Um Himmels willen — diese Teppiche — die sind doch abgewetzt, direkt kahl, und der Oheim — der Oheim war kahl… Das darf nicht wahr sein! Zurück! Rückzug! Aufwachen! Aufwachen!! — dachte er. — 'Das Wecksignal blasen, nur weg aus diesem Traum!' — wollte er brüllen, aber als alles verschwand, wurde es nicht besser. Er stürzte aus dem Traum in neuen Traum, den es dem vorigen träumte, und jener war einem noch früheren zugestoßen, also war dieser gegenwärtige schon gleichsam zur dritten Potenz; alles in ihm wandte sich schon ganz offen zum Verrat um, roch nach Abtrünnigkeit, die Fahnen stülpten sich um wie die Handschuhe, von königlichen zu schwarzen, die Orden hatten Gewinde, wie abgehackte Genicke, aus den goldglänzenden Trompeten aber rasselten nicht Schlachtfanfaren, sondern des Oheims Gelächter, wie Donner wiehernd, dem König zum Verderben. Da brüllte der König mit hundertglockendonnernder Stimme, schrie nach den Truppen — sollen sie ihn mit Lanzen stechen, daß er aufwacht! „Kneift mich!“ — verlangte er mit Riesenstimme, dann wieder: „Wachen! Aufwachen!!!“ — jedoch vergebens; also plagte er sich wieder aus dem Königsstürzler— und Hinterhältlertraum in den Throntraum, aber schon mehrten sich in ihm die Träume wie die Kaninchen, kreisten wie die Ratten, die einen Bauwerke steckten die anderen mit Alp an, es verstreute sich in ihnen munkelnd, schmuggelnd, schwindelnd, leisetretend, ungeklärt — was, aber was Gräßliches, da sei Gott vor! Den hundertstöckigen Elektronenbauten träumte es Schräubchen Zerstäubchen und Stiftchen und Giftchen, in jeder persönlichen Unterstation klüngelte eine Horde von Verwandten, in jedem Verstärker kicherte der Oheim; da erbebten die Hauswesen-Grauswesen, von sich selbst entsetzt, aus ihnen schwärmten hunderttausend Anverwandte hervor, eigenmächtige Thron-Anmaßer, zwiegesichtige Findel-Infanten, schiel-äugige Usurpatoren, und wenn auch keiner wußte, ob er ein geträumtes Wesen war oder ein träumendes, wen wer träumte, wozu und was daraus erwachsen sollte — hetzten doch alle ohne Ausnahme, auf Murdas, huss, huss, um einen Kopf kürzen, vom Thron runterstürzen, vernichten, wieder richten, und wieder vernichten, im Kirchturm verrammeln, soll er dort bimmel-bammeln, jucheissa juchei, der Kopf ist entzwei — und nur deshalb taten sie vorläufig nichts, weil sie sich über den besten Anfang nicht einigen konnten. Und so rasten lawinenweise die Greuelfratzen der königlichen Gedanken, bis von der Überlastung eine Flamme hochzuckte. Nicht mehr geträumtes, sondern allerwirklichstes Feuer entfachte goldene Glanzlichter in den Fenstern der königlichen Person, und so zerfiel König Murdas in hunderttausend Träume, denen nichts mehr Zusammenhalt gab außer dem Brand — und er brannte lang…
König Globares und die Weisen
Globares, der auf Eparis herrschte, beschied einst die weisesten Männer vor sein Angesicht und sprach zu ihnen:“Fürwahr, gräßlich ist das Los eines Königs, der schon alles kennt, was sich kennen läßt. Hohl wie ein gesprungener Krug klingt ihm, was zu ihm gesprochen wird. Ich wünsche zu staunen und werde gelangweilt; ich begehre das Erschütternde und höre fades Gewäsch; ich fordere Außergewöhnliches, und man bietet mir platte Schmeichelei. Wisset, o weise Männer, daß ich heute meine Possenreißer und Narren wie auch Hausrat und Hofrat samt und sonders habe köpfen lassen. Euch erwartet ein gleiches Los, wenn ihr mein Gebot nicht erfüllt. Jeder erzähle mir die seltsamste Geschichte, die er weiß. Doch wenn mich einer weder lachen noch weinen macht, weder verblüfft noch ängstigt, weder belustigt noch zum Nachdenken zwingt, — dann kostet es ihn seinen Kopf!“ Der König winkte, und die weisen Männer hörten den stählernen Schritt der Schergen. Die kamen heran und umringten sie zu Füßen des Throns und hielten entblößte Schwerter, die wie Flammen blitzten. Da ängstigten sich die weisen Männer, und einer stupste den anderen mit dem Ellbogen, denn keiner wollte des Königs Zorn auf sich ziehen und den Kopf dem Richtschwert aussetzen. Endlich sprach der erste Weise:
„Mein Herr und König! Die seltsamste Geschichte im ganzen sichtbaren und unsichtbaren Kosmos ist zweifellos die der Sternvölkerschaft, welche in den Chroniken die kehrseitlerische heißt. Seit ihrer Frühzeit haben die Kehrseitler alles umgekehrt angefangen als irgendein vernunftbegabtes Wesen. Ihre Vorfahren siedelten sich auf dem Planeten Urdrur an, der für seine Vulkane berühmt ist. Jahr für Jahr bringt er Gebirgszüge hervor. Dabei erschüttern ihn furchtbare Zuckungen, denen nichts standhält. Und zu allem Unglück gefiel es dem Himmel, die Erdkugel der Kehrseitler dem großen Meteorstrom in die Quere zu legen. Zweihundert Tage im Jahr trommelt er mit Scharen steinerner Rammböcke auf den Planeten ein. Die Kehrseitler (die damals noch nicht so hießen) errichteten ihre Bauten aus Hartguß und Hartstahl; sich selbst aber beschlugen sie so dick mit Stahlblech, daß sie wie gepanzert wandelnde Hügel aussahen. Doch ihre stählernen Burgen verschlang der aufklaffende Boden beim erstbesten Erdbeben, und der Hammerschlag der Meteore zermalmte die Panzerung. Als das ganze Volk unterzugehen drohte, versammelten sich seine weisen Männer und hielten Rat. Da sprach der erste: 'So, wie es jetzt beschaffen ist, kann unser Volk nicht bestehen. Unser einziges Heil liegt in der Umwandlung. Die Erde öffnet ihre Spalten von unten her. Um nicht hineinzufallen, muß also jeder Kehrseitler eine breite und platte Grundfläche aufweisen. Meteore wiederum hagelt es von oben, daher muß jeder nach oben spitz zulaufen. Sind wir erst kegelförmig, so droht uns nichts mehr!'Da sprach der zweite: 'Anders müssen wir es anfangen. Wenn die Erde ihren Rachen weit aufsperrt, verschlingt sie auch einen Kegel. Und ein schräg auftreffender Meteor durchschlägt ihm die Flanken. Die ideale Gestalt ist die der Kugel. Denn wenn der Boden zu beben und zu schwanken anfängt, rollt die Kugel immer von selbst davon. Fällt aber ein Meteor, so trifft er eine rundliche Fläche und prallt ab. So sollten wir uns umwandeln, um in eine bessere Zukunft zu rollen.'