen?“
„Einfach verrückt!“ rief Klapaucius energisch. „Was denn, warum sollen wir umkommen, etwa durch diese eiserne Idiotin? Ach was! Das reicht nicht aus, um zwei hervorragende Konstrukteure von der Erdoberfläche wegzuwischen! Komm, mein lieber Trurl! Nur Mut!“ Innerlich gefestigt, rannte Trurl hinter Klapaucius über die Treppen. Der Markt war leer. Inmitten von Staubwolken, aus denen die Skelette zerstörter Häuser ragten, stand die Maschine, dicke Dampfschwaden ausstoßend, höher als die Türme des Rathauses, über und über befleckt mit dem Ziegelblut der Mauern und mit weißem Pulver beschmiert.
„Gib Obacht!“ flüsterte Klapaucius. „Sie sieht uns nicht. Wir laufen die erste Gasse nach links, dann nach rechts und dann geradeaus, denn nicht weit von hier beginnen die Berge. Dort verstecken wir uns und denken uns etwas aus, damit ihr ein für allemal die Lust vergeht… Auf und davon!“ rief er, denn in dem gleichen Augenblick hatte die Maschine sie bemerkt und lief ihnen hinterdrein, daß die Fundamente zitterten.Sie rannten, was das Zeug hielt, und gelangten hinter die Stadt. So galoppierten sie etwa eine Meile, während sie das donnernde Stampfen des Kolosses hinter sich hörten, der sie unnachgiebig verfolgte.
„Diesen Hohlweg kenne ich!“ rief Klapaucius plötzlich. „Das ist das Bett eines ausgetrockneten Baches, das in die Tiefe der Felsen führt, wo es zahlreiche Höhlen gibt, schneller, sie wird gleich stehenbleiben!..“Sie liefen also den Berg hinauf, stolpernd, mit den Armen fuchtelnd, um Gleichgewicht zu halten, doch die Maschine befand sich stets in gleicher Entfernung hinter ihnen. Über den schwankenden Felsen des ausgetrockneten Baches erreichten sie einen Spalt in den sich auftürmenden Felsen, und als sie hoch oben den schwarzen Eingang zu einer Höhle erblickten, kletterten sie zu ihr hinauf, ohne auf die Steine zu achten, die sich unter ihren Füßen lösten. Kälte und Finsternis gähnten durch die große Öffnung im Felsen. Eilends sprangen sie hinein, liefen noch ein paar Schritte und hielten an.
„So, hier wären wir sicher“, sagte Trun, der seine Ruhe wiedererlangt hatte. „Ich schaue mal hinaus, um zu sehen, wo sie steckt..“„Gib acht“, warnte Klapaucius. Vorsichtig trat Trurl an die Öffnung der Höhle, beugte sich hinaus und sprang plötzlich erschrocken zurück.
„Sie kommt den Berg herauf!“ rief er.“Sei unbesorgt, sie kommt bestimmt nicht herein“, sagte Klapaucius ein wenig unsicher. „Was ist das? Es scheint dunkel geworden zu sein…!“
Ein großer Schatten verhüllte in diesem Augenblick den Himmel, der bisher durch den Höhleneingang zu sehen war, und darin zeigte sich für einen Augenblick die stählerne, glatte, dicht vernietete Wand der Maschine, die langsam an den Felsen gerückt war. Auf diese Weise war die Höhle gewissermaßen mit einem stählernen Deckel von außen luftdicht abgeschlossen.“Gefangen sind wir…“, flüsterte Trurl, und seine Stimme zitterte umso mehr, als völlige Dunkelheit eingetreten war.
„Das war von uns idiotisch“, rief entrüstet Klapaucius. „In eine Höhle zu laufen, die sie verbarrikadieren konnte! Wie konnten wir so etwas tun?“„Was meinst du wohl, was sie plant?“ fragte Trurl nach längerem Schweigen.
„Dafür, daß wir hier herauskommen wollen, braucht man keinen besonderen Verstand.“Wieder herrschte Schweigen. Trurl ging in dem Dunkel auf Zehenspitzen, streckte die Hände vor, in die Richtung, wo sich der Höhlenausgang befand, und tastete den Felsen ab, bis er den glatten Stahl berührte, der warm war, als ob er von innen beheizt wäre.
„Ich fühle dich, Trurl…“, donnerte die eiserne Stimme in dem verschlossenen Raum. Trurl wich zurück, setzte sich auf einen Felsblock neben den Freund, und so ruhten sie eine Weile, ohne sich zu rühren. Schließlich flüsterte Klapaucius ihm zu: „Hier können wir durch Sitzen nichts erreichen, es geht nicht anders, ich will versuchen, mit ihr zu verhandeln…“„Hoffnungslos“, sagte Trurl. „Aber versuchen kannst du es ja, vielleicht läßt sie dich wenigstens heil heraus…“
„Nicht doch!“ sagte begütigend Klapaucius zu ihm, trat an die im Dunkeln unsichtbare Felsöffnung und rief: „Hallo, hörst du uns?“„Ich höre“, erwiderte die Maschine.
„Hör zu, ich möchte mich bei dir entschuldigen. Weißt du… Es ist ein kleines Mißverständnis zwischen uns entstanden, aber das ist doch im Grunde eine Kleinigkeit! Trurl hatte gar nicht die Absicht…“„Trurl werde ich vernichten!“ sagte die Maschine. „Zuvor hat er mir aber eine Frage zu beantworten, wieviel zwei plus zwei ist.“