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»Denken Sie nach!«

»Nein. Nein, ich kenne keinen Foggerty. Nicht mal, wenn er mir was schulden würde.«

Lavallier fletschte die Zähne und beugte sich vor.

»James Foggerty wird verdächtigt, im Laufe der vergangenen zehn Jahre in die Führungsspitze der Irisch Republikanischen Armee aufgestiegen zu sein. Derselbe Verein, dem auch unser Freund Clohessy angehörte.«

»Na und?«

»Foggerty war zur selben Zeit am Trinity College in Dublin wie Patrick und Sie. Wir haben das nachgeprüft. Und Sie kannten ihn. Sie hatten gemeinsame Professoren und gemeinsame Kurse.«

O’Connor wirkte plötzlich verwirrt. Er hob die Hände und ließ sie wieder sinken. Dann schüttelte er langsam den Kopf.

»Kommissar Lavallier«, sagte er. »Auch ich kann nicht verhehlen, dass mir unser kleines Gespräch keine rechte Freude bereiten will. Das ist sehr schade, weil ich allmählich durchaus Geschmack an Ihnen finde. Wenn Sie mir eine Gegenfrage gestatten: Kennen Sie einen gewissen Krämer?«

»Hören Sie bloß auf«, zischte Lavallier. »Ich lasse Sie in Eisen legen, O’Connor!«

»Nein, Sie missverstehen mich. Ich verspreche ja, auf jede Ihrer Fragen wahrheitsgemäß zu antworten, aber kennen Sie einen Dieter Krämer?«

Lavallier schwieg einen Moment.

»Nein.«

»Er war aber mit Ihnen auf der Polizei-Akademie. Er hatte die gleichen Ausbilder und genauso wie Sie Kurse in Kriminologie, psychologischer Tätererfassung und Waffenkunde.« O’Connor lächelte. »Dieter Krämer könnte aber auch Fritz Schulte heißen. Oder sonst wie. Sehen Sie, am Trinity laufen Tausende Studenten rum, die die gleichen Lehrer und die gleichen Fächer haben, aber können Sie sich an jeden Einzelnen erinnern, der mal mit Ihnen in der Schule war?«

Lavallier sah ihn finster an.

»Niemand kann das. Trotzdem werden Sie mir etwas erklären, und erklären Sie es gut, wenn ich bitten darf.«

»So gut ich kann.«

»Warum schreibt Patrick Clohessy kurz vor seinem Verschwinden und eindeutig nach dem Treffen mit Ihnen in einem Brief, Sie seien ein Agent der IRA und hätten ihn im Auftrag von James Foggerty gesucht?«

»Ich soll was?«

O’Connor verlor sichtlich die Fassung. Wagner sah ihn an und merkte, wie sich der Boden unter ihren Füßen auftat.

O’Connor? Die IRA?

Kuhn hat gesagt, er hat mit der IRA sympathisiert. Kuhn ist verschwunden. Und Paddy auch.

Was um Himmels willen…

Langsam, dachte sie. Komm zur Räson! Du blöde Kuh! Lavallier sagt einen krummen Satz, und gleich witterst du Verrat.

»Erstens«, sagte sie, einem Impuls folgend, »wird Dr. O’Connor Ihnen diese Frage nicht beantworten. Da Sie so viel Wert auf klar verständliche Sprache legen, dürfte Sie das nicht überraschen. Zweitens wird er es allenfalls dann tun, wenn Sie uns einen schriftlichen Beweis für das vorlegen, was Sie gerade gesagt haben. Und lassen Sie mich klarstellen, dass der eine oder andere Anwalt augenblicklich hier sein wird, wenn ich es will.«

O’Connor sah sie aus runden Augen an.

Huch, dachte sie. Jemand muss durch mich gesprochen haben. Wie geschieht mir? Die Mutation zum unglaublichen Hulk?

Lavallier betrachtete sie unbeeindruckt. Dann griff er wortlos neben sich und schob ein Blatt Papier über den Schreibtisch.

»Eine Abschrift«, sagte er. »Das Original ist bei der Spurensicherung. Natürlich können Sie es später in Augenschein nehmen, wenn Sie drauf bestehen.«

O’Connor überflog die wenigen maschinengeschriebenen Zeilen und gab das Blatt an Wagner weiter.

»Weder mein Name kommt darin vor noch irgendetwas über die IRA«, sagte er.

»Nobelpreis«, konterte Lavallier. »Bücher. Foggerty.«

»Völliger Blödsinn.«

»So? Es sind Clohessys Fingerabdrücke auf dem Original.«

»Lavallier«, seufzte O’Connor. »Überprüfen Sie mich. Gehen Sie in Ihre gottverdammte Datenbank und holen Sie Informationen über mich ein. Ich bin eine Person des öffentlichen Lebens, jeder meiner Schritte ist besser kartografiert als die Erdoberfläche. Ich hatte nie Kontakt mit Foggerty. Wenn Sie mir ein Foto zeigen, werde ich ihn möglicherweise wiedererkennen, aber ich hatte keinen Kontakt mit ihm. Ich hatte überhaupt nie mit der IRA zu tun.«

»Sie wären fast vom College geflogen wegen der IRA.«

»Was? Ach, das!« O’Connor führte die Hand zur Stirn. »Oh Gott, Lavallier! Wir waren unausgegorene Breigehirne, die sich als Revoluzzer gefielen, weil es ihnen zu gut ging! Was haben Sie denn alles für Zeug von sich gegeben, als Sie jung waren? Paddy hat sich wirklich für die Probleme Nordirlands engagiert, ich hätte ebenso gut die Faust gegen das Aussterben der Wasserflöhe recken können. Mir ging es darum, Spaß zu haben.«

»Das war kein Spaß. Es kann kein Spaß sein, für eine terroristische Vereinigung–«

»Ich war gelangweilt«, sagte O’Connor heftig. »Begreifen Sie das nicht? Nein, das können Sie auch nicht begreifen, wenn es Ihnen vorne und hinten reingeschoben wird, dass Sie sich irgendwann fragen, was Sie eigentlich anstellen müssen, damit Sie mal auf die Schnauze fallen! Ich hatte immer jemanden, der mich rausgehauen hat, ich hätte um mich schießen können, verstehen Sie, wie öde das ist? Ich wollte, dass sie mich rauswerfen! Ich wollte raus aus diesem gemachten Bett, bevor mir darin die Knochen lahm wurden! Das war alles.«

Lavallier schwieg.

»Gehen Sie mal im Kopf zurück in Ihr Zimmer, als Sie ein junger Schnösel waren«, rief O’Connor. Er schien förmlich in Flammen zu stehen vor Zorn. »Was hing da an Postern rum? Na? Che Guevara? Welche Parolen haben Sie nachgebetet?«

»O’Connor«, sagte Lavallier sehr ruhig. »Haben Sie Briefe an Politiker geschrieben und sie überredet, sich vor laufenden Kameras lächerlich zu machen?«

»Nein.«

»Das ist eine Lüge.«

»Ich habe niemanden dazu überredet, sich lächerlich zu machen. Ich habe lächerliche Personen dazu gebracht, ihre Lächerlichkeit öffentlich kundzutun.«

»Was war mit dieser Bombengeschichte beim physikalischen Symposium?«

»Ein Streich.«

»Ein Streich?«

O’Connors Brustkasten hob sich. Wagner wartete auf den nächsten Ausbruch, aber er kam nicht. Stattdessen wandte O’Connor ihr den Kopf zu und sah sie hilfesuchend an.

»Kika, welche Strafe steht darauf, einem deutschen Polizisten die Zunge rauszustrecken?«

»Keine Ahnung.« Sie sah Lavallier an. »Wissen Sie es?«

»Notfalls werde ich eine einführen«, sagte der Hauptkommissar.

O’Connor lehnte sich zurück.

»Kika, erkläre diesem eifrigen und sicher über die Maßen fähigen Erwachsenen, dass ich ein großes Kind bin. Ich brauche meinen Spaß. Ich will nichts anderes als Spaß. Weder bin ich ein Agent der IRA noch jage ich Leuten nach, um sie dann verschwinden zu lassen.«

Die Stimmung im Raum war gereizt. Wäre sie brennbar gewesen, hätte ein Streichholz gereicht, die Polizeiwache in die Luft fliegen zu lassen.

»Noch einmal«, sagte Lavallier. »Wo waren Sie gestern Nacht zwischen Ihrem Aufbruch aus dem Maritim und dem Zeitpunkt Ihrer Rückkehr?«

Wagner sandte einen Blick zu O’Connor.

Der Physiker nickte.

Schließlich erzählten sie es Lavallier. Details ließen sie aus, aber am Ende war er so weit im Bilde.

Plötzlich sah der Hauptkommissar sehr müde aus.

»Haben Sie irgendwelche Zeugen«, sagte er beinahe lustlos.

»Für eine bestimmte Zeit ganz sicher nicht«, bemerkte O’Connor.

Lavallier seufzte.

»Und?«, fragte der Physiker. »Sind wir jetzt verhaftet?«

»Ich kann Sie nicht verhaften. Ich will’s auch gar nicht. Ich will nur, dass heute Abend Bill Clinton hier landen kann und in drei Tagen Boris Jelzin und dazwischen all die anderen. Verstehen Sie mein Problem?«