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»Er hat Wohnung falsch geschrieben und wahrscheinlich auch Spiegel. Irgendwas mit Spiegeln kommt darin vor. Und ein Objektiv. Aber das ist nicht wirklich von Bedeutung.«

»Was ist hiermit? Derjak schießt?«

»Könnte der Schlüssel sein. Möglich.«

»Also wäre die Frage, wer Derjak ist. Was sagt denn die Polizei?«

»Oh, sie entwickelt eine ganz erstaunliche Phantasie.« O’Connor lachte freudlos. »Mittlerweile bin ich der Buhmann.«

»Sie? Wieso denn Sie?«

O’Connor erzählte es ihm.

»Und was glauben Sie, wird passieren?«, fragte Silberman, ohne auf die Frage nach O’Connors Schuld oder Unschuld einzugehen.

O’Connor sah ihn an.

»Liegt das nicht auf der Hand? Hier am Flughafen ist was faul, und was da stinkt, ist nicht nur der gute alte Paddy. Darum haben sie mich kaltgestellt. Damit ich ihnen nicht weiter in die Quere komme.«

»Augenblick. Wer sind sie?«

»Na, sie halt! Die Leute, die Paddys Anwesenheit eingefädelt haben. Denen Kuhn auf die Spur gekommen ist.«

»Ich bin beeindruckt«, sagte Silberman und sah ganz so aus. »Eine waschechte Verschwörungstheorie! Kann es sein, dass die Iren eher aus Amerika stammen?«

»Das können wir gern diskutieren«, erwiderte O’Connor heiter. »So lange, bis wir alle in die Luft geflogen sind.«

Silberman zögerte. »Sie meinen das ernst, nicht wahr?«

»Ja. Aber statt der Sache nachzugehen, drangsaliert mich dieser Kommissar mit völlig aus der Luft gegriffenen Verdächtigungen.«

»Sie sind nicht aus der Luft gegriffen, wenn ich mir erlauben darf, das zu bemerken. Mit einem solchen Schreiben in der Hand, wie man es bei Paddy gefunden hat, wüsste ich auch nicht mehr, was ich noch glauben soll.«

»Mir glaubt er jedenfalls nicht.«

»Nun ja.« Silberman breitete die Hände aus. Es hatte etwas Pastorales. »Vielleicht denkt er, dass jemand, der das Licht umleiten kann, auch in der Lage ist, die Wahrheit zu verbiegen. Aber gut, nehmen wir Ihren Bericht als Tatsache. Dann stellt sich mir Folgendes dar. Sie treffen Clohessy wieder, der aber nicht mehr so heißt und wenig Begeisterung darüber an den Tag legt, Sie zu sehen. Dennoch sucht er Sie später auf.«

»Er wurde geschickt!«

»Gut. Er wird also geschickt und weckt Ihren Argwohn.

Wahrscheinlich erreicht er das genaue Gegenteil von dem, was er eigentlich wollte, jedenfalls spielen Sie und Ihre reizende Begleiterin ein bisschen Sherlock Holmes. Recht halbherzig, wenn ich auch das feststellen darf. Währenddessen oder als Folge lösen sich Kuhn und Clohessy über Nacht in Luft auf, und Sie sehen sich absurd erscheinenden Verdächtigungen ausgesetzt.«

»Paddy musste untertauchen«, nickte O’Connor. »So viel ist klar.«

Silberman schaute auf seine Hände. Dann sagte er langsam:

»Vielleicht musste er nicht einfach nur untertauchen, Liam.«

»Was meinen Sie?«

»Vielleicht musste er ja – verschwinden.«

O’Connor schwieg.

Paddy Clohessy tot?

Das war vorauszusehen, hörte er sich sagen. Natürlich war es das. Immer gewesen. Habe ich immer gesagt, es wird kein gutes Ende nehmen mit dem Kerl, noch ein Gezapftes, ah, Paddy, setz dich zu uns!

Mit einem Mal fühlte er sich von Wehmut erfüllt. Clohessy aus dem Spiel ausgeschieden, das konnte nicht wirklich stimmen. Standen sie nicht immer noch auf den Brettern des kleinen Theaters am Front Square? War ihm irgendwas entgangen? Hätte er das Drehbuch aufmerksamer lesen sollen?

Und Kuhn? Kuhn, der sich nicht meldete und nicht erreichbar war?

Was war ihm widerfahren, wenn jemand es für nötig hielt, Paddy Clohessy zu ermorden?

Silberman schien seine Gedanken zu erraten.

»Es tut mir leid, Liam«, sagte er entschuldigend. »Ich wollte Sie nicht beunruhigen, aber die Überlegung drängt sich auf. Und noch etwas. Nehmen wir an, Ihr Freund Patrick wurde geopfert. Kuhn bleibt verschollen. Sie selbst versucht man in Misskredit zu bringen. Alle diese Vorkommnisse haben eines gemeinsam, finden Sie nicht auch?«

»Was wäre das?«

»Zeit zu schinden.«

O’Connor runzelte die Stirn.

»Aber man kann auf diese Weise nicht viel Zeit schinden. Stunden. Einen Tag vielleicht.«

Silberman nickte.

»Das heißt –« O’Connor stockte. »Es ist die Zeit, die sie brauchen, um ihren Plan in die Tat umzusetzen.«

»Ich denke, ja.«

»Heiliger Sankt Patrick.«

»Natürlich gefallen wir uns jetzt ein wenig in der Rolle von Detektiven, aber dafür sitzen wir ja hier. Spinnen wir es also weiter, und wir gelangen nicht nur zu dem Schluss, dass sie etwas vorhaben, sondern auch, wann sie es vorhaben.«

O’Connor starrte sein halbvolles Bierglas an. Dann schob er es langsam von sich weg.

»Clinton«, sagte er halb zu sich selbst.

»Clinton ist nicht der Einzige, der in Frage käme.« Silberman dachte kurz nach. »Nach ihm, ich glaube gegen halb neun, erwarten sie die japanische Delegation, aber ich bin nicht sicher, ob Obuchi an Bord sein wird. Morgen treffen russische, englische, französische und italienische Maschinen ein. Das weiß ich sogar ziemlich genau. Mittags kommt Blair, etwa eine Stunde später Chirac und kurz darauf D’Alema.«

»Was ist mit den Russen?«

»Materialmaschinen, Presse. Jelzin selbst wird möglicherweise erst in drei Tagen eintreffen und am selben Tag zurückfliegen. Ihn würde ich ausklammern. Aber natürlich kann ich mich irren. Auch Jelzin steht auf der Liste der meistgefährdeten Politiker der Welt.«

»Schröder?«

»Der Kanzler?« Silberman spitzte nachdenklich die Lippen. »Nein. Entschieden nein! Er kommt nicht mit dem Flieger. Außerdem werden Attentate auf deutsche Politiker immer nur von Deutschen verübt. Sie mögen sich selbst am wenigsten. Nein, ich glaube nicht, dass wir es hier mit Deutschen zu tun haben.« Silberman machte eine Pause und nippte an seinem Tonic Water. »Sofern wir es überhaupt mit jemandem zu tun haben. Es ist und bleibt pure Spekulation.«

Plötzlich schien es O’Connor, als stehe der Berichterstatter kurz davor, einen Rückzieher zu machen.

»Diesmal kann ich Sie nicht schonen, Aaron«, sagte er. »Gut möglich, dass jemand Blair oder Chirac ans Leder will, aber glauben Sie das wirklich?«

Silberman schüttelte stumm den Kopf.

»Wer also könnte einen Anschlag auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten verüben wollen?«

Silberman sah ihn an. Dann lachte er kurz auf.

»Alle! Jeder! Russland. Serbien. Libyen. China. Kolumbien. Der Irak. Nordkorea. Du meine Güte.« Er winkte dem Barmann. »Geben Sie mir einen Bourbon, schnell!«

»Welchen Bourbon?«, fragte der Barmann vorsichtig.

»Irgendwas.«

»Und – für Sie?«

»Ich ziehe es vor, stilvoll unterzugehen«, sagte O’Connor. »Was bietet die Abteilung Portwein?«

Der Barmann strahlte. Nacheinander stellte er eine ansehnliche Kollektion älterer Jahrgänge auf den Tresen.

O’Connor studierte mit Wohlwollen die Etiketten.

»Gut, gehen wir systematisch vor. Clinton gilt als treibende Kraft der Nato-Intervention. Die Serben zum Beispiel dürften einigermaßen sauer auf ihn sein. – Geben Sie mir den Achtundsiebziger Dela- force und eine Hand voll Nüsse.«

»Sie sind viel saurer auf Blair und Schröder«, bemerkte Silberman. »Von den Amerikanern haben sie nichts anderes erwartet als Krawall, aber schon wieder von Deutschland angegriffen zu werden, warum auch immer, das hat sie regelrecht traumatisiert.«

»Diesmal war’s aber nicht die Wehrmacht.«

»Na und? Sie verkennen den serbischen Opfermythos. Wenn Sie sich im Recht fühlen, ist es Ihnen verdammt egal, warum Sie jemand angreift, derjenige ist immer im Unrecht. Sie werden es kaum glauben, aber Clinton war ursprünglich wenig begeistert davon, sich überhaupt einzumischen. Man muss der moralischen Attitüde der Intervention nicht unbedingt misstrauen, aber verschiedenes relativieren. Mit diplomatischem Gewicht haben sich die USA erst engagiert, als die Übergriffe Belgrads gegen die albanische Zivilbevölkerung überhand nahmen. Um die Wahrheit zu sagen, es gibt Gerüchte, wonach die Großoffensive Serbiens gegen die UQK im letzten Jahr mit stillschweigender Billigung Washingtons geschah. Clinton hat die Spaltung der UQK betrieben, sie war ihm suspekt. Ebenso wie man drüben die Idee verwarf, dem Kosovo den Status einer dritten Republik im restjugoslawischen Verbund zu geben. Und zwar gleichberechtigt mit Serbien und Montenegro!«